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Zusammenhalten. Künstler des Atelierhauses an der Sigmaringer Straße in Wilmersdorf und Unternehmerinnen des dortigen Gründerinnenzentrums UCW wollen ihr Domizil nicht verlassen. Bernhard Kotowski vom Künstlerverband bbk (Mitte) unterstützt sie.

© Doris Spiekermann-Klaas

Exklusiv

Berliner Kultur: Ateliers raus, Amtszimmer rein

40 Künstler sollen zwei Gebäude in Wilmersdorf räumen. Der Bezirk plant Büros – und erntet Protest.

Handwerker bauen im Flur vor den Ateliers am Hohenzollerndamm 174-177 in Wilmersdorf neue Fenster ein. Aber sie tun das nicht für die Künstler, sondern bereiten den Einzug des Bezirksamts vor. Ähnliches könnte bald im nahen Atelierhaus an der Sigmaringer Straße 1 geschehen. Denn auch dort will die Verwaltung einziehen. Den etwa 40 betroffenen Künstlern will der Charlottenburg-Wilmersdorfer Vizebürgermeister Klaus-Dieter Gröhler (CDU), der für Liegenschaften und Kultur zuständig ist, einen Ersatzstandort anbieten. Jetzt wächst der Widerstand gegen die bislang wenig bekannten Pläne.

Weder im Kultur- noch im Bauausschuss sei darüber gesprochen worden, sagen die Bezirksverordneten Alexander Kaas Elias und Zitha Pöthe (beide Grüne). In der BVV-Sitzung am 18. April will Pöthe die Rettung der Ateliers beantragen. Herbert Mondry, Vorsitzender und Bernhard Kotowski, Geschäftsführer des Berufsverbands Bildender Künstler Berlin (bbk), kritisieren die „groteske Berliner Liegenschaftspolitik“. Die Künstlerarbeitsplätze dürften nicht durch „Aktenlager“ ersetzt werden.

Gröhler spricht von „Büroarbeitsplätzen“. Anlass seiner Überlegungen ist die Räumung des Rathauses Wilmersdorf am Fehrbelliner Platz. Der Bezirk will es bis Ende 2014 aufgeben, um jährlich drei Millionen Euro Unterhaltskosten zu sparen. Der Umzug der BVV ins Rathaus Charlottenburg läuft bereits, für die Ämter in Wilmersdorf soll bis zum Sommer ein Umzugskonzept vorliegen. Aber der Platz in Charlottenburg wird nicht reichen. Deshalb soll das Haus am Hohenzollerndamm „der künftige große Verwaltungsstandort in Wilmersdorf“ werden, sagt Gröhler. Es beherbergt bereits ein Bürgeramt, die Kommunale Galerie, Computerräume der Volkshochschule und das bezirkseigene „Theater Coupé“. Das soll laut BVV-Beschluss erhalten bleiben.

Seit Mitte der Neunziger gibt es die neun Ateliers in den einstigen Räumen der Diskothek Riverboat. Den Umbau hatte die Senatskulturverwaltung mit rund 600 000 Euro aus dem Atelierprogramm gefördert, die Mieter gründeten den Trägerverein „kulturplus“. Seit 17 Jahren arbeitet dort zum Beispiel die aus New York stammende Malerin und Installationskünstlerin Andrea Scrima. Die Politiker „sollten uns als Schatz ansehen“, findet sie, zumal man viel mit der Kommunalen Galerie und Schulen zusammenarbeite.

Das Bezirksamt soll mitgeteilt haben, die Ateliers seien nur noch bis Anfang Oktober gesichert. Gekündigt wurde bisher nicht, die Frist beträgt drei Monate. Für Donnerstag hat Gröhler zur Besichtigung eines möglichen Ersatzstandorts in Charlottenburg-Nord eingeladen. Er schlägt „ganz bewusst“ die Gegend nahe der Jungfernheide vor, die als sozialer Brennpunkt gilt. Künstlerateliers könnten „ein Stück Aufwertung“ bedeuten. Nach Auskunft der Künstler geht es um eine ehemalige Kita am Halemweg. Andrea Scrima sieht „die Kulturschaffenden an den Rand gedrängt“; ihre Suche nach einem bezahlbaren Ersatz blieb bisher erfolglos.

Drei in einem. Das bezirkseigene Gebäude an der Sigmaringer Straße beherbergt das Atelierhaus, das Unternehmerinnenzentrum UCW sowie eine Bibliothek (nicht im Bild).
Drei in einem. Das bezirkseigene Gebäude an der Sigmaringer Straße beherbergt das Atelierhaus, das Unternehmerinnenzentrum UCW sowie eine Bibliothek (nicht im Bild).

© Doris Spiekermann-Klaas

Vor ähnlichen Problemen stehen die Künstler im Atelierhaus „Sigmaringer1art“. 2006 waren 30 Ateliers im früheren Gesundheitsamt entstanden. Der bbk steuerte 160 000 Euro bei. Nun erwägt Gröhler, 2014 auch dort Büros zu schaffen.

Für die Mieter wie die Künstlerin Michaela Habelitz ist nicht nur die zentrale und verkehrsgünstige Lage am U-Bahnhof Blissestraße wichtig, sondern auch, dass sie sich das Haus mit dem Unternehmerinnen- und Gründerinnenzentrum Charlottenburg-Wilmersdorf (UCW) und einer Filiale der Stadtbibliothek teilen. Diese Nachbarschaft ermögliche Kooperationen, außerdem arbeite man mit Schulen in der Umgebung zusammen.

Besorgt sind auch die Unternehmerinnen und Gründerinnen im UCW. Dort sind keine Amtszimmer geplant, aber der Vertrag läuft 2014 aus. Das UCW „braucht Planungssicherheit“, sagen Anwältin Judith Brandner und Touristikunternehmerin Kathrin Haak vom Förderverein. Der prüft neue Trägermodelle, etwa eine Genossenschaft, und hatte auch schon gegen einen möglichen Verkauf des Gebäudes protestiert.

- Informationen der Künstler und der Unternehmerinnen unter www.kulturplus-berlin.de, www.sigmaringer1art.de, www.ucw-berlin.de

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