
© Image courtesy of C3A, Centro de Creación Contemporánea, Córdoba. Spain. Foto: Rafael Carmona
Andalusische Zentren für zeitgenössische Kunst: Die Gegenwart fühlt sich wohl in historischem Gemäuer
Moderne Kunst trifft auf Architektur im Mudéjar-Stil: Das Centro Andaluz de Arte Contemporáneo in Sevilla und seine moderne Dependance in Córdoba bieten einen ganz besonderen Mix.
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Gerade wenn das Wetter in Deutschland grauer wird, tut es gut, in Andalusien noch einmal die Wärme zu genießen, bevor der Winter endgültig da ist. Doch inmitten von Touristengruppen und Tapasbars fällt es manchmal schwer, in Sevilla einen kühlen Kopf zu bewahren.
Mit einem der klimatisierten Busse kann man kurzzeitig dem Trubel entfliehen. Einer davon nimmt Kurs auf die Insel Cartuja zwischen den Armen des Guadalquivir, wo sich das Kunstzentrum Centro Andaluz de Arte Contemporáneo (CAAC) befindet.
Beim Ausstieg wird einem bewusst, wie weit das Zentrum entfernt ist, so gut wie keine Menschen sind anzutreffen. Dächer der Cartuja de Santa María de las Cuevas, einem ehemaligen Kloster aus dem 15. Jahrhundert, bilden hier die Silhouette.
Tritt man ein, so überraschen hinter den Klostermauern riesige Schornsteine. Sie stammen noch von der Keramikfabrik, die der Brite Charles Pickman im 19. Jahrhundert hier gründete. Ein unerwarteter Gegensatz zur sakralen Architektur, jedoch ergänzen sich die sandfarbenen Bauten ideal. Heute sind die Schornsteine ein Wahrzeichen von Sevilla.
Die verschiedenen Zeitschichten verschmelzen
Das Gelände beherbergt seit 1997 das sieben Jahre zuvor zur Förderung zeitgenössischer Kunst in der autonomen Region Andalusien gegründete CAAC. Die hier gezeigten Ausstellungen laden die historische Architektur rundum mit einer besonderen Energie auf. Das CAAC ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie alte Orte und moderne Kunst einander bereichern können.

© Image courtesy of CAAC, Centro Andaluz de Arte Contemporáneo, Seville. Spain
Der Mix macht den Charme aus, denn das Klostergelände birgt gewaltige Kirchenschiffe, Kapellen, Fabriken, Kreuzgänge und Renaissance-Gräber. Der Ursprung des Klosters geht der Legende nach zurück auf ein Marienbildnis, das während der Besetzung durch die Mauren im achten Jahrhundert in einer Kapelle versteckt und von den Spaniern wiederentdeckt worden war. Im großen, mediterranen Klostergarten wachsen Orangenbäume und Zypressen.
Zu den Gehölzen gehört außerdem ein Ombú-Baum mit gewaltigen Wurzeln, dessen üppige Blätterkrone Schatten spendet. Es handelt sich um eines der ersten Exemplare, die aus Südamerika nach Spanien verschifft wurden. Der stolze 500 Jahre alte Baum soll von Kolumbus’ Sohn gepflanzt worden sein.
Wer das Klostergelände durch das große Portal betreten will, entdeckt sogleich die Riesin „Alicia“, eine Skulptur von Juanna de Aizpura und Christina Lucas. Sie blickt aus einem Fenster in Richtung des Klosters, aus einem anderen hängt ihr rechter Unterarm heraus. Die Figur ist angelehnt an Alice im Wunderland, die im Buch von Lewis Carroll wechselnden Größenverhältnissen ausgesetzt ist. Hier wirkt sie durch ihre Überdimensionierung wie eingesperrt im Gebäude. Die Besucher müssen an ihr erst einmal vorbei, um Tickets zu erwerben.

© Image courtesy of CAAC, Centro Andaluz de Arte Contemporáneo, Seville. Spain
Erdiger Geruch schlägt dem Besucher entgegen
Nächste Station ist eine umgenutzte gotische Kirche zu, deren Eingang ein Strohvorhang versperrt. Schiebt man ihn zur Seite, schlägt erdiger Geruch dem Besucher entgegen. Inmitten des Kirchenschiffs ragen zwei Mauern aus wurzeliger Erde empor, zwischen denen man hindurchgehen kann.
Die Installation ist ein Werk der kolumbianischen Künstlerin Delcy Morelos – erschaffen aus der Erde Sevillas. Die Wurzeln stammen aus dem Klostergarten und von jenen Pflanzen, die einst aus Südamerika importiert wurden.
Morelos Werke vereinen sich mit der Geschichte des Klosters. Auch im Kreuzgang im Mudéjar-Stil und in der barocken Sakristei finden sich ihre Erdwerke. Die kolumbianische Künstlerin lädt zu einer sensorischen Reise ein, die durch verschiedene Baustile führt.

© Image courtesy of CAAC, Centro Andaluz de Arte Contemporáneo, Seville. Spain. Foto: Pepe Morón
Es sind die architektonischen Unterschiede, die das Gelände zu einem besonderen Kunsterlebnis machen. Neben historischen Bauten bilden kegelförmigen Keramiköfen einen reizvollen Kontrast, die aus Zeit der Keramikproduktion im 19. Jahrhundert stammen.
Die ehemaligen Klosterzellen wurden wiederum in moderne Galerieräume umgewandelt, White Cubes, die einen Bruch zum historischen Ensemble darstellen. Hier zeigt wiederum der andalusische Künstler Manuel Salinas seine abstrakte Malerei.
Licht flutet durch sechseckige Öffnungen nach innen
Nur eine Autostunde von Sevilla entfernt, in Córdoba, befindet sich eine Dependance des CAAC: das Centro de Creación Contemporánea de Andalucía (C3A). Die 2016 eröffnete Filiale zeichnet sich durch ihre modernistische Architektur aus. Tagsüber durchfluten sechseckige Löcher in der Fassade die Räume mit Licht, nachts erhellen in den Öffnungen installierte LED-Strahler die Umgebung.
Das spanisch-deutsche Architekturbüro Nieto und Sobejano hat im C3A verschiedene Nutzungsmöglichkeiten vereint. Der aus Rohbetonplatten konstruierte Bau dient nicht nur als Ausstellungsort, er bietet außerdem Raum für Künstlerresidenzen.
Ihnen stehen hier Ateliers und Werkstätten für Gemälde, Metall- und Holzskulpturen, Keramiken, Foto- und Videoarbeiten zur Verfügung. Produktion und Präsentation sind auf dem Gelände vereint.
Ein Gänsehaut-Erlebnis im Rahmen der aktuellen Ausstellung „The Ecologies of Peace“ bietet eine dokumentarische Videoinstallation, die das Center for Spatial Technologies in Zusammenarbeit mit dem in Madrid ansässigen Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (TBA21 entwickelt hat.
Die audiovisuelle Komposition aus Recherchematerial zeigt den russischen Bombenangriff auf das Drama-Theater in Mariupol in der Ukraine. Der große Ausstellungsraum lässt die rauen Töne widerhallen, der Besucher ist von Stimmen umgeben.
Auch die Installation „Parade“ der britischen Künstlerin Fiona Banner profitiert von den hohen grauen Wänden des C3A. Über den Köpfen der Besucher hängen zahlreiche Spielzeug-Kampfflugzeuge, die große, schwarze Schatten werfen. Faszination mischt sich mit dem Gedanken an aktuelle Kriege.
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