
© dpa/Soeren Stache
Warten auf Dauerstellen für Berliner Postdocs: Ein Institut der HU löst das Problem selbst
Langzeitverträge für alle Postdocs auf Uni-Stellen: Der umstrittene Berliner Plan könnte 2025 noch gekippt werden. Inmitten der Ungewissheit hat die Philosophie der HU sich jetzt eine eigene Reform geschaffen.
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Eigentlich hätte es im kommenden Oktober losgehen sollen mit dem kühnen Vorhaben: Allen wissenschaftlichen Mitarbeitern (WiMi) mit Doktorgrad hätten die Unis einen unbefristeten Vertrag geben müssen. Das sah ein Paragraf des reformierten Hochschulgesetzes vor, das noch unter Michael Müller (SPD) auf den Weg gebracht worden war. Nach vielfachem Protest aus den Unileitungen wurde die umstrittene Regelung aber zunächst vertagt.
Mit dem letzten Regierungswechsel wurde sie weiter aufgeschoben: Der Wissenschaftsausschuss beschloss im Juni mit Stimmen von CDU und SPD eine Änderung am Gesetzestext, die die Frist zum Inkrafttreten um knapp zwei Jahre verlängert. Ob der Paragraf 2025 schließlich ganz gekippt wird? Möglich.
Die Frage, wie die Karriereaussichten für promovierte Wissenschaftler:innen verbessert werden können, beschäftigt Wissenschaftsverwaltung und Unileitungen bis dahin weiter. In den gerade verhandelten Hochschulverträgen einigte man sich nach Tagesspiegel-Information auf eine Zielvorgabe für mehr Dauerstellen: Bis Ende 2027 sollen die Unis eine Quote von mindestens 40 Prozent Vollzeit-Dauerstellen für wissenschaftliche Mitarbeitende erreichen. Die Formulierung schließt allerdings auch Promovierende, Professor:innen und Koordinationsstellen mit ein. Wie viele Postdocs per Langzeitvertrag angestellt werden, wird also nicht spezifisch geregelt.
In den letzten Verträgen war die Vorgabe, die bis 2020 erreicht werden sollte, mindestens 35 Prozent. Sie bezog sich auf „wissenschaftliches Personal des akademischen Mittelbaus“, also nur auf Personal unterhalb der Professur.
HU-Profs treten Privilegien ab
Während alle warten und sich manche ärgern, hat das Institut für Philosophie an der Humboldt-Universität (HU) seine eigene Reform angestoßen. Bei gleichem Budget würden dort künftig fünf Langzeitstellen eingerichtet, verkündete der Philosophie-Professor Tobias Rosefeldt kürzlich auf Twitter. Möglich wird der Umbau, weil der Institutsrat sich auf eine Umverteilung der Gelder geeinigt hat.
Die Akzeptanz für die Strukturreform ist in unserem Bereich extrem hoch.
Tobias Rosefeldt, Philosophie-Professor an der Humboldt-Universität
Zunächst sieben der elf Professor:innen verzichten auf ihre Personalmittel. Aus diesem Topf werden drei WiMi-Stellen für Promovierte und zwei Juniorprofessuren geschaffen, also Postdoc-Stellen, die als „tenure track“ in eine Professsur münden. Auf die künftig neun Stellen im Postdoc-Bereich bezogen, käme die HU-Philosophie mit den neuen fünf Posten auf eine Dauerstellenquote von 55 Prozent.
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Wie lässt sich erklären, dass einige Kolleg:innen auf das Privileg eigener Personalgelder verzichten? Ein Anreiz sei, dass indirekt alle am Institut entlastet würden, erklärt Tobias Rosefeldt, der die Initiative maßgeblich mitorganisiert hat. „Die neuen Mittelbaustellen sollen neben Verwaltungsaufgaben wie der Betreuung von Studiengängen auch einen attraktiven Forschungs- und Lehranteil haben.“ Zudem könne man aus den gepoolten Mitteln endlich zwei weitere Personen für EDV-Aufgaben und Tutorien beschäftigen, die dringend benötigt würden.
Für das deutsche Hochschulsystem ist das schon eine kleine Revolution. Das Institut schafft den sogenannten Lehrstuhl ab, also die Regel, dass jede:r Professor:in direkt über eine kleine Gefolgschaft von mehreren Mitarbeitenden, von Studierenden bis Postdocs, verfügt – und so quasi eine eigene Institution bildet. Wer beschäftigt wird, ob in Teilzeit oder Vollzeit, welche Themen vertreten sind, wofür Reisemittel freigegeben werden: Alles liegt in der Entscheidungsgewalt einer Person.
Eine deutsche Eigenheit
Die Befürchtung, eine Professur am reformierten HU-Institut könne für Anhänger des alten Modells unattraktiv werden, teilt Rosefeldt nicht: „Die Akzeptanz für die Strukturreform ist in unserem Bereich extrem hoch.“ Das gelte erst recht für Wissenschaftler:innen der neuen Generation, „also die, die sich künftig bewerben werden“. Die üppigen Personalmittel pro Prof seien ohnehin „ein deutsches Spezifikum“, betont der HU-Prof. In den USA etwa sind die Angestellten in Lehre und Forschung etwa dem Institut (Department) zugeordnet.
Drei Hürden muss die HU-Philosophie allerdings noch nehmen: vom Fakultätsrat, dem Akademischen Senat der HU und der Senatsverwaltung für Wissenschaft braucht es grünes Licht. Rosefeldt ist zuversichtlich, dass es mit der Zustimmung klappt. Zwar gebe es auch Skeptiker – „aber mittlerweile setzt sich meines Erachtens die Einsicht durch, dass es doch gut für alle ist, wenn einzelne Institute mal neue Modelle ausprobieren.“
Bei den Berliner Universitäten angefragt, wie sie die Quote als Lösung des Streitthemas Postdoc-Karrieren bewerten, verweisen die Vizepräsident:innen auf ihre „Vertraulichkeitsvereinbarung“ mit der Verwaltung. Bis die neuen Verträge unterzeichnet sind, könne man sich nicht äußern. Nur die TU-Präsidentin Geraldine Rauch, die als Reformfreundin in der Beschäftigungsfrage bekannt ist, meldet sich persönlich zu Wort: Sie befürworte die Quote in den neuen Verträgen, und zwar, weil sie erstmals als Indikator für die Mittelvergabe zähle. Dies sei „ein starker Anreiz.“
Dass Schwarz-rot erst 2025 über die Entfristungsregelung entscheiden will, kritisiert Rauch. „Wir haben lange genug über bessere Beschäftigungsbedingungen diskutiert. Jetzt muss etwas passieren.“ Sie hofft, dass der Paragraf nicht gekippt wird, schließlich hätten die Unis und die Politik viel „Zeit und Mühe“ investiert. Rauch will Wandel ins System bringen, für sie steht fest: „Würde der Paragraf gekippt, wäre das ein Zeichen für Stagnation.“
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