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Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), geladen als Zeuge im Untersuchungsausschuss Diese e.G.

© dpa

Berlin musste „Diese eG“ vor der Pleite retten: Finanzsenator warnte Baustadtrat Schmidt vor Risiken bei Immobilien-Deals

Die „Diese eG“ hat mit Geldern geplant, die noch nicht bewilligt waren. Matthias Kollatz sagte im U-Ausschuss, er habe den Bezirk auf die Gefahren hingewiesen.

Der Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg Florian Schmidt (Grüne) war bei der Ausübung des Vorkaufsrechts für sechs Wohnhäuser zugunsten der finanziell wackeligen, kurz zuvor gegründeten Genossenschaft Diese eG gewarnt.

Dennoch riskierte er die Pleite und einen finanziellen Schaden für den Bezirk. Das ergab die Befragung von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) bei der sechsten Sitzung des Untersuchungsausschusses "Diese e.G" im Abgeordnetenhaus.

Das Gremium soll die Hintergründe der Immobilienaffäre rund um die nur durch Öffentliche Mittel vor der Insolvenz bewahrten Genossenschaft klären. Kollatz zufolge durfte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg keineswegs damit rechnen, dass die dringend benötigten öffentlichen Mittel fließen würden.

Finanzsenator Kollatz hatte mehr als 22 Millionen Euro Förderdarlehen sowie Zuschüsse des Landes über 1,5 Millionen Euro gesetzlich auf den Weg gebracht. Ohne diese Hilfen wäre die Diese eG pleite gegangen. Ein tiefer Griff in die Fördertopf - lief hier alles korrekt ab?

Kollatz sagte, zum Zeitpunkt der Ankäufe durch die Diese eG habe es eine "politische Absicht" gegeben, das Vorkaufsrecht auch für Genossenschaften zu öffnen - damit wären Zuschüsse des Landes verbunden gewesen. Beschluss dazu gab es aber noch keinen. Und es habe "auf keinen Fall daraus abgeleitet werden können, dass die Absicht so umgesetzt" wird.

Damit bestätigte der Finanzsenator, dass der Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) in ein unkalkulierbares Risiko steuerte bei seinem Beschluss. Ein Risiko von 27 Millionen Euro für das Land, so die Auffassung des Rechnungshofs, hinter dessen Bewertung sich Kollatz ausdrücklich stellte.

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Der Finanzsenator sagte weiter, er habe Schmidt und Verantwortliche anderer Bezirke in einem Schreiben ausdrücklich vor vorschnellen Käufen gewarnt. "Bedauerlicherweise hat das nicht dazu geführt, dass die Wahrnehmung weiterer Vorkaufsrechte unterlassen wurde".

Im Gegenteil, "weitere Vorkäufe erfolgten, ohne dass die finanzielle Entscheidung da war", sagte Kollatz. Die Diese eG hatte fest mit den öffentlichen Zuschüssen gerechnet, obwohl diese noch nicht beschlossen waren.

Die Senatsverwaltung für Finanzen habe, sagte Kollatz, wiederholt davor gewarnt, in der ganzen Zeit zwischen der politisch angestrebten Ausweitung des Vorkaufsrechts auf Genossenschaften und dem rechtsverbindlichen Beschluss im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses am 7. August 2019.

Selbst wenn es eine Pleite gäbe, wäre der reale Schaden gering

Mit einem nennenswerten realen Schaden durch das Verwaltungshandeln von Schmidt rechnet Kollatz aber nicht wirklich: "Das Risiko eines Haushaltsmittel-Verlustes ist relativ gering". In Zeiten steigender Grundstückspreise sei im Fall einer Pleite und einer dann folgenden Zwangsversteigerung der Häuser ein Totalverlust der staatlichen Fördermittel "kaum zu befürchten".

Zur Frage, ob die Diese e.G langfristig überleben kann, sagte Kollatz: „Das typische Risiko dieses Erwerbs ist vorhandener Sanierungsbedarf oder unterlassene Instandsetzung.“ Die Instandsetzung habe erst begonnen.

Es brauche „noch zwei Jahre“ um die Überlebensfähigkeit abschließend klären zu können. Grundsätzlich gelte allerdings: Entscheidungen fielen zu Gunsten von Förderprojekten nur dann, „wenn die Chancen des Gelingens größer sind als die des Scheiterns“. Die Prognose sei positiv für die Diese e.G

Der Finanzsenator wird "morgens, mittags, abends, nachts" aufgefordert, Geld rauszurücken

War der großzügige Griff in die landeseigenen Fördertöpfe nicht doch dem politischen Druck aus Koalitionskreisen zu Schulden? Diese Annahme wies Kollatz genervt zurück: "Der Finanzsenator wird morgens, mittags, abends, nachts und auch am Wochenende darauf angesprochen, endlich mal Geld rauszurücken".

Es habe "vielfache Ansprachen" von "zahlreichen Parlamentariern aus verschiedenen Fraktionen" gegeben. Das sei immer so, nicht nur bei der Diese eG.

Auch die landeseigene Förderbank IBB sich nicht dezidiert gegen die Förderung gestellt habe, sagte Kollatz. Deren Enthaltung bei dem Förderbeschluss sei Ausdruck einer unentschiedenen Bewertung. Es gebe durchaus Fälle, in denen die IBB sich gegen Förderanträge ausspreche.

CDU-Obmann nennt Pop "Senatorin ahnungslos"

Als Zeugin geladen war außerdem Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. "Senatorin ahnungslos" nannte CDU-Obmann Stefan Evers sie nach der Sitzung. Pop hatte gesagt, sie sei in den Vorgang nicht eingebunden gewesen.

Sie sitze zwar dem Verwaltungsrat der Förderbank IBB vor, aber dieser befasse sich nicht mit einzelnen "Dienstleistungsaufträgen der IBB" wie dem zur Diese e.G. Hierüber entscheide der "Bewilligungsausschuss", der mit Mitarbeitern der "Fachebene" besetzt sei.

Und auf die Frage, ob und wie das Gezerre um die Finanzierung der Diese e.G ihre Führungsebene erreicht habe, sagte Pop: "So weit ich mich erinnern kann, kann ich mich nicht daran erinnern".

Der Beigeordnete der Grünen Andreas Otto bilanzierte nach der Anhörung, die Finanzierung der Diese eG sei ein "ganz normaler Vorgang und wir kriegen unser Geld zurück, das läuft".

Bernd Schlömer (FDP) dagegen sagte, der Bezirksbaustadtrat habe "den politischen Willen ignoriert und gegen Rot-Rot-Grün eigene Vorstellungen zur Ausübung des Vorkaufsrecht durchgesetzt". Nur die Förderbank des Landes IBB habe als "Fels in der Brandung" vor dem Engagement gewarnt. Das aber nutze nichts, "wenn es politische ausgehebelt wird".

Eine Diese eG würde so heute nicht mehr gefördert

Damit passen Kollatz Aussagen zu den bisherigen Erkenntnissen aus dem Ausschusses, wonach die Diese eG heute so nicht mehr gefördert werden würde. Die scharfe Kritik des Rechnungshofes wurde bestätigt, wonach das Vorkaufsrecht "pflichtwidrig" ausgeübt wurde.

Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte als Zeuge im Ausschuss von einem "unüblichen Vorgang" gesprochen, den er "nicht gemacht" hätte. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hätten sich die Verantwortlichen „nicht rechtskonform, man kann auch rechtswidrig an einigen Stellen sagen“, verhalten.

Im Kern geht es um diese Frage, ob die Gründung der Diese eG und deren reichhaltige Ausstattung mit öffentlichen Fördermitteln zum politisch erwünschten Erwerb von Miethäusern ein Fall rot-rot-grüner Patronage ist – oder es sich um ein Beispiel einer, dem Gemeinwohl verpflichteten, neuen Wohnungspolitik handelt, die von Vertretern der Opposition in Verruf gebracht werden soll.

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