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Übernehmen digitale Gesundheitsanwendungen Aufgaben von Therapeuten?

© imago/Westend61/Gustafsson

Wachsende Nachfrage: Wer wird uns in Zukunft therapieren?

Immer mehr Menschen brauchen psychotherapeutische Behandlungen. Aber die Mittel dafür sind knapp bemessen.

Von
  • Johanna Böttcher
  • Enno Maaß
  • Günter Koch

Stand:

Die Nachfrage nach psychotherapeutischen Leistungen steigt immer weiter an, aber die dafür zur Verfügung stehenden Mittel bleiben knapp bemessen. Gleichzeitig sind die Regelungen für die Finanzierung der Weiterbildung reformbedürftig, gerade für Psychotherapeut*innen in Ausbildung. Müssen wir uns in Zukunft mehr auf digitale Gesundheitsanwendungen verlassen? Und wie könnte es gelingen in Zukunft den Beruf der Psychotherapeut*innen attraktiver und diverser zu machen?

Drei Experten geben darauf eine Antwort. Alle Beiträge der Serie „3auf1“ finden Sie hier.


Auch bei digitalen Gesundheitsanwendungen sind es Menschen, die uns therapieren

In der Diskussion um die knappe Versorgungslage werden digitale Interventionen häufig als effiziente Lösungen ins Spiel gebracht. Mit einer App kann man schließlich tausende Personen gleichzeitig erreichen. Aber wer therapiert eigentlich in einer App? Menschen. Menschen, die in Beziehung zu sich selbst treten und versuchen, ihre psychischen Probleme aus eigener Kraft zu bewältigen. Diese empowernde Qualität digitaler Interventionen wird wenig berücksichtigt. Dabei nutzen Psychotherapeut*innen sie bereits und unterstreichen, wie gut digitale Interventionen und Psychotherapie zusammen funktionieren können.

Mensch oder Maschine ist nicht die richtige Frage. Vielmehr sollten wir gemeinsam herausfinden, in der Forschung und in der individuellen Behandlung, wann Maschinen (in Form von digitalen Gesundheitsanwendungen wie conversational agents usw.) Menschen in ihrer Selbstheilung unterstützen können und wann es gut ausgebildete Psychotherapeut*innen braucht. In beiden Fällen aber sind es Menschen, die uns therapieren.  


Bei knappen Mitteln muss man die Ressourcen besser verteilen

Je schlechter die sozioökonomischen Bedingungen, desto mehr psychische Erkrankungen treten auf bei zeitgleich schlechterem Zugang zum medizinisch psychotherapeutischen Versorgungssystem. Die psychotherapeutische Behandlung lebt im Kern von der menschlichen Interaktion und kann dies auch kosteneffektiv leisten. Digitale Gesundheitsanwendungen können bei psychischen Belastungen helfen, Symptome zu reduzieren und auf weitere Behandlungsangebote vorbereiten.

Aber auch das kostet Mittel und bisher erreichen solche Angebote gerade nicht diejenigen, die am stärksten auf einen niedrigschwelligen Zugang angewiesen sind, wie z.B. Menschen mit geistigen Behinderungen, schwer psychisch Erkrankte oder Menschen unter schwierigen sozioökonomischen Bedingungen. Die Psychotherapeut*innen stehen bereit, aber wir müssen das Angebot nachbessern: Wir müssen krankschreiben können, Überweisungen ausstellen und weitere Aufgaben übernehmen, damit wir bei knappen Mitteln die psychotherapeutischen Ressourcen richtig verteilen.

Auch muss klar sein, dass das Studium und die Weiterbildung zur Psychotherapeut*in so finanziert werden, dass es jedem möglich ist, diesen Beruf zu ergreifen. Dadurch würde die Diversität in der Psychotherapie grundständig ermöglicht und gefördert werden.


Finanzielle Situation von Therapeuten in Ausbildung muss verbessert werden

Wer in Deutschland eine Psychotherapie beginnt, ist in guten Händen. Psychotherapeut*innen sind, durch ihre umfangreiche und anspruchsvolle Ausbildung, sehr gut qualifiziert. Viele werden dabei von eigenen positiven Erfahrungen mit Psychotherapie oder dem Wunsch anderen Menschen zu helfen, angetrieben. Solche Motivationen sind zwar unabhängig von Herkunft und sozialem Status – bisher stellen psychotherapeutische Ausbildungen viele Menschen aber vor eine große Hürde: Man muss sie sich leisten können.

Die Reform des Psychotherapeutengesetzes hat versucht, hier anzusetzen, um die finanzielle Situation von Psychotherapeut*innen in Ausbildung zu verbessern. Nach aktuellem Stand ist die Finanzierung der Reform selbst jedoch noch unklar, weshalb sie faktisch noch nicht umgesetzt werden kann – hier sind Politik und Krankenkassen in der dringenden Verantwortung, eine Lösung zu schaffen. Sollte dies gelingen, wird es auch künftig genug junge Menschen geben, die Psychotherapeut*innen werden.

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