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Wer mit wem und warum?: Die kaum erforschte Schlaf-Strategie „Gruppenkuscheln“
Alle Tiere schlafen, bei Dauer und Ausprägung gibt es aber große Unterschiede. Einem weiteren Aspekt werde bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, sagen Forschende.
Stand:
Der Mensch liegt heutzutage meist allein oder höchstens zu zweit im Bett. Bei vielen Tierarten ist dagegen Gruppenkuscheln angesagt. Untersucht ist das bisher wenig, obwohl sich dabei interessante Eigenheiten auftun, wie Verhaltensforscher im Fachjournal „Trends in Ecology & Evolution“ erläutern.
Hummeln zum Beispiel unterdrücken den Schlaf demnach in Anwesenheit ihres Nachwuchses, Anubispaviane schlafen in größeren Gruppen weniger und Erdmännchen haben festgelegte Schlaftraditionen: Unterschiede in der Schlafzeit benachbarter Gruppen können über Generationen hinweg fortbestehen.
Halbes Gehirn, sei wachsam
Stockentenweibchen wiederum sind in Ruhezeiten weniger wachsam, wenn mehr Männchen zu ihrer Gruppe gehören. Diese fallen Räubern aufgrund ihres kontrastreicheren Gefieders eher ins Auge, wie die Wissenschaftler um Pritish Chakravarty und Margaret Crofoot vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz erläutern.
Warum Tiere auf so unterschiedliche Weise schlafen, bleibt ein Rätsel.
Pritish Chakravarty und Margaret Crofoot vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz
Bei den Vögeln zeigt sich zudem ein besonderes Phänomen: der Halbseitenschlaf. Dabei schlummert eine Gehirnhälfte, während die andere wach und aufmerksam bleibt. Auch bei Delfinen und anderen Arten gibt es dieses Phänomen.
Vielfach müssten Tiere beim Nickerchen in Gruppen abwägen, heißt es in dem Beitrag: Zügelpinguine beispielsweise seien am Rand einer Schlummergruppe einem höheren Raubtier-Risiko ausgesetzt, weit in der Mitte aber wiederum dem, häufiger von Artgenossen attackiert zu werden.
Mehr Freilandforschung!
Der sozialen Seite des Schlafs müsse in der Forschung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, sind die Forschenden um Chakravarty und Crofoot überzeugt. Bisher würden Schlafstudien meist unter Laborbedingungen mit nur jeweils einem Tier durchgeführt. Eine Einschränkung der Aussagekraft bedeute das auch deshalb, weil Schlaf in natürlicher Umgebung eine andere Dauer als in Gefangenschaft haben und sich sogar vom Tages- zum Nachtschlaf verschieben könne.
Moderne Technik mache inzwischen die detaillierte Überwachung von Gruppen in freier Wildbahn möglich. Das gelte es verstärkt zu nutzen. Denn sehr wahrscheinlich würden Schlüsselaspekte des Gruppenverhaltens einschließlich der Koordination, Entscheidungsfindung und des kooperativen Verhaltens durch den Schlaf der Mitglieder beeinflusst. Interessant zu ergründen sei auch, wie stark gekoppelt die Abläufe im Gehirn zusammen schlummernder Individuen seien.

© dpa/Keystone/MICHAEL BUHOLZER
Doch warum schlafen Tiere überhaupt in Gruppen, obwohl es dann häufig nächtliches Gerangel mit den Nachbarn gibt? Ein Vorteil sei die bessere Auswahl sicherer Schlafplätze durch soziale Entscheidungsfindung, erläutert das Team um Chakravarty und Crofoot. Zudem könnten einzelne Tiere dann Wache halten und die Gruppe vor Raubtieren warnen. Teils werde durch das wärmende Kuscheln auch viel Energie gespart.
Einer stört immer
Potenzielle Nachteile zeigten den Forschenden zufolge unter anderem Analysen bei Anubispavianen: Je größer die Gruppe, desto größer ist bei ihnen der Schlafentzug durch nächtens rumorende Artgenossen. Besonders unter kalten, regnerischen Bedingungen komme es zu einem anhaltenden Gerangel um günstige Positionen am Schlafplatz. Bei Japanmakaken störe die Wachsamkeit eines Individuums oft den Schlaf der anderen Mitglieder.
Prinzipiell gebe es bei Dauer, Struktur und den Abläufen im Gehirn immense Schlafunterschiede zwischen und auch innerhalb von Arten, erläutern die Forschenden weiter. „Warum Tiere auf so unterschiedliche Weise schlafen, bleibt ein Rätsel.“
Großen Einfluss auf den Schlaf hat demnach unter anderem das Liebesleben. Männliche Flussuferläufer zum Beispiel unterdrücken während der Paarungszeit wochenlang den Schlaf und auch männliche Fruchtfliegen schlummern nicht mehr, wenn sie sich mit Weibchen paaren.
Sex statt Schlaf
Von männlichen Breitfuß-Beutelmäusen ist bekannt, dass sie wochenlang teils mehrere Stunden Schlaf pro Nacht opfern, um mehr Zeit für Paarungen zu haben. Bei den Weibchen bleibt die Schlafzeit unverändert, wie Forschende im Fachjournal „Current Biology“ berichteten.
Die Beutelmäuse haben allerdings auch allen Grund, ihre Prioritäten so zu setzen: Sie erleben nur eine Paarungszeit, danach sterben sie. Währenddessen paaren sie sich mit so vielen Weibchen wie nur möglich. Warum die Männchen nach dieser dreiwöchigen Phase im Alter von nur etwa einem Jahr sterben, ist den Forschenden zufolge unklar. Am Schlafmangel liege es vermutlich nicht.
Die Tierwelt hält etliche weitere besondere Schlaf-Facetten bereit: Manche Vögel wie Fregattvögel und Mauersegler schlummern im Fliegen, arktische Rentiere während des Wiederkäuens, wie Studien zeigten. Zügelpinguine wiederum schlafen im Schnitt nur rund vier Sekunden, aber dafür mehr als 10.000 Mal pro Tag. Und Seeotter halten sich an den Pfötchen, wenn sie auf dem Rücken im Wasser liegend ein Nickerchen machen, damit sie währenddessen nicht voneinander weggetrieben werden.
Das Einzelbett: Erfindung der Neuzeit
Dass Menschen zumindest in reicheren Ländern im Einzelbett oder höchstens als Paar zusammenliegen, ist übrigens eine recht neue Erscheinung. Schon in prähistorischen Zeiten und bis weit in die Neuzeit hinein schlummerte auch Homo sapiens überwiegend in Gruppen.
Erst mit der Industrialisierung und dem zunehmenden Wohlstand setzten sich in westlichen Kulturen Einzelbetten und private Schlafzimmer durch. In vielen Teilen der Welt ist das gemeinsame Schlafen jedoch nach wie vor üblich, etwa auf den Philippinen.
Auch die Schlafstruktur variiert: Neben dem auch in Deutschland üblichen Acht-Stunden-Schlaf gibt es zum Beispiel die Siesta-Länder mit ausgiebiger Mittagsruhe und Kulturen, in denen mehrere tägliche Nickerchen gehalten werden, sobald die Zeit dafür günstig ist.
Neu hinzugekommen ist das technisch optimierte Schlummern: Schlaftracker, Lichtwecker und Spezialmatratzen sollen für besseren Schlaf sorgen. (dpa)
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