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Fashion Week in Berlin: Alles Kopfsache

Nur noch wenige Tage, dann beginnt die Fashion Week. Die Designer bereiten ihre Shows vor. Ein Blick hinter die Kulissen

André Märtens wickelt Haare so schnell um den Lockenstab wie Italiener Spaghetti um die Gabel: rein mit dem Stab in die braune Mähne des Models, Strähne aufrollen, Knäuel formen, feststecken. Innerhalb von drei Minuten ist der Kopf von Theresa Otto bedeckt von fast einem Dutzend kleiner Haarberge. Es muss schnell gehen heute, André Märtens will noch acht weitere Models frisieren. Zur Probe.

Der Ernstfall tritt kommenden Mittwoch ein, wenn in Berlin die Fashion Week beginnt. Märtens ist dort „Head of Hair“, quasi der Frisurenchef und als solcher verantwortlich dafür, dass alle Scheitel, Strähnen und Locken so sitzen, wie es sich die Designer wünschen. Denn kurz vor der Show bleiben maximal zwei Stunden, meistens weniger, um die Models zu stylen und zu schminken. Jeder Handgriff muss sitzen. Deshalb bespricht Märtens mit den Modemachern schon jetzt die passenden Looks zu den Kollektionen.

Provisorisch ist dazu in der Yab-Akademie in Kreuzberg ein kleines Friseur- und Make-up-Studio eingerichtet worden. An drei Tagen kommen hier fast 30 Designer vorbei, die im Zelt am Brandenburger Tor ihre Kollektionen präsentieren werden. Manche von ihnen sind in der Woche vor der Show so beschäftigt, dass sie nur per Skype Ansagen machen können. Aber André Märtens bringt das nicht aus der Ruhe. Es ist jetzt schon seine neunte Fashion Week in Berlin. Während es bei Modewochen wie in New York oder London üblich sei, dass jeder Designer sein eigenes Team für Haare und Make-up mitbringe, gebe es in Berlin ein weltweit einmaliges Konzept, sagt Märtens: „Ein einziges Team aus Friseuren und Make-up-Experten ist für fast alle Designer der Fashion Week zuständig.“ Natürlich müssten die Models immer unterschiedlich aussehen, denn jeder Designer wolle den passenden Look zu seiner Kollektion.

Damit Märtens und seine 20 Kollegen bei fast 40 Schauen an vier Tagen nicht durcheinanderkommen und plötzlich lange Locken drehen, wo kurze Bobs gewollt sind, werden bei der Probe von jedem Handgriff Fotos gemacht. Die können sich die Stylisten dann jeweils vor der Show noch mal ansehen.

Designer Dawid Tomaszewski will den Models Masken aufsetzen, manche erinnern auf den ersten Blick an Omas gehäkelte Tischdecke, andere an ein in die Länge gezogenes Vogelnest. Um sie richtig zur Geltung zu bringen, wünscht sich Tomaszewski schlichte Frisuren: glatte Haare, ein Knoten im Nacken. Aber was einfach aussieht, ist oft umso aufwendiger. Märtens entzwirbelt die kleinen Haarknäuel auf dem Kopf von Theresa Otto, toupiert sie, kämmt sie wieder glatt, bindet einen Zopf und verschlingt zwei große Haarsträhnen zu einem Dutt. An den Schläfen und am Haaransatz befestigt er die Maske aus weißem Stoff. Tomaszewski ist zufrieden: „Sehr gut“, lobt er und geht mit dem Model rüber zur nächsten Spiegelwand, wo schon Boris Entrup wartet. Er ist „Head of Make-up“ und will Theresa Otto nun „eine leicht reflektierende Struktur“ unterm Auge verpassen. Entrup fischt dafür einen hellen Lidschatten aus dem Schminkkoffer, der so groß ist wie ein Werkzeugkasten, und trägt ihn auf der kleinen Hautfläche auf, die von der Maske nicht bedeckt ist.

Auf der anderen Seite der Wand tupft Make-up-Expertin Julie Nozieres einem Model orangefarbenen Lidschatten auf die Augen. Tutia Schaad vom Designerduo Perret Schaad schaut so konzentriert zu, dass sie von ihrem Designerkollegen nebenan nichts mitbekommt. Geheimnistuerei ist in dem kleinen Loft ohnehin nicht möglich. „Konkurrenzgefühl gibt es hier auch nicht, dafür sind wir vom Stil zu unterschiedlich“, sagt Tutia Schaad.

Theresa Otto ist jetzt fertig gestylt und schreitet vorsichtig zur Fotowand. „Keine Angst, ich seh’ alles“, versichert sie unter ihrer Maske. Ein Glück, nicht dass die Models nächste Woche ausrutschen und die Haare hin sind.

Der Tagesspiegel verlost einmal zwei Backstage-Karten für die Show von Dawid Tomaszewski am kommenden Samstag. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie bis Sonntag um 12 Uhr eine Mail mit dem Betreff „Backstage“ an verlosung@tagesspiegel.de

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