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Das Gericht bei der Urteilsverkündung am Freitag – das Paritätsgesetz in Brandenburg wurde gekippt.

© Sören Stache / dpa

Paritätsgesetz in Brandenburg zu Recht gekippt: Auch Männer machen Gesetze für Frauen

Verfassungsrichter weisen den Potsdamer Gesetzgeber in die Schranken - zu kühn hatte die Linkskoalition ins Wahlrecht eingegriffen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Fatina Keilani

Erst Thüringen, jetzt Brandenburg: Das Potsdamer Verfassungsgericht hat das neue Landeswahlgesetz, mit dem ein gleicher Anteil von Frauen und Männern auf den Kandidatenlisten zur nächsten Landtagswahl erzwungen werden sollte, am Freitag gekippt, einstimmig. Es greife zu stark in den Wahlprozess ein und sei im Grunde undemokratisch. Die politische Willensbildung im Volk müsse sich ungestört von staatlicher Regulierung vollziehen können, und zwar von unten nach oben.

Damit gab das Gericht den Landesverbänden von AfD und NPD recht. Die beiden Parteien des rechten Spektrums haben einen sehr niedrigen Frauenanteil und hätten unter den Vorgaben des Gesetzes massive Probleme gehabt, ihre Wahllisten zu füllen. Bei einem Wahlerfolg hätte es sogar bedeuten können, nicht alle Mandate besetzen zu können.

Die rechten Parteien können sich jetzt als wahre Demokraten inszenieren

Das Urteil war so erwartet worden. Der Eingriff in die Organisationsfreiheit der Parteien, in ihre Wahlvorschlagsfreiheit, war zu offensichtlich. Die Kühnheit – oder sollte man sagen: Anmaßung –, mit der die rot-rot-grünen Schöpfer dieses Gesetzes in Verfassungsprinzipien eingreifen, um politische Ziele durchzudrücken, ist erheblich und auch auf anderen Politikfeldern zu sehen.

Es ist gut, dass sie in die Schranken gewiesen wurden – sei es auch auf Antrag von AfD und NPD. Diese wiederum haben dem Rechtsstaat erneut eine demokratische Standortbestimmung abgerungen, die es ihnen ermöglicht, sich als Verteidigerinnen des Grundgesetzes und der Freiheit zu inszenieren, was mancher für verkehrte Welt halten dürfte.

Das Urteil zeigt zugleich: Gesellschaftlich wünschenswerte Ziele können nicht einfach mit den Mitteln des Rechts erzwungen werden – und vorliegend besonders nicht mit den Mitteln des einfachen Rechts. Änderungen im Wahlrecht, die Auswirkungen auf das Demokratieprinzip haben, bedürfen einer Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers.

Geschlecht spielt beim Abgeordneten keine Rolle

Vor Gericht wurde argumentiert, auch die Gleichstellung von Frauen und Männern habe Verfassungsrang. Das bestätigte das Gericht zwar. Die Verfassung gebe es aber nicht her, im Dienste der Gleichstellung einfach in sie einzugreifen. Folgerichtig kündigten die Berliner Grünen sogleich an, an die Landesverfassung heranzuwollen.

Das Geschlecht spielt beim Abgeordneten keine Rolle: Jeder Abgeordnete ist Vertreter des ganzes Volkes. So steht es wörtlich im Grundgesetz und in der Verfassung von Brandenburg. Das geht auch gar nicht anders. Überspitzt gesagt: Wenn alle Gruppierungen der Gesellschaft proportional zu ihrem Anteil an der Bevölkerung im Parlament vertreten sein müssten, wäre es aus mit der Wahlfreiheit.

Es wird also davon ausgegangen, dass jeder Abgeordnete für die gesamte Gesellschaft denkt und nicht nur die eigenen Interessen im Blick hat. Das können sich Linke und Grüne vielleicht nicht vorstellen. Auch Männer können für die Gleichstellung von Frauen sein, deshalb gibt es zum Beispiel das Landesgleichstellungsgesetz, das von einem mehrheitlich männlichen Landtag beschlossen wurde.

Jeder Abgeordnete vertritt in dieser Logik auch die Personen des dritten Geschlechts. Mit ihnen hatte es das Paritätsgesetz zu gut gemeint: Sie durften sich aussuchen, ob sie als Mann oder als Frau kandidieren. Auch diese Regelung wurde kassiert. Damit ist die Debatte wieder da, wo sie hingehört: in der Mitte der Gesellschaft und schließlich im Parlament.

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