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Die Friedrichstraße als Fußgängerzone? Warum nicht, sagt ausgerechnet der ADAC.

© Kai-Uwe Heinrich

Verkehr in Berlin: ADAC schlägt Fußgängerzone in der Friedrichstraße vor

Rot-Rot-Grün will Autos auf Unter den Linden verbieten. Beim ADAC kommt das Verkehrskonzept nicht gut an. Der Autoclub wirft der Koalition "Symbolpolitik" vor.

Wäre der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag ein Roman und der ADAC ein Literaturkritiker, müsste man von einem Verriss sprechen. Elf der 177 Seiten befassen sich laut ADAC mit dem Thema Verkehr, das Wort Mobilität taucht aber weit öfter auf, insgesamt 47 Mal. Beschworen wird immer wieder die „Mobilitätswende“, für den Lobbyverband der Autofahrer ist das vor allem Wortgeklingel, um es der eigenen Wählerklientel recht zu machen. „Symbolpolitik“, kritisiert Volker Krane, Vorstand für Verkehr, ein „Wunschzettel zur Weihnachtszeit“.

In der Praxis würden viele Vorhaben der Koalition an der Realität scheitern oder viel länger brauchen als angekündigt. Das Prestigeprojekt, eine autofreie Flaniermeile Unter den Linden, sei wegen der ohnehin schon überlasteten Alternativrouten Leipziger Straße und Torstraße wenig sinnvoll. Die Prachtstraße sei breit genug, um allen Verkehrsteilnehmern genügend Platz zu bieten, findet Jörg Becker, Leiter Verkehr und Technik beim ADAC. „Die Friedrichstraße wäre als Fußgängerzone besser geeignet.“ Es gebe dort mehr Geschäfte und Restaurants als Unter den Linden, also urbanes Leben bis in den späten Abend, außerdem den Nord-Süd-Tunnel als Alternative sowie weitere parallele Verbindungen, die den Autoverkehr aufnehmen könnten.

Kritik am Verzicht auf A 100-Ausbau

Das Stoppschild für die nächste Etappe der Stadtautobahn bis zur Frankfurter Allee hält der ADAC ebenfalls für einen Fehler. Die Bewohner aus Pankow und Lichtenberg hätten kaum noch eine Chance, mit dem Auto zum Flughafen BER durchzukommen. Ganz zu schweigen vom Liefer- und sonstigem Wirtschaftsverkehr. Auch die häufigen Staus auf der A 100 vor dem Britzer Tunnel im Berufsverkehr würden sich mit der BER-Öffnung häufen. Für Radfahrer hätten die Koalitionäre viel Sympathie, Pendler aus dem Umland spielten dagegen bei der angestrebten Mobilitätswende kaum ein Rolle. Die Zahl der Pendler nach Berlin sei in den vergangenen zehn Jahren um 38 Prozent gestiegen, das Angebot der Park& Ride-Plätze und S-Bahn-Verbindungen jedoch kaum ausgebaut worden.

S-Bahnchef Peter Buchner habe öffentlich erklärt, dass bis 2025 keine Kapazitätserweiterungen im S-Bahnnetz möglich seien, da stelle sich die Frage, wie die Koalition ihr Ziel, den öffentlichen Nahverkehr auszubauen, umsetzen wolle. Das Fahrrad sei jedenfalls für Schichtarbeiter im Dienstleistungssektor „häufig keine Alternative“. Auch Carsharing sei im ländlich geprägten Umland keine Option.

Die Älteren brauchen Parkplätze, sagt der ADAC

Beim Thema Parkplätze und Parkraumbewirtschaftung führt der ADAC vor allem ältere Menschen ins Feld. Unter den Über-65-Jährigen seien die Auto-Anmeldungen zuletzt gegen den Trend gestiegen. „Die müssen auch einen Parkplatz in Wohnraumnähe finden“, sagte Krane. Und wenn sie gebrechlich werden, braucht der ambulante Pflegedienst Parkplätze, um sie versorgen zu können. Nicht alles sei schlecht im Koalitionsvertrag, betonte Krane. Genau sieben Punkte habe er gefunden, die der ADAC ausdrücklich unterstütze: Die geplanten Lückenschlüsse im Straßenbahnnetz, der Ausbau der Barrierefreiheit, mehr Mobilitätserziehung an Schulen, die Verbesserung der Verkehrssicherheit für Fußgänger und vor allem die angekündigten Investitionen in die Infrastruktur für Radfahrer sowie in die Erhaltung der vorhandenen Straßen und Brücken.

Die beiden Großprojekte im Bereich Autobahn – der Neubau der Rudolf-Wissel-Brücke und die Grundsanierung der A 111 – würden in den nächsten Jahren planerisch vorbereitet. Für den Brücken-Neubau auf dem vielbefahrenen Abschnitt der A 100 gebe es noch keine technische Lösung. Im kommenden Jahr werde das Projekt ausgeschrieben. Auch bei der A 111 müsse erstmal eine Bestandsaufnahme gemacht werden, welche Brücken und Tunnel überhaupt noch für eine Sanierung taugen. „Auf den 13 Kilometern der A 111 gibt es 264 Ingenieurbauwerke“, sagte Krane. Auch deshalb will sich die neue Koalition nicht mit dem Weiterbau der A 100 beschäftigen. Die Bauverwaltung ist mit Arbeit auf Jahre eingedeckt.

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