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Der Angeklagte steht mit seinem Rechtsanwalt Ehssan Khazaeli (l) beim Prozess wegen einer Attacke auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira im Kriminalgericht Moabit.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Update

Antisemitische Attacke auf jüdischen Studenten in Berlin: Angeklagter zu drei Jahren Haft verurteilt

Mustafa A. hat aus antisemitischen Motiven seinen jüdischen Kommilitonen Lahav Shapira angegriffen, stand für das Gericht fest. Die deutliche Strafe sei auch aus generalpräventiven Gründen geboten.

Stand:

Das Lächeln im Gesicht des Angeklagten verschwand. Sein brutaler Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira war nach Überzeugung der Richter antisemitisch motiviert. Drei Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung ergingen gegen den 24-jährigen Mustafa A.

Das Amtsgericht Tiergarten ging damit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Lahav Shapira, der Nebenkläger war, verließ den Gerichtssaal erleichtert: „Ich bin froh, dass es vorbei ist.“

Bei Antisemitismus müsse mit der Härte des Rechtsstaats reagiert werden – auch aus generalpräventiven Gründen, um potenzielle Täter abzuschrecken und um andererseits das Vertrauen darin zu stärken, dass derartige Taten hart bestraft werden. Wer so eine Gesinnung zeige, lege „die Axt an unserer Werteordnung“, sagte der Vorsitzende Richter Sahin Sezer. Mustafa A. sei auf einem guten Weg gewesen und hätte als Lehrer viel Gutes für die Gesellschaft tun können, hätte ein Vorbild für Jungen mit Migrationshintergrund werden können. Doch er habe sich „nicht von den Konflikten seiner Vorfahren lösen können“, so der Richter.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach von einem „gutem und gerechtem Urteil“. „Ich hoffe sehr, dass die generalpräventive Wirkung dieses Urteils auch tatsächlich Wirkung entfaltet.“ Klein hatte den Prozess persönlich verfolgt. Er wertete die Entscheidung als „ein Signal nach Israel“ und in die internationale jüdische Community. „Das Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat ist hier ist gestärkt worden“, so Klein.

Mustafa A. studierte damals wie der inzwischen 32-jähirge Lahav Shapira an der Freien Universität (FU) Berlin auf Lehramt. Sie kannten sich allerdings nur über eine studentische WhatsApp-Gruppe. Shapira löschte als Administrator antisemitische Beiträge, er entfernte in der Uni auch antisemitische Plakate. Vier Monate nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begegneten sie sich zufällig in einer Bar am Rosenthaler Platz in Mitte.

Als Shapira am Abend des 2. Februar 2024 das Lokal verließ, folgte ihm der Angeklagte. Mustafa A. behauptete im Prozess, er habe ihn zur Rede stellen wollen wegen abgerissener Plakate in der Uni und einem aus seiner Sicht nicht guten Umgang in der Chatgruppe. „Es ging nicht um Politik“, so der Angeklagte, ein Deutscher mit palästinensischen Wurzeln. Der 32-jährige Lahav Shapira allerdings schilderte als Zeuge vor Gericht: „Er hat Plakate angesprochen, bei denen es darum ging, Israel auszulöschen.“

Einen von A. behaupteten Streit vor der Bar gab es laut Urteil nicht. Der Angeklagte habe gefragt, ob er jener Lahav sei, der Plakate in der Uni abgerissen hatte. Dann habe der Mann mit Kampfsporterfahrung mit der Faust zugeschlagen, dem Opfer anschließend mit voller Wucht gezielt mitten in das Gesicht getreten. Ein Zeuge schilderte, er habe Hass im Gesicht des Angeklagten gesehen.

Der jüdische Student Lahav Shapira kommt mit seinem Rechtsanwalt zum Prozess.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Shapira erlitt eine komplexe Mittelgesichtsfraktur und eine Hirnblutung. Mehrere Operationen waren erforderlich, mit Schrauben und Platten mussten die Frakturen versorgt werden. Die Verletzungen seien potenziell lebensgefährlich gewesen, so der Richter.

Ex-Student A. hatte den Angriff gestanden und um Vergebung gebeten. Ein antisemitisches Motiv für die Tat stritt der 24-Jährige jedoch ab. „Es tut mir sehr leid“, sagte er zum Prozessauftakt. Er habe im Streit die Fassung verloren, dabei seine Kampfsporterfahrung „unterschätzt“.

Sein Studium gab A. von sich aus auf. Er lebt inzwischen in München. Der Vorfall belaste ihn, erklärte er über seinen Anwalt. Er bot Shapira ein Schmerzensgeld von zunächst 5500 Euro an. Der Nebenkläger lehnte umgehend ab.

Staatsanwalt Tim Kaufmann hatte zwei Jahre und vier Monate Haft beantragt. Es sei ein „antisemitischer Gewaltexzess“ gewesen. Lahav Shapira sei angegriffen worden, „weil er Jude ist und sich gegen Antisemitismus einsetzte“. Verteidiger Ehssan Khazaeli plädierte auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen einfacher Körperverletzung.

Das Geständnis des Angeklagten war aus Sicht des Gerichts „nicht von Schuld und Reue getragen“. Zugegeben habe er nur, was ohnehin ermittelt war. Die Entschuldigung habe allerdings einigermaßen ehrlich gewirkt. Zur deutlichen Haftstrafe hieß es: „Der Antisemitismus ist erheblich strafverschärfend.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (mit dpa)

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