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Berlin-Moabit: Empörung nach Wehrmachts-Eklat der Jungen Union

Ausgerechnet am 9. November singen Mitglieder der CDU-Organisation Junge Union ein Wehrmachtslied. Der Vorfall sorgt on- und offline für Ärger.

Sie hatten sich das so schön vorgestellt: „Berlin – Tag und Nacht: Politik, Party und Sightseeing“ lautete der Titel einer Berlin-Exkursion für Angehörige der Jungen Union (JU) aus Rheingau-Taunus und Limburg. Ergänzt wurde das viertägige Programm um den Satz: „Ein bisschen Spaß muss sein“.

Die Art jedoch, wie ein rund 15-köpfiger Teil der Reisegruppe das Motto der Fahrt umsetzte, sorgte zunächst in einer Berliner Kneipe und nun auch im Abgeordnetenhaus sowie in Hessen für Entsetzen. Was war passiert? Im Anschluss an ein Treffen junger CDU’ler mit dem JU-Bundesvorsitzenden Paul Ziemiak am vergangenen Freitag zog ein Teil der aus Hessen angereisten Gruppe weiter. Ziel war die Kneipe „Zur Quelle“ in Berlin-Moabit.

Kaum angekommen, machten die an einem im Vorfeld reservierten Tisch platzierten JU’ler mit dem Grölen von Parolen und Liedern auf sich aufmerksam. „Dabei haben sie immer wieder C-D-U gebrüllt“, berichtet Mia Linda Alvizuri Sommerfeld, an dem Abend ebenfalls mit Freunden in der Kneipe und Tischnachbar der lärmenden Horde. Nach Feiern wiederum war ihrer Gruppe ihr ganz und gar nicht zu Mute: Die jüdische Künstlerin hatte wenige Stunden zuvor am Westhafen zum Gedenken an die von hier Deportierten Blumen niedergelegt. Es war der Abend des 9. November, „ein Trauertag für mich und meine Familie“, so Alvizuri Sommerfeld.

Wehrmachtslieder in der Kneipe

Umso schwerer wiegt, was dann folgte: Weil sich die Sprüche der CDU-Gruppe immer wieder auch gegen "Schwuchteln“ richteten, begann Alvizuri Sommerfeld diese zu filmen. In Reaktion darauf und im vollen Bewusstsein, gefilmt zu werden, intonierten diese daraufhin das mit der Zeile „Heute wollen wir marschier'n“ beginnende Westerwaldlied - mehrfach und lautstark, wie Alvizuri Sommerfeld versichert.

Das Lied, 1932 von Mitgliedern des späteren Reichsarbeitsdienstes gedichtet, sangen Soldaten der Wehrmacht während ihrer Einmärsche in Frankreich, Holland und Luxemburg, später wurde es in das Liederbuch der Bundeswehr übernommen. Darin hieß es: „Dieses Lied ist das wohl bekannteste Lied der ehemaligen deutschen Wehrmacht […] Es sollte daher immer besonders sorgsam abgewogen werden, ob und wo dieses Lied durch Angehörige der Bundeswehr gesungen wird“. Im Jahr 2017 wurde das Liederbuch auch wegen des Westerwaldliedes aus dem Verkehr gezogen.

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Die Videoaufnahmen aus dem Lokal wiederum zogen schnell große Kreise und brachten die JU’ler in Erklärungsnot. So sehr, dass sich keiner der Verantwortlichen aus den JU-Verbänden Rheingau-Taunus und Limburg dazu äußern wollte. Mit Nils Josef Hofmann bestätigte lediglich der auch im Video klar erkennbare Vorsitzende der JU Limburg seine Teilnahme an dem Gelage. Weitere Nachfragen beantwortete der ehemals in der AfD aktive 22-Jährige nicht.

Fassungslosigkeit bei Grünen-Abgeordneten

Zurückhaltung auch auf Seiten der JU Hessen. Sprecher Leopold Born, der erst durch die Anfrage des Tagesspiegels von dem Vorfall erfahren hatte, erklärte, die Fahrt sei allein von den Verbänden Limburg und Rheingau-Taunus organisiert worden. Der Berliner JU-Vorsitzende Christoph Brzezinski wiederum war zwar bereits über den Vorfall informiert, verwies aber nach Hessen und sagte: „Mit diesen Leuten haben wir nichts zu tun.“

Aus dem Berliner Abgeordnetenhaus meldete sich June Tomiak von den Grünen zu Wort. "Am 80. Jahrestag der Novemberpogrome beliebte Wehrmachtslieder zu singen, macht mich fassungslos“, erklärte Tomiak und wies darauf hin, dass auch Mitglieder der JU aus Berlin in der Vergangenheit bereits für ähnliche Schlagzeilen gesorgt hätten. Sven Kohlmeier (SPD) sprach angesichts neuer und alter JU-Ausfälle von „ein paar Rechtsverirrten bei der Jungen Union“, die es auch früher schon gegeben hätte.

Tomiak wie Kohlmeier spielen damit auf den Fall Berliner JU'ler an, die 2005 auf einer Reise nach Riga rechtsextreme Sprüche fallen gelassen und sich mit Hakenkreuzabzeichen gezeigt hatten. Der Fall wurde erst im Jahr 2016 öffentlich, mit Christoph Brzezinski steht einer der damals Beschuldigten heute dem Berliner JU-Landesverband vor.

Ob das Verhalten der hessischen JU-Delegation in Berlin Konsequenzen haben wird, bleibt damit offen. JU-Hessen Sprecher Born sieht "großen Klärungsbedarf" und kündigt an, der Fall werde "selbstverständlich aufgearbeitet".

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