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Es hört einfach nicht auf. Vor einem Jahr hatten sich die 300 000 Betroffenen unter den Tegeler Flugrouten gefreut, dass bald Ruhe einkehren würde. Doch daraus wurde nichts, das bunte Plakat wurde wieder in den Schrank gelegt. Für unbestimmte Zeit.

© picture alliance / dpa

Berliner Luftverkehr: Ausnahmeregelung für Tegel läuft 2017 aus

Bleibt der Flughafen Tegel weiterhin im Betrieb, kämen enorme Kosten für den Lärmschutz auf Berlin zu. Da die Übergangsfrist für eine Ausnahme von verschärften Regelungen 2017 abläuft, ist eine baldige Entscheidung umso dringender, sagt Flughafenexperte Faulenbach da Costa.

Ein Blick ins Gesetz empfiehlt sich immer, auch für Flughafenchef Hartmut Mehdorn bei seinem Wunsch, Tegel auf Dauer am Leben zu erhalten. Dann wüsste er, dass der dafür nötige Lärmschutz für die Anwohner jeden bisherigen Rahmen sprengen würde und wesentlich teurer käme als jetzt in Schönefeld. Strittig ist nur, wann die Vorschrift greifen würde: Bereits 2017 oder erst 2019. Der Flughafen wollte sich am Montag dazu nicht näher äußern. Sprecher Ralf Kunkel sagte, man werde sich selbstverständlich jederzeit an die Rechtslage halten.

In Schönefeld müssen am BER – bereits nach den strengen Vorgabe für den Lärmschutz – für rund 25 000 Wohnungen wahrscheinlich etwa 600 Millionen Euro aufgebracht werden. In Tegel wären nach Angaben des Flughafenexperten Dieter Faulenbach da Costa etwa um 200 000 Anwohner betroffen, die einen Anspruch auf Lärmschutz oder Entschädigung hätten.

Faulenbach da Costa beruft sich auf das 2007 geänderte Fluglärmschutzgesetz, das damals den Lärmschutz an Flughäfen wesentlich verbessert hat. Dabei wurde eine „Lex Tegel“ eingearbeitet und ein Passus aufgenommen, wonach ein Flughafen das verschärfte Gesetz nicht anwenden muss, „wenn dieser innerhalb einer Frist von zehn Jahren nach Vorliegen eines Festsetzungserfordernisses … geschlossen werden soll und für seine Schließung das Verwaltungsverfahren bereits begonnen hat.“ Dies traf auf Tegel zu. Die Luftfahrtbehörde hatte die Betriebsgenehmigung für Tegel bereits 2004 widerrufen.

Unklar ist, ab wann die Zehn-Jahres-Frist gilt. Faulenbach da Costa sagt, vom Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2007, so dass die Gnadenfrist 2017 auslaufen würde. Die Juristen der Senatsstadtentwicklungsverwaltung nennen das Jahr 2009 als Beginn der Frist, weil das Gesetz vorsehe, dass bei einem bestehenden Flughafen der Lärmschutzbereich spätestens Ende 2009 nach den aktuellen Vorgaben neu festgesetzt werden musste. Dann hätte man in Tegel bei einem Weiterbetrieb bis Ende 2019 Zeit, den Lärmschutz anzupassen.

Angesichts der gesundheitlichen Gefährdung, der die Anwohner durch den Fluglärm ausgesetzt seien, fordert Faulenbach da Costa eine schnelle Entscheidung: Entweder müsse klargestellt werden, dass der Flugverkehr in Tegel aufgegeben werde – oder man müsse sofort mit der Planung für die neuen Lärmschutzgebiete beginnen, die nach Abschluss der Zehn-Jahres-Frist umgesetzt sein müssten, ob nun 2017 oder 2019.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner, der sich für einen Weiterbetrieb von Tegel auf Dauer einsetzt, sagte, die Folgekosten, zu denen auch der Lärmschutz gehöre, müssten in die Wirtschaftlichkeitsberechnungen für einen Parallelbetrieb von BER und Tegel einfließen.

Geld sparen könne man beim Schutzgebiet für die Nacht, sagte Faulenbach da Costa. Vorausgesetzt, das Nachtflugverbot würde auf die Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr erweitert – ohne Ausnahme. Der Vorsitzende der Tegeler Fluglärmkommission, Rainer Teschner-Steinhardt, kann sich noch immer nicht vorstellen, dass Mehdorn sich mit seinem Wunsch nach einem Dauerbetrieb durchsetzen kann. Deshalb habe sich das Gremium auch noch nicht ausführlich mit den Folgen des Gesetzes beschäftigt.

Der bei einem Dauerbetrieb geltende strengere Lärmschutz würde auch greifen, wenn nur die Flugbereitschaft der Bundesregierung in Tegel bliebe, wie es vorgeschlagen worden ist. Das Gesetz gilt auch für militärische Flughäfen. Hinter der Idee, die Flugbereitschaft in Tegel zu lassen, steht der Wunsch, dann – gewissermaßen als Gäste – dort auf Dauer Geschäftsflugzeuge starten und landen zu lassen. Die Bundesregierung hat sich aber für den Umzug zum BER entschieden, wo für kalkulierte 310 Millionen Euro ein eigener Terminal entstehen soll. Die Anschlussarbeiten an das Start- und Landebahnsystem hat die Flughafengesellschaft jetzt europaweit ausgeschrieben. Allerdings hat sich auch der Regierungsbau am Flughafen erheblich verzögert.

Eine radikale Lösung hatte vor Jahren der ehemalige Lufthansachef Heinz Ruhnau vorgeschlagen: Um Anwohner vom Fluglärm zu verschonen, sollten die Gebäude unter den lärmintensiven Flugrouten einfach abgerissen werden. Ernsthaft erwogen hat man dies nie.

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