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Strafzettel klemmen hinter dem Scheibenwischer an einer Windschutzscheibe. (Symbolbild)

© Mike Wolff TSP

50.000 Knöllchen nicht bearbeitet: „Massiver Bearbeitungsstau“ bei Berliner Bußgeldstelle

Ein externer Dienstleister scannt im Auftrag der Polizei Papierknöllchen ein. Doch aus Personalmangel werden immer weniger Bußgeldbescheide bearbeitet. Gewerkschaften schlagen Alarm.

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Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) beklagt einen „massiven Bearbeitungsstau“ in der Bußgeldstelle der Berliner Polizei. „Seit Oktober 2024 sind 50.000 Papieranzeigen aus dem ruhenden Verkehr unbearbeitet geblieben“, sagte der DPolG-Landesvorsitzende Bodo Pfalzgraf.

Grund dafür sei „ein erhebliches Personaldefizit“ bei einem externen Dienstleister, der im Auftrag der Polizei für die Erfassung und Bearbeitung der eingehenden Papieranzeigen zuständig ist. Pfalzgraf forderte die Verantwortlichen von der Firma Atos auf, „sofort gegenzusteuern“. Und das Polizeipräsidium müsse sofort „ein Konzept zur Aufarbeitung des Rückstands vorlegen und sicherstellen, dass der Dienstleister seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommt“, so der Polizeigewerkschafter.

Pfalzgrafs Kritik ist scharf: „Es ist völlig inakzeptabel, dass sich ein derartiger Rückstand ansammelt. Darunter leiden sowohl die Verkehrssicherheit als auch die betroffenen Kolleginnen und Kollegen im Außendienst und in der Bußgeldstelle.“

Trotz monatelanger Mehrarbeit ist das Pensum nicht mehr zu schaffen.

Carola Kühn, Betriebsratsvorsitzende bei Atos

Das Polizeipräsidium reagierte auf die Kritik so: „Eine Verjährung durch eine selbst mehrwöchige Verzögerung des Erfassens und Einscannens der Papieranzeigen ist nahezu auszuschließen.“ Und: „Einnahmeverluste werden durch eine Priorisierung in der Bearbeitung weitestgehend vermieden.“ Dies sagte Behördensprecher Florian Nath auf Anfrage.

Im Dezember hatte bereits die Gewerkschaft IG Metall Alarm geschlagen, der Personalmangel bei Atos hatte sich zugespitzt. „Die Beschäftigten berichten, dass trotz monatelanger Mehrarbeit das Pensum nicht mehr zu schaffen ist“, so die Betriebsratsvorsitzende Carola Kühn. Die IG Metall teilte weiter mit, dass der Betriebsrat keine vom Arbeitgeber gewünschte Mehrarbeit mehr dulde. Kühn begründete dies mit dem Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter. Dies dürfte in den vergangenen Wochen den Berg unbearbeiteter Akten erhöht haben.

Leiharbeiterstrategie in der Kritik

Schon 2017 hatte sich der Betriebsrat gemeinsam mit der IG Metall gegen die Leiharbeiterstrategie gewehrt, so die Gewerkschaft. Damals sei erreicht worden, dass festes Personal eingestellt wurde. Dies habe „Stabilität, Entlastung und einen reibungslosen Arbeitsablauf“ gebracht. Zuvor hatte die Belegschaft 2016 gestreikt, was Berliner Falschparker in Freude versetzte.

Laut IG Metall scannt Atos seit etwa 20 Jahren im Auftrag des Landes Berlin Dokumente, unter anderem Knöllchen für die Polizei. Im Dezember mussten nur noch 15 Beschäftigte die Arbeit von ehemals 21 Kolleginnen und Kollegen „stemmen“. Vorwurf der IG Metall: „Anstatt neues Personal einzustellen, setzt der Arbeitgeber auf Leiharbeit.“ Da diese Leiharbeiter jeweils neu eingearbeitet werden müsse, sinke die Produktivität. Zu den Aufgaben der Mitarbeiter gehört das Scannen der Papierknöllchen sowie das Erfassen in einer elektronischen Akte.

Laut Polizeisprecher Nath basiert die Zusammenarbeit mit der Firma „auf laufenden Verträgen, die europaweit ausgeschrieben wurden“. Zeitweise bestehende Bearbeitungsrückstände seien „unkritisch“. Denn Verkehrsordnungswidrigkeiten verjähren erst drei Monate nach dem Tattag.

Die Bußgeldstelle ist in den vergangenen Jahren durch IT-Probleme und veraltete Technik, Personalmangel und Einnahmeausfälle immer wieder aufgefallen. Der Tagesspiegel hatte vielfach berichtet. So wurden Knöllchen an die falschen Adressen geschickt, zehntausende Anzeigen von Privatleuten landeten im Papierkorb, weil Personal fehlte.

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