
© imago/Milestone Media/imago stock&people
Zum Tod von Antonio Skármeta: Briefträger, Botschafter, Schriftsteller
Mit dem Roman „Mit brennender Geduld“ wurde er weltberühmt, nach dem Pinochet-Putsch fand er in Berlin eine zweite Heimat. Ein Nachruf auf den chilenischen Schriftsteller Antonio Skármeta.
Stand:
Wie bei so vielen Chilenen und Chileninnen hat die Geschichte des Landes exemplarisch das Leben von Antonio Skármeta beeinflusst. 1940 im nordchilenischen Antofagasta geboren, war Skármeta als Philosoph und angehender Schriftsteller ein Anhänger von Salvador Allende und seines demokratischen-sozialistischen Experiments.
Nach dessen brutaler Niederschlagung 1973 und dem Miltärputsch sah jedoch auch er sich gezwungen, seine Heimat zu verlassen. Er ging für kurze Zeit nach Argentinien, wo es nicht besser war, schließlich nach Deutschland, nach West-Berlin, das Skármeta zu einer zweiten Heimat wurde.
Der Postbote und Pablo Neruda
Hier arbeitete er als Theater- und Drehbuchautor, und hier begann er, erste Romane zu schreiben. Mit einem davon wurde er dann weltberühmt, einer rührenden, trotzdem völlig kitschfreien Geschichte, die nicht zuletzt demonstrierte, wie sehr ihr Verfasser sich bei allem West-Berliner-Wohlbefinden nach Chile verzehrte.
Auf Deutsch erschien der Roman Mitte der achtziger Jahre unter dem Titel „Mit brennender Geduld“; so richtig bekannt machte ihn aber seine (dann schon zweite) Verfilmung durch den britischen Regisseur Michael Radford knapp zehn Jahre später, mit Philippe Noiret und Massimo Troisi in den Hauptrollen: „Il Postino“, der Postmann.
Der Filmtitel trifft es besser als der poetischere Buchtitel: Skármeta erzählte in dem Roman von der Begegnung des chilenischen Schriftstellers und Nationalheldens Pablo Neruda mit seinem Briefträger in der zentralchilenischen Küstenstadt Isla Negra, unweit von Valpáraiso, wo Neruda zeitweise lebte und eins seiner drei Häuser steht. Hauptfigur ist der junge Mario Jiménez, der sich in Isla Negra auf die Stelle des Briefträgers bewirbt und im Grunde nur dem einzigen Bewohner in der Bucht Post zustellt: Pablo Neruda.
Der bekommt Tag für Tag kiloweise Post, und beide freunden sich an. Das geht so weit, dass der berühmte Schriftsteller seinen jungen Briefträger in Liebesdingen berät, ihm beibringt, wie man mit der Sprache und einzelnen Versen das Herz einer Frau gewinnt. Es ist eine schöne, zarte Geschichte, die in „Mit brennender Geduld“ erzählt wird, und doch lässt Skármeta die Politik und Historie Chiles nicht außen vor: die Zeit unter Allende, da Neruda Botschafter in Paris wird, der Pinochet-Putsch, die Rückkehr Nerudas nach Chile, ein Jahr nachdem er den Literaturnobelpreis erhalten hatte, schwer krank ist er da schon.
2000 wurde er chilenischer Botschafter in Berlin
Wie sein großes Vorbild ließ Antonio Skármeta sich darauf ein, für sein Land in den diplomatischen Dienst zu gehen. Kaum hatte Pinochet 1989 abgedankt, kehrte er erst zurück nach Chile, um schließlich im Jahr 2000 Botschafter in Deutschland zu werden und sich erneut in West-Berlin niederzulassen.
Wenn Sie es geschrieben haben, mit dem größten Vergnügen.
Pablo Neruda zu Antonio Skármeta, als der ihn um ein Vorwort bat.
Drei Jahre dauerte diese Tätigkeit. Unterdessen Romane geschrieben hat Skármeta jedoch weiterhin. Die Freiheit, ein Schriftsteller zu sein, ging ihm über alles. Allerdings sind andere seiner Bücher wie „Die Hochzeit des Dichters“ oder „Das Mädchen mit der Posaune“ nicht gerade Meisterwerke; doch ist es schwer, eine Geschichte wie den Neruda-Postmann-Roman mehrmals zu schreiben, zumal nach so einem Welterfolg.
„Mein Freund Neruda“ heißt eins der letzten Bücher von Skármeta, 2011 erschienen. Darin setzt er sich noch einmal mit diesem auseinander und erzählt von den Begegnungen mit Neruda als angehender Journalist und Schriftsteller, die nicht zuletzt zu „Mit brennender Geduld“ geführt haben.
Da bat er Pablo Neruda seinerzeit in Isla Negra um ein Vorwort für den Roman, den es erst so viel später geben sollte, und was antwortete dieser an der Tür, vor der Skármeta beständig herumlungerte: „Wenn Sie es geschrieben haben, mit dem größten Vergnügen.“ Nun ist Antonio Skármeta in Santiago de Chile gestorben. Er wurde 83 Jahre alt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: