
© dpa/Christoph Soeder
„Aprilscherz“ und „Größenwahn“: Hohn und Spott über den U-Bahn-Plan der Berliner Verkehrsbetriebe
Die BVG will das Berliner U-Bahn-Netz massiv ausbauen. Doch die Pläne stoßen auf scharfe Kritik und Ablehnung.
Stand:
Die Ideen der BVG für einen massiven Ausbau des Berliner U-Bahn-Netzes werden vor allem mit Spott und Häme überzogen. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz BUND bescheinigte dem Unternehmen „Größenwahn“. Der Fahrgastverband Igeb sprach von einem „verfrühten Aprilscherz“ und einer „Nullnummer“.
Am Wochenende war der interne Plan bekanntgeworden, der einen Ausbau des derzeit knapp 150 Kilometer langen Netzes auf 371 Kilometer vorsieht. „Expressmetropole Berlin“ heißt diese Vision der BVG, über die der Tagesspiegel am Wochenende berichtete. Alle bestehenden Linien sollen in Richtung Stadtrand verlängert werden, zudem ist eine völlig neue Ringlinie erdacht worden. Die neuen Strecken sollen fahrerlos und automatisiert betrieben werden.
Kosten werden nicht genannt, auch kein Zeithorizont. Laut BVG müsse der Nahverkehr „größer gedacht“ werden. Als Vorbild wird Paris genannt, wo derzeit die Metro massiv ausgebaut wird. In der Langfassung der für die Koalitionsverhandlungen erstellten Präsentation heißt es: „Auch Paris legt den Schwerpunkt auf die äußere Stadt.“ Die neue Ringlinie „U0“ sei mit dem geplanten Ring des „Grand Paris Express“ vergleichbar, heißt es weiter.
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Die Igeb reagierte scharf: Angesichts des aktuellen Sanierungsbedarfs der Berliner U-Bahn sei der Plan „ein nicht nur unrealistisches und größenwahnsinniges, sondern vor allem auch unsinniges Projekt.“ Vielleicht wolle die BVG „mit einer Mischung aus verfrühtem Aprilscherz und Provokation auf ihre Probleme aufmerksam machen“, heißt es in der Mitteilung. Der Fahrgastverband Igeb schätzt die Kosten auf mindestens 40 bis 50 Milliarden Euro. Die BVG benötige Milliarden, um die bestehende Infrastruktur und die Fahrzeuge zu modernisieren. Der Plan sei so völlig überzogen, dass damit „das Ansehen der vielen qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BVG beschädigt“ werde.

© Rita Boettcher
Bund-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser sprach von einer „kompletten Verkennung der verkehrspolitischen Notwendigkeiten in der Stadt“. Angesichts der Klimakrise müsse mit Nachdruck das Straßenbahnnetz ausgebaut werden. Hauser schätzte die Kosten für die U-Bahnen auf 35 Milliarden Euro, dafür bekäme man 1700 Kilometer Straßenbahn. Bei der BVG warfen Heusers Äußerungen Fragen auf. Das landeseigene Unternehmen BVG zeigte sich auf dpa-Anfrage irritiert darüber, dass ausgerechnet ein Umweltverband eine ganzheitliche ÖPNV-Vision für Generationen ablehne.
Bei Twitter äußerte sich Igeb-Sprecher Jens Wieseke noch offener: Man habe überlegt, ob eine Pressemitteilung „überhaupt nötig sei, der Unsinn sei so offensichtlich. Berliner Verkehrspolitiker reagierten so: „Tolle Vision, aber untauglich für die praktische Politik in den nächsten Jahren“, schrieb der FDP-Politiker Felix Reifschneider bei Twitter. Der neue Senat müsse Prioritäten setzen sowohl bei den Bus- und Bahnlinien, die ausgebaut werden sollen, als auch beim Haushalt. „Unrealisierbare Visionen führen nur zu Enttäuschungen.“
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Der SPD-Abgeordnete Stephan Machulik reagierte dagegen offen: Die „BVG hat Ideen und Politik soll entscheiden“. In den vergangenen Jahren hatte sich vor allem die SPD in der Koalition für mehr U-Bahnen eingesetzt, die Grünen dagegen für mehr Straßenbahnen. In der BVG-Studie heißt es dazu: „Die Frage Straßenbahn oder U-Bahn ist nicht zukunftsfähig. Das Oder muss zum Und werden.“ (mit dpa)
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