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Prinz Charles wird die Hauptrede zur Gedenkveranstaltung halten. Der britische Thronfolger und Herzogin Camilla waren zuletzt 2019 in Berlin.

© Aaron Chown/Reuters

Aus dem Buckingham Palast zum Plattenbau: Warum Prinz Charles so gerne Berlin besucht

Prinz Charles war schon oft in Berlin – und kommt gerne wieder. Diesmal mit Camilla zum Volkstrauertag. Im Bundestag wird er am Sonntag eine Rede halten.

Manchmal wirkt es fast so, als würde Prinz Charles gern nach Deutschland umziehen, wäre hier nur eine Stelle für ihn frei. Über dreißig Mal habe er das Land seit 1962 offiziell und privat besucht, heißt es, und das waren keinesfalls nur kurze Zwischenlandungen aus offiziellem Anlass, sondern oft tagelange, von echter Neugier geprägte Reisen. Nur wenige Deutsche dürften ihre Heimat aus so vielfältigen Blickwinkeln kennengelernt haben wie er, vom Münchener Oktoberfest bis zu den Hellersdorfer Plattenbauten.

Ein weiterer kurzer Besuch kommt am Wochenende hinzu, wieder in Berlin. Charles und Camilla werden auf Einladung des Bundespräsidenten am offiziellen Gedenken zum Volkstrauertag teilnehmen, der in diesem Jahr der deutsch-britischen Freundschaft gewidmet ist.

Prinz Charles legt nicht nur einen Kranz in der Neuen Wache nieder, sondern hält auch die Hauptrede der Gedenkstunde im Bundestag, die vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge veranstaltet wird. Es ist das erste Mal, dass ein Mitglied des britischen Königshauses daran teilnimmt.

Der 72-jährige Monarch im Wartestand, längst eine Art Vizekönig des United Kingdom, antwortet mit seinem Besuch gewissermaßen auf eine ähnliche Geste Steinmeiers, der 2018 als erster Bundespräsident zum „Remembrance Day“ nach London gekommen war, dem dort enorm bedeutenden Tag der Erinnerung an das Ende des 1. Weltkriegs.

Damals war in England durchaus gefragt worden, ob das denn überhaupt statthaft sei – ähnliche Einwände hat Prinz Charles garantiert nicht zu fürchten, einerseits wegen der historischen Faktenlage, andererseits, weil er in Deutschland als ganz und gar unumstritten gelten darf. Er ist neben der Königin der Garant der Kontinuität der britischen Monarchie.

Ein Fan-Aufgebot wie für Diana?

Möglicherweise sind die Monarchiefans in Deutschland nicht mehr ganz so zahlreich, veranstalten vermutlich nicht mehr so begeisterte Aufläufe wie zu Mauerzeiten, beispielsweise 1987, als er in Berlin zusammen mit Diana eine Deutschlandreise begann oder 1985, als er in Vertretung seiner Mutter allein in Berlin war, um die traditionelle Geburtstagsparade für sie abzunehmen.

Aber es bleibt genug Sympathie für einen herzlichen Empfang aus der Distanz, der Sicherheit halber – der auch dem überzeugten Europäer gelten dürfte. Wir Deutschen wissen es zwar nicht genau, schließen aber aus seinem ganzen Verhalten, dass er genau wie offenbar die Queen den Brexit als gefährliche Torheit ablehnt – was er nie öffentlich sagen dürfte.

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Prinz Charles, so sieht man ihn bei uns, ist der immer von etwas Tragik umflorte, gleichwohl tatkräftige, fleißige und vor allem völlig integre Thronfolger, dessen Familie Großbritannien immer irgendwie auf Kurs hält, über alle Konvulsionen und Narreteien der Politik hinweg. Prunk und Rituale scheinen ihm lästig zu sein, stattdessen profiliert er sich als Biobauer und Pflanzenversteher, sinniert über Architektur und engagiert sich konsequent für den Umweltschutz in allen Facetten.

Engagement gegen Rassismus und Klimawandel

Schon 2009, bei einem erneuten Besuch nach mehrjähriger Pause, ließ er sich ins Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung chauffieren und hielt später im Schloss Bellevue eine Grundsatzrede zum Klimawandel. Als ebenso demonstrativ – diesmal in Sachen Integration – wurde sein Besuch auf einem Kreuzberger Fußballplatz gesehen, wo er einem Fußballspiel zwischen Imamen und Pfarrern beiwohnte. Beim letzten Besuch mit Camilla 2019 sprach er mit geflüchteten Frauen am Rande eines Berufsvorbereitungskurses und besuchte die Barenboim-Said-Akademie.

Der vielbeachtete Besuch in Hellersdorf 1995 ging auf den Kontakt mit einem britischen Architekten zurück, der als Spezialist für Großsiedlungen auch an der Urbanisierung der monströsen Ost-Berliner Plattenbauten beteiligt war und ihn dafür interessiert hatte. Charles, das zeigt das alles, ist jedenfalls keiner, der sich in der Filterblase der Monarchie nur mit lebensfernen Privatproblemen befasst.

Vielleicht wirkt sein Interesse an gesellschaftlichem Fortschritt auch deshalb so dringlich, weil er, wenn er denn einst den Thron besteigt, keine eigenen Meinungen mehr äußern darf. Er gilt aber auch als Zauderer, was ihn nicht unsympathischer macht – und sein ganzes Leben mit Diana und Camilla ist bei aller Tragik auch großartiger Stoff für die Yellow Press. Hat es nicht am Ende, wie die Eintracht mit Camilla zeigt, ein richtiges Happy End? Die Gedenkstunde im Plenarsaal, die traditionell unter der Schirmherrschaft des Bundestagspräsidenten steht, beginnt am Sonntag um 13.30 Uhr und wird vom ZDF direkt übertragen.

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