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Berlin vor schwarz-rotem Senat: Was jetzt aus der autofreien Friedrichstraße wird
Mit einer schwarz-roten Koalition könnte sich die Haltung des Senats zur Fußgängerzone in der Friedrichstraße ändern. Doch noch sind wichtige Fragen zur Zukunft der Einkaufsmeile strittig.
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Mit dem Start der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD könnte auch Bewegung kommen in eines der meistdebattierten Themen der Berliner Politik in den vergangenen Monaten: die autofreie Friedrichstraße.
Während die scheidende Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) sich stets für eine Fußgängerzone in der Einkaufsstraße ausgesprochen hat – und diese noch kurz vor der Wahl erneut in provisorischer Form einführte –, ist die Haltung von CDU und SPD in dieser Frage deutlich kritischer.
„So, wie die Friedrichstraße jetzt ist, kann sie auf gar keinen Fall bleiben“, sagte CDU-Chef Kai Wegner im Interview mit dem Tagesspiegel. CDU und SPD sei es gemeinsam wichtig, die gesamte historische Mitte in den Blick zu nehmen und besser zu gestalten. „Einfach nur eine Straße für den Autoverkehr zu sperren, reicht nicht aus. Wir setzen auf einen Gestaltungsprozess mit den Anrainern und werden diesen schnell einsetzen, ganz einfach, weil der Status Quo nicht zu Berlin passt.“
Wie sich Wegner die Friedrichstraße vorstellt
Ähnlich hatte sich auch die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey in der Vergangenheit geäußert. Was bedeutet das für die Einkaufsstraße in Berlins Zentrum und eines der umstrittensten Verkehrsprojekte der vergangenen Jahre?
Wie sich Wegner die Friedrichstraße und die angrenzenden Straßenzüge vorstellt, beschrieb er bereits vor der Wiederholungswahl. Sein Konzept: den Gendarmenmarkt vergrößern. Dafür sollten statt der Friedrichstraße die Charlotten- und Markgrafenstraße auf ihren Abschnitten an dem historischen Platz zu Fußgängerzonen werden.

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Im Gegenzug dafür sollten durch die Friedrichstraße wieder Autos fahren. Die Glinkastraße würde nach diesem Plan zur Einbahnstraße, um dort Platz für den Fahrradverkehr zu schaffen.
Was aus dieser Idee wird, werden erst die Koalitionsverhandlungen zeigen. Dem Vernehmen nach scheint längst nicht klar zu sein, dass die Friedrichstraße wirklich wieder von Autos befahren werden kann. Darauf deuten auch Wegners vage Aussagen in der Frage hin.
Zugleich stellen sich auch einige rechtliche Fragen. Nachdem die Friedrichstraße zunächst im Rahmen eines Verkehrsversuchs gesperrt wurde, beruht die neuerliche Sperrung in diesem Jahr auf einer Entwidmung des Straßenabschnitts für den Autoverkehr. Zuständig für das Verfahren war der Bezirk Mitte. Dort trieb Verkehrsstadträtin Almut Neumann (Grüne) das Projekt voran.
Sollte ein schwarz-roter Senat die Fußgängerzone wieder aufheben wollen, ist mit Widerstand aus dem grün-geführten Bezirk zu rechnen. Ob der Senat den Autoverkehr im Zweifel im Alleingang anordnen kann, ist unter den Beteiligten strittig.
Händler wollen gegebenenfalls klagen
„Perspektiven für die mittelfristige Gestaltung unter Einbeziehung des Umfelds in der historischen Mitte Berlins sollen, wie bekannt, auf Landesebene entwickelt werden, in Abstimmung mit dem Bezirk“, erklärt Neumann auf Nachfrage. Von der Senatsverkehrsverwaltung gab es in dieser Frage zunächst keine Einschätzung.
Noch offen ist, ob die Entwidmung nicht ohnehin wieder aufgehoben werden muss. Das versucht zumindest weiterhin ein Aktionsbündnis von Gewerbetreibenden aus der Umgebung. „Wir haben vergangene Woche fristwahrend Widerspruch eingereicht“, sagte Anja Schröder, Weinhändlerin in der Charlottenstraße und Sprecherin des Aktionsbündnisses. Sollte der Bezirk diesen ablehnen, werde ihre Gruppe klagen.
Schröder hofft, dass mit der neuen Regierung ein Umdenken einsetzt. „Wir schauen den Entwicklungen in der Koalitionsbildung entgegen.“ Ihrem Bündnis gehe es nicht darum, einfach wieder den früheren Zustand herzustellen. Die Gegend müsse für die Zukunft neu geplant werden. „Aber die Straße drei bis fünf Jahre so zu belassen, geht nicht. Dann wird in der Friedrichstraße wenig überleben.“
Gegen die Idee, die Friedrichstraße wieder für Autos freizugeben, sprach sich Antje Kapek, verkehrspolitische Sprecherin der Grüne-Fraktion, aus. „Für die CDU geht es in der Friedrichstraße nur symbolisch darum, die grüne Verkehrspolitik in einem ganz prominenten Straßenabschnitt rückabzuwickeln. Aber auch Herr Wegner kommt nicht an der Erkenntnis vorbei, dass wir in der Innenstadt eine moderne Verkehrslenkung brauchen.“
Kapek mahnte, dass es in Mitte zu wenige Orte im öffentlichen Raum gebe, wo sich Menschen treffen könnten. „Ich hoffe für Kai Wegner, dass er nicht den Fehler begeht und nur ,Auto first’ denkt. Dann wird die ganze Innenstadt wieder zur Blechlawine.“ Die Verkehrsprobleme Berlins würden so nicht gelöst, sagte Kapek.
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