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"Bürger in Bewegung" heißt das Einheitsdenkmal aus Millas Entwurf, das schwankt, wenn sich Besucher zu einer Seite bewegen.

© Lauenstein

Denkmal-Projekt in Berlin: Plagiatsvorwurf gegen Entwickler der Einheitswippe

Ist das Einheitsdenkmal ein Plagiat? Oscar-Preisträger Christoph Lauenstein sagt, Idee und Konzept stammten aus seinem Kurzfilm. Die Agentur wehrt sich.

Für „Balance“ erhielten die Zwillingsbrüder Christoph und Wolfgang Lauenstein in Hollywood die begehrteste Auszeichnung des internationalen Film-Business’, den Oscar. Der Kurzfilm lief auf Festivals und in Kinos weltweit, auch in Ausstellungen, darunter 25 Jahre lang im Bonner „Haus der Geschichte“ des Bundes.

Schwankende Plattform als Einheitsbild

Denn der Film gilt als Gleichnis für die friedliche Revolution und die deutsche Einheit – ins Bild gesetzt mit einer schwankenden Plattform. Kurzum, der Film steht für vieles, was das geplante Freiheits- und Einheitsdenkmal einmal darstellen soll.

„Unser Film Balance lebt von seiner Grundidee. Es ist schon irritierend, wie für das Einheitsdenkmal genau dieselbe Idee der Balance von Menschen auf einer Plattform verwendet werden soll, um exakt dieselbe Metapher zu vermitteln“, sagte Oscar-Preisträger Christoph Lauenstein dem Tagesspiegel. Der Vorwurf wiegt schwer. Plagiate kosten Wissenschaftler und Politiker akademische Titel und manche die Karriere. Rockstars zahlten Millionensummen für die Befriedung von Konflikten mit wenig bekannten Komponisten, die ihnen Plagiierung von Song-Ideen nachweisen wollten. In der Kunst sind solche Fälle eher selten.

Der Chef der Agentur Milla & Partner, deren Entwurf „Bürger in Bewegung“ als Freiheits- und Einheitsdenkmal am Schloss gebaut werden soll, weist die Vorwürfe zurück: „Es handelt sich in keiner Weise um ein Plagiat“, sagt Johannes Milla. Er selbst, Kreativdirektor Sebastian Letz und das Team „haben niemals an den Film gedacht“. Milla habe ihn nach der Tagesspiegel-Anfrage „zum ersten Mal seit 29 Jahren wieder gesehen“ und stelle fest, dass der „Vorwurf des Plagiats gegenstandslos ist“. Es gehe vielmehr um ein Bild, das sich seit Jahrhunderten durch die europäische Kunst zieht: „Menschen gemeinsam oder gegeneinander auf einer Fläche.“

Kunstgeschichtlicher Topos oder Kopie? Der Film inszeniert das Gleichnis, bevor der Denkmalentwurf entstand und vor demselben Hintergrund der Deutschen Einheit mit zum Verwechseln ähnlichen Bildern: Menschen stehen auf einer Plattform und bringen diese in Bewegung, indem sie sich bewegen.

Aber warum fragte niemand bisher: Kopiert die Einheitswippe „Balance“? Seit der Erstaufführung des Films sind fast 30 Jahre vergangen, seit dem Denkmal-Wettbewerb sieben. Milla sagt: „Es ist schon verwunderlich, dass es neun Jahre braucht, um diesen schwerwiegenden Vorwurf zu erheben.“ Lauenstein dagegen erklärt das lange Schweigen so: „Wir wollten schon mal Anlauf nehmen, aber dann starteten zwei große Filmproduktionen gleichzeitig“, und die Brüder hätten Wichtigeres zu tun gehabt.

Auch die Plattform, auf der sich die Protagonisten des Films „Balance“ bewegen, schwankt.
Auch die Plattform, auf der sich die Protagonisten des Films „Balance“ bewegen, schwankt.

© Lauenstein

Aber der Stachel sitze tief bis heute. Nun wolle er „einfach mal diesen Dominostein umstoßen und sehen, was dann passiert“ – von kreativer Neugierde spricht er. Diese habe die Zwillinge immer schon angetrieben.

Lauenstein betreibt seit dem unverhofften Oscar-Gewinn mit seinem Bruder in Hamburg ein Animationsstudio und sie führen Regie bei langen Filmen. Zurzeit läuft ihr Kinderfilm „Die sagenhaften vier“ in den Kinos. An Aufträgen mangelt es nicht, ein Remake von „Balance“ mit heutiger Technik schließen sie nicht aus. Denn dieses „Gleichnis über Egoismus gegen existenziell notwendigen Gemeinschaftssinn, Gier versus verantwortliches Handeln ist ein Thema, das heute aktueller denn je ist, wie die verheerende Klimaproblematik zeigt“. Der Kurzfilm ist seit Donnerstagabend für begrenzte Zeit kostenlos sichtbar.

Umstrittenes Bauprojekt

Millas Entwurf gewann den im Jahr 2011 durchgeführten Wettbewerb des Bundes für ein „Freiheits- und Einheitsdenkmal“. Doch das Projekt blieb lange umstritten. Vor allem die Fraktion der Linken im Bundestag sprach sich offen gegen den Neubau aus. Zweimal mussten die Parlamentarier zur Realisierung des Entwurfs befragt werden. Zuletzt beschloss der Bundestag am 1. Juni 2017 mit der Mehrheit der großen Koalition die Errichtung des Milla-Entwurfes. Dem Vernehmen nach will das Staatsministerium für Kultur und Medien noch in diesem Monat den Termin für die Grundsteinlegung bekannt geben.

Auch der Senat stand dem Projekt kritisch gegenüber. Erst durch ein Spitzengespräch des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD) und Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) wurde der Weg endgültig geebnet für die Verlängerung der im vergangenen Jahr erneut ausgelaufenen Baugenehmigung. Und damit für den Bau des Denkmals.

Anmerkung der Redaktion: Am 13 Mai gab der Filmemacher Christoph Lauenstein gegenüber dem Erbauer des Freiheits- und Einheitsdenkmal Johannes Milla eine Unterlassungserklärung ab mit der Verpflichtung nicht mehr zu erklären, "dass es sich bei den Entwürfen für das Einheitsdenkmal, das auf dem Platz Schlossfreiheit in Berlin errichtet werden wird, ganz oder teilweise um das Klauen einer kreativen Leistung handelt, wie geschehen in der Email vom 09.05.2019".

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