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Festival-Chef Dieter Kosslick auf der 65. Berlinale.

© Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

10 Jahre Kulinarisches Kino: Berlinale-Chef Kosslick ehrt Slow-Food-Pioniere

Zum 10. Jubiläum des Kulinarischen Kinos zeichnete Dieter Kosslick die Slow-Food-Vorkämpfer Carlo Petrini und Alice Waters aus. Seit 2006 sind sie Paten des Filmfestivals.

Wenn’s wirklich wichtig ist, muss der Chef selbst ran. So kamen die Gäste der Eröffnungsnacht der 10. Ausgabe des Kulinarischen Kinos in den seltenen Genuss, Dieter Kosslick als Laudator zu erleben. Um kurz vor Mitternacht zeichnete er im Spiegelzelt am Gropiusbau die Slow-Food-Vorkämpfer Carlo Petrini und Alice Waters mit der Berlinale Kamera aus. Beide haben die Philosophie des Kulinarischen Kinos von Beginn an entscheidend geprägt. In seinem von der Eröffnungsgala bekannten, besten Englisch erzählte der Laudator, „wie wir inzwischen gelernt haben, dass man das Terroir und die Produzenten kennenlernen sollte, um das Produkt zu schätzen“.

Da lag den Gästen der Geschmack des Hauptgangs „Essenz aus dem Garten“ noch auf der Zunge. Küchenstar Michael Hoffmann hatte Zwiebeln, wilde Kartoffeln, fermentierten Kohl und Rüben mit knusprigem Kartoffelsalat mit Meerrettich zu einer jahreszeitgerechten Hauptspeise kombiniert.

Alice Waters kochte eins Werner Herzogs Schuh

Amerikanerin Alice Waters, die französische Kulturwissenschaften studiert hat, war in ihrem Restaurant „Chez Panisse“ in Berkeley eine Pionierin der frischen Küche mit regionalen Produkten. Außerdem hat sie das pädagogische Programm „Edible Schoolyard“ erfunden. Dem Film war sie schon früh zugetan, bereitete in den 80ern die Schuhe von Werner Herzog in Entenfett zu. Währenddessen demonstrierte in Italien Carlo Petrini mit Spaghettitöpfen gegen eine McDonald’s Filiale an der Spanischen Treppe. Nachdem die beiden sich Ende der 80er Jahre begegnet sind, wuchs die Slow- Food-Gemeinde rasant. Seit 2006 sind sie Paten des Kulinarischen Kinos.

Das ging natürlich nicht ohne Drama ab, wie Kosslick unter dem Gelächter des Publikums ausführlich erzählte. Am Swimming-Pool in Los Angeles fragte er den amerikanischen Filmproduzenten Tom Luddy, wie man an Alice Waters herankäme. „Kein Problem, die ist meine Ex-Frau“, antwortete der, und zückte sofort das Handy. Seitdem werden im Gropiusbau Filme gezeigt, die schlechtes Essen und krankmachende Produktionsbedingungen verdammen und für bewussten, gesunden Genuss werben. Viele Filme waren nachhaltig aufrüttelnd, zum Beispiel „Food Inc.“. „Ich wundere mich immer noch, dass die Leute danach noch in Supermärkte gehen konnten“, sagte Kosslick, der am Ende seiner Rede sein Kuschelimage kurzfristig verließ und ungewohnt scharf wurde: „Die letzten beiden Jahrzehnte werden trotz aller Anstrengungen von grausamen Hungersnöten geprägt, durch endlose Lebensmittelskandale, hervorgerufen durch Verunreinigungen und Falschdeklarierungen, durch Spekulationen mit Nahrung und Land.“

Die Danksagung von Alice Waters geriet dann fast selbst zu einer Laudatio. Dass das größte Filmfestival der Welt, Verantwortung übernommen und das Thema Essen in dieser Ausführlichkeit gewürdigt hat, habe sie sehr berührt. Da sei etwas sehr Bedeutsames aufgebaut worden. Vor zehn Jahren habe man Essen noch als Spielerei betrachtet, sagte Carlo Petrini und in Richtung Laudator: „Sie könnten höher kommen, als Sie heute sind.“ Berater der EU, das wäre aus seiner Sicht das Richtige. Kosslick hat freilich auch seine bodenständigen Seiten. Das Kulinarische Kino hat sich nicht nur um das Bewusstsein für Essen verdient gemacht, es hat sich auch zu einem Publikumsfavoriten entwickelt. Tickets sind immer blitzschnell ausverkauft. Vergrößern lässt sich die Veranstaltung aber nicht.

Es dauerte bei so viel allgemeiner Rührung ein bisschen, bis Michael Hoffmann das Dessert servieren konnte, „Dänischer Brie, karamellisiertes Sonnenblumenbrot, geeiste Schafsmilch, Holunderbaiser & Zuckerrübenkraut“. Für so ein authentisches Berlinale-Erlebnis warteten die Gäste freilich gerne.

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