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Neue Dimension der Gewalt. Der Anschlag auf Polizisten bei der Demonstration am Sonnabend in Mitte. Foto: dpa

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Berlin: „Aus purer Lust an der Gewalt“

Innensenator und alle Parteien verurteilen Sprengsatz-Angriff auf Polizisten. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Totschlags

Von Frank Jansen

Im Entsetzen waren sich alle einig. Niemand widersprach, als Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, der Angriff mit einem Sprengsatz auf Polizisten bei der Demonstration am Sonnabend in Mitte sei „ein ungeheuerlicher Vorgang der Brutalität“. Die Täter hätten „aus purer Lust an der Gewaltanwendung“ schwerste Verletzungen von Menschen in Kauf genommen. Das betreffe nicht nur Polizisten und Demonstranten. Beamte hätten berichtet, dass in der Nähe der Explosion Familien mit Kinderwagen unterwegs waren, sagte Körting am Montag im Abgeordnetenhaus vor dem Innenausschuss. Wäre der Sprengsatz nur einen halben Meter weiter geflogen, hätte ein erhebliches Risiko bestanden, dass die Kinder und ihre Eltern verletzt werden.

In einer Erklärung verurteilten die im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien den Anschlag. Er stelle „eine neue Eskalationsstufe der Brutalität gegen Polizeibeamte“ dar, betonten die Fraktionschefs von SPD, CDU, Grünen, Linkspartei und FDP. Die Straftäter müssten zur Verantwortung gezogen werden. Der Vize-Unionsfraktionschef im Deutschen Bundestag, Günter Krings, sprach von „kriegstauglichen Mitteln“, die zum Einsatz gekommen seien. Dies zeige eine „neue Dimension der Gewalt“.

Bei der Detonation während der Demonstration gegen die Sparpolitik der Bundesregierung seien zwölf Polizisten verletzt worden, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch. Drei hätten ins Krankenhaus gebracht werden müssen. Zwei von ihnen seien operiert worden und befänden sich noch in stationärer Behandlung. Bei ihnen seien kleine Teile des Sprengsatzes in die Beine eingedrungen, in einer Tiefe von sechs Zentimetern und bis an die Knochen. Beide Polizisten sollen am heutigen Dienstag aus der Klinik entlassen werden, sagte Glietsch. Der dritte Beamte habe Verbrennungen erlitten, die übrigen Schnitt- und Schürfwunden sowie Knalltraumata davongetragen. Acht Beamte konnten am Sonnabend im Dienst bleiben. Die Bombe hätte tödlich wirken können. Erst zehn Sekunden vor der Explosion hätten die Polizisten ihre Helme aufgesetzt, berichtete der Vorsitzende des Innenausschusses, Peter Trapp (CDU). Er hatte die im Krankenhaus liegenden Beamten besucht.

Laut Glietsch geschah der Angriff auf die Polizisten gegen 14.15 Uhr, aus dem „antikapitalistischen Block“ der Demonstration heraus. In dieser Formation liefen etwa 450 schwarz gekleidete Autonome und andere gewaltbereite Linksextremisten mit. Seit Beginn der Demonstration habe in diesem Block eine „aggressive Grundstimmung“ geherrscht. Am Protestmarsch (Motto: „Wir zahlen nicht für eure Krise“) nahmen laut Veranstalter bis zu 20 000 Menschen teil.

Zwei Zivilpolizisten hätten die mutmaßlichen Werfer des „pyrotechnischen Gegenstands“ beobachtet, sagte Glietsch. Etwa um 16 Uhr seien die Tatverdächtigen festgenommen worden. Es handelt sich um zwei Berliner und einen Brandenburger im Alter zwischen 21 und 33 Jahren, die inzwischen wieder auf freiem Fuß sind. Bei Wohnungsdurchsuchungen seien „zugelassene und nicht zugelassene Pyrotechnik“ gefunden worden, sagte Glietsch. Der Tatverdacht habe aber nicht ausgereicht, um Haftbefehle zu beantragen, doch er bestehe weiter, betonte der Polizeipräsident. Offen bleibt allerdings, aus welchen Materialien der Sprengsatz hergestellt wurde. In Polizeikreisen hieß es, möglicherweise seien sogenannte Polenböller in ein Gefäß gesteckt worden. Dass es auch mit Nägeln und Scherben gespickt wurde, wollten die Experten nicht bestätigen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Totschlags. Abgeordnete von CDU und SPD regten in der Sitzung des Ausschusses an, es sei auch ein Verfahren wegen versuchten Mordes zu prüfen. Der Angriff sei „ein Quantensprung in die falsche Richtung“, sagte Anja Hertel (SPD).

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