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Gegenüber dem sogenannten „blauen“ Wasser in Flüssen und Seen, wird das „grüne“ Wasser in Vegetation und Böden bei Maßnahmen bislang eher vernachlässigt.

© IMAGO/Zoonar

Jeden Tropfen nutzen: Welche Wege gibt es aus der globalen Wasserkrise?

Fachleute warnen vor den Folgen des sorglosen Umgangs mit Wasser. Wie knapp das Gut ist, könnte sich bald auch für bislang kaum betroffene Teile der Erdbevölkerung bemerkbar machen.

Stand:

Die weltweite Wirtschaftsleistung könnte bis zum Jahr 2050 um acht Prozent schrumpfen, warnen Fachleute im jetzt veröffentlichten Bericht „The Economics of Water“. Ohne Gegenmaßnahmen würde sich die globale Wasserkrise verschärfen und dann mehr als die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion gefährden.

Fehlwirtschaft, zerstörerische Landnutzung und anhaltendes Missmanagement würden nun mit den Folgen des Klimawandels zusammenkommen und den globalen Wasserkreislauf stärker belasten, als je zuvor, berichtet die Global Commission on the Economics of Water (Globale Kommission für die Wirtschaft des Wassers). Befragte Forschende sehen die Empfehlungen des Berichts und auch die Methodik jedoch teilweise kritisch.

Die globale Wasserkrise ist eine Tragödie, aber auch eine Chance, die Wirtschaft mit Wasser zu verändern.

Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation und Co-Vorsitzende der Global Commission on the Economics of Water

„Auf Niederschläge, die Quelle allen Süßwassers, kann man sich aufgrund der vom Menschen verursachten Klima- und Landnutzungsänderungen nicht mehr verlassen“, sagt Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der Vorsitzenden der Kommission. Fast drei Milliarden Menschen und mehr als die Hälfte der weltweiten Nahrungsmittelproduktion seien bereits von Trockenheit oder unsicherer Wasserverfügbarkeit betroffen. 

Viele Menschen müssen ihren Trinkwasserbedarf zu Fuß decken.

© imago/photothek

Der Bericht enthält fünf Kernstrategien, um einen „Gezeitenwechsel“ darin herbeizuführen, „wie wir Wasser verstehen und damit umgehen“.

  1. Die Produktion von Nahrungsmitteln müsse grundlegend umgestellt werden, indem die Wasserproduktivität gesteigert und der Einsatz von Düngemitteln verringert wird. Zudem solle die Ernährung schrittweise von tierischen auf pflanzliche Produkte umgestellt werden.
  2. Zum Schutz von Süßwasserressourcen gelte es natürliche Lebensräume zu erhalten und vorrangig Ökosysteme wiederherzustellen, die am meisten zum Wasserkreislauf beitragen können.
  3. Eine Kreislaufwirtschaft für Wasser aufzubauen könnte den größten Nutzen aus jedem Tropfen herausholen, indem Abwasser als wertvolle Ressource effizient aufbereitet und wiederverwendet wird.
  4. Technologien wie Künstliche Intelligenz und saubere Energie könnten entscheidend dazu beitragen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Ihr Wasserbedarf dürfe aber die globale Wasserkrise nicht verschärfen.
  5. Kein Kind soll wegen unsicherer Wasserversorgung sterben. Die geschätzten 1000 Todesfälle unter Kindern pro Tag zu verhindern, erfordere Wasseraufbereitungs- und Abwassersysteme, die auch ländliche Gebiete versorgen.

„Die globale Wasserkrise ist eine Tragödie, aber auch eine Chance, die Wirtschaft mit Wasser zu verändern“, sagt Ngozi Okonjo-Iweala, Generaldirektorin der Welthandelsorganisation und Co-Vorsitzender der Kommission. Dies könne damit beginnen, den Wert des Wassers richtig einzuschätzen, seine Knappheit und die vielen Vorteile, die es bietet, anzuerkennen. Davon würden vor allem ärmere Länder profitieren, die stärker von der Wasserverfügbarkeit abhängen und derzeit von Verlusten der Wirtschaftskraft von bis zu 15 Prozent bedroht sind, heißt es im Bericht.

100
Liter Wasser pro Tag können den Tagesbedarf eines Menschen für Gesundheit und Hygiene decken. Für angemessene Ernährung und Konsum sind es 4000 Liter pro Tag.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Umgangs mit Wasser wurden mit einem Computermodell abgebildet. „Solche Studien zur globalen Hydrologie werden von vielen Hydrologen sehr kritisch gesehen, weil hier keine wirkliche Validierung von Modellergebnissen mit Beobachtungen stattfindet“, sagt Harald Kunstmann vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie. Es müssten immer mehrere Datensätze vergleichend berücksichtigt werden, um die Verlässlichkeit einer Schlussfolgerung – wie zum Rückgang des totalen Wasserspeichers – belastbar zu machen. „Da dies in der Studie nicht geleistet wurde, sind auch ihre Schlussfolgerungen angreifbar“, so Kunstmann gegenüber dem Science Media Center.

Stefan Siebert, Agrarwissenschaftler an der Universität Göttingen, bezweifelt die Aussage, nach der 50 Prozent der Nahrungsmittelproduktion in Gefahr seien: „Sie geht von der völlig unrealistischen Annahme aus, dass landwirtschaftliche Bewässerung in Zukunft nicht mehr möglich ist.“ Für eine solche Annahme gebe es keine sinnvolle Erklärung. „Hier wird den Leser:innen grundlos Angst gemacht und Panik verbreitet.“

Bei Bewässerungsmaßnahmen kann viel Wasser durch Verdunstung ungenutzt verloren gehen.

© imago/photonews.at

Er kritisiert auch das im Bericht verwendete Konzept von „blauem“ Wasser in Gewässern und Grundwasser, „grünem“ Wasser in Vegetation und Böden und „grauem“ verschmutzten Wasser. „Ein Landwirt, der Bewässerung betreibt, hat in seinem Boden sowohl kostenlos bereitgestelltes Regenwasser als auch Bewässerungswasser, für das Kosten anfallen.“ Im Bericht würde beides als grünes Wasser betrachtet.

„Die globale Perspektive des Berichts ist eine wichtige, jedoch helfen globale Zahlen nicht, die Menschen zu überzeugen“, sagt Martina Flörke, Inhaberin des Lehrstuhls für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Die Zahlen seien in ihrer Größenordnung oft nicht gut zu begreifen und zu abstrakt.

Laut dem Bericht benötigt jede Person etwa 4000 Liter Wasser am Tag „für ein Leben in Würde“. „Theoretische Ansätze wie dieser weisen nicht in die richtige Richtung“, sagt Flörke. Die meisten Menschen würden schlussfolgern, dass alles in Ordnung ist, solange sie selbst nicht so viel Wasser verbrauchen. „Es steht aber mehr dahinter, nämlich das Wasser, welches in konsumierten Gütern und Dienstleistungen steckt – virtuelles Wasser.“ Das zu kommunizieren, sei schwierig.

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