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Reichskanzlei

© Keystone

Mitte: Auf Hitlers Bunker ein Gedenkort

Berlin will an den Attentäter Johann Georg Elser erinnern – am Standort der Reichskanzlei. Ein Ortstermin

Auf dem Boden von Hitlers Reichskanzlei an der Voßstraße in Mitte stehen heute eine Kita, ein paar Wohntürme aus DDR-Zeit und das neue Berliner Hauptquartier des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Zwischendrin liegt eine hügelige Ödfläche mit Parkplatz. Banale Nutzungen für einen Ort, der mal das Zentrum einer Schreckensherrschaft war.

Jetzt soll an der Voßstraße ein Gedenkort für Georg Elser entstehen, den fast in Vergessenheit geratenen Hitler-Attentäter von 1939. Der Berliner Schriftsteller und Bühnenautor Rolf Hochhuth hatte die Idee in den Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses getragen und fand dort überwiegend Zustimmung. Hochhuth wünscht sich ein modernes „Standbild“ von Georg Elser und hat dafür auch schon einen prominenten Sponsor, die Reemtsma-Stiftung.

Münchener Bürgerbräukeller
Das misslungene Attentat. Georg Elser verübte im Münchener Bürgerbräukeller ein Attentat auf Hitler, doch er hatte das Lokal schon vor der Detonation des Sprengsatzes verlassen. -

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Neben Hochhuth ist der Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, ein glühender Verfechter für ein Elser-Denkmal. Er hat den Standort Reichskanzlei vorgeschlagen. Tuchel hat sich intensiv mit der Figur Elser auseinandergesetzt und sieht den Attentäter neben Stauffenberg als „den einzigen, dessen Anschlag fast geglückt wäre“. Allein das rechtfertige eine Würdigung in der Hauptstadt, auch wenn das Attentat in München, im Bürgerbräukeller, verübt wurde.

Elser, ein einfacher Schreiner, verübte die Tat am 8. November 1939, um die Ausweitung des Krieges zu verhindern. Er wurde kurz vor der Flucht in die Schweiz gefasst und der Gestapo übergeben. Nach Verhören durch die SS im Berliner „Reichssicherheitshauptamt“ an der Prinz-Albrecht-Straße wurde er ins KZ Sachsenhausen gebracht, saß dort jahrelang in einer Einzelzelle. Später kam er ins KZ Dachau, wo er am 9. April 1945 erschossen wurde. Ursprünglich hatten die Nazis vor, ihn nach dem „Endsieg“ als Agenten des britischen Geheimdienstes in einem Schauprozess zu verurteilen.

Elser
Widerständler Johann Georg Elser - von den Nazis kurz vor Kriegsende ermordet. -

© dpa

Der Kulturausschuss hat den „Beratungsausschuss Kunst“ des Berufsverbands Bildender Künstler mit einer Expertise zum Denkmal-Projekt beauftragt. Bis Juni soll ein Ergebnis vorliegen. Was es dann wird, ein Elser in Bronze oder eher etwas Abstraktes, sei völlig offen, sagt Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD. „Das ist ein demokratischer Prozess.“ Auch über den Gedenkort solle noch diskutiert werden. Um ihre Offenheit auch nach außen zu bekunden, spricht die SPD lieber von einem „Denkzeichen“. Die CDU möchte dagegen ein deutlich sichtbares Denkmal mit dem Antlitz Elsers. „Wir wollen dem Widerstand ein Gesicht geben“, sagt Kulturpolitiker Uwe Lehmann-Brauns. Das Gelände der Reichskanzlei sei der richtige Ort – nämlich das „Machtzentrum des Teufels, den Elser umbringen wollte“.

Als Standort-Alternative käme die „Topographie des Terrors“ auf dem Prinz-Albrecht-Gelände in Frage, aber Tuchel widerspricht. „Das ist schon definiert als Ort der Täter.“ Die Reichskanzlei mit einem Elser-Denkmal zu überbauen, wäre dagegen eine „späte Genugtuung“. Hochhuth spricht von einer „hohen Symbolkraft“. Der Standort-Vorschlag Tuchels habe ihn „biblisch berührt“. An der Voßstraße ist von biblischen Momenten derzeit nichts zu spüren. Touristengruppen machen Fotos von den Einschusslöchern am Vorkriegsbau. Auf die Reichskanzlei verweist nur die historische Infotafel an der Wilhelmstaße. Die Frau an der Parkplatzkasse kennt Elser nicht. Ihre Kunden wüssten größtenteils nicht einmal, dasss sie auf den Fundamenten von Hitlers Reichskanzlei parken.

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