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„Es geht um die Zukunft Berlins“: Schlagabtausch im Abgeordnetenhaus zu Milliarden-Kürzungen
Berlin muss 2025 mit drei Milliarden Euro weniger auskommen, als geplant. Regierungschef Kai Wegner verteidigte das Vorgehen - Tausende demonstrierten dagegen.
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Die Milliardenkürzungen im Berliner Landesetat wurden am Donnerstag endgültig beschlossen. Das Abgeordnetenhaus hat dazu einen Nachtragshaushalt für 2025 verabschiedet, der im Vergleich zum bisherigen Etatplan der schwarz-roten Koalition Kürzungen im Umfang von drei Milliarden Euro vorsieht. Von 152 abgegebenen Stimmen entfielen 83 auf Ja und 69 auf Nein.
Zuvor erläuterte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) das Vorgehen in einer Regierungserklärung. „Es geht um die Zukunft Berlins“, erklärte Wegner zu Beginn seiner Rede. „Ja, wir haben schmerzhafte Entscheidungen in allen Bereichen treffen müssen. Es war nicht mein Wunsch, aber es ist meine Verantwortung. Wir würden auch sehr gern auf Einsparungen verzichten – wir würden auch sehr gern mehr Geld investieren. Doch die Zeiten haben sich geändert.“
Auszüge aus der Regierungserklärung von Kai Wegner
„Drei Milliarden Euro ist wahrlich eine große Summe. Und dennoch: Wir haben in Berlin immer noch einen Rekordhaushalt und geben rund 40 Milliarden Euro aus. 2019 lag das Volumen bei rund 30 Milliarden Euro. Danach sind die Ausgaben explodiert. Die Vorgängersenate haben nicht mehr gegengesteuert, es wurde zu viel Geld ausgegeben. Jetzt geht es darum, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Aus Verantwortung für die Berlinerinnen und Berliner, aus Verantwortung für nachfolgende Generationen.“
„Wir brauchen nicht länger Wunschträume der Grünen wie in den vergangenen Jahren. Wir brauchen Vernunft und Pragmatismus statt Ideologie und grüner Träume.“
„Wir wissen auch, dass wir noch viel zu tun haben. Es gab sicher schon einfachere Zeiten in Berlin. Die Herausforderungen sind groß und bleiben groß. Berlin ist die Stadt der Chancen. Lassen Sie uns diese Chancen gemeinsam nutzen.“
Auszüge aus der Reaktion der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Bettina Jarasch

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„Schwarz und Rot haben in inniger Harmonie diese Stadt ins Chaos gestürzt. Deshalb werden Sie sich auch gemeinsam dafür verantworten müssen.“
Zur Korrektur einzelner Kürzungen: „Sie schubsen Menschen und Projekte ins kalte Wasser und feiern sich dann dafür, einzelnen den Rettungsring hinzuwerfen.“
„Der Haushalt, den Sie heute beschließen wollen, ist nicht nur das Ergebnis dilettantischer Politik, sondern nicht umsetzbar. Statt Weihnachtsfrieden bescheren Sie den Berlinerinnen und Berlinern Unsicherheit und Existenzängste. Da können Sie noch so viel berlinern: Sie verstehen nicht, wie diese Stadt funktioniert. Ihre Politik ist schlecht für die Menschen, sie ist schlecht für Berlin.“
„Sie haben keinen Plan für Berlin, Herr Wegner. Auch nicht für die Autofahrer. Die Autofahrer stehen wegen der Rückabwicklung der Verkehrswende nur noch länger im Stau. Berlin braucht jetzt eine Regierung, die einen Plan hat. Ihre Politik ist das genaue Gegenteil.“
Auszüge aus der Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Dirk Stettner
„Wir haben gutes Regieren wieder eingeführt. Für das Beste für Berlin arbeiten wir seit anderthalb Jahren. Wir wollen eben nicht das Beste für unsere Partei oder das Beste für einzelne Klientelgruppen. Wir wollen das Beste für Berlin.“
„Trotz historisch einmaliger Konsolidierungsmaßnahmen gibt es keinen sozialen Kahlschlag in der Stadt.“
In Richtung Grüne sagte Stettner: „Ohne Sie und Ihren Finanzsenator Daniel Wesener hätten wir das Problem gar nicht, das wir heute lösen müssen.“
Aus der Rede der Linken-Fraktionsvorsitzenden Anne Helm
In Richtung des Regierenden Bürgermeisters sagte Anne Helm: „Sie behaupten, bei der Feuerwehr würde nicht gespart. Das stimmt doch gar nicht. Millionen werden herausgenommen aus dem Fuhrpark und auch beim Katastrophenschutz etliche Millionen.“
Auszüge aus der Rede des SPD-Fraktionsvorsitzenden Raed Saleh

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„Es gibt keinen Grund für Stolz und Schulterklopfen. Ja, wir haben es uns nicht leicht gemacht. Wir waren nicht leichtfertig. Wir haben tief, sorgfältig abgewogen und dann auch entschieden. Die Aufgabe war gewaltig, aber diese Koalition hat die Kraft besessen, die Aufgabe zu bewältigen.“
„Ich möchte, dass unsere Stadt für alle bezahlbar bleibt. Ich möchte nicht, dass Kinder ein Armutsrisiko darstellen. Ich möchte keine weitere Gentrifizierung in dieser Stadt.“
Aus der Rede der AfD-Fraktionsvorsitzenden Kristin Brinker
„Lieber Herr Wegner, Sie beschädigen elementare Stützen der Berliner Wirtschaft.“
Brinker warf Schwarz-Rot vor, „gravierende handwerkliche Fehler“ begangen zu haben und bezeichnete den Nachtragshaushalt für 2025 als „verfassungswidrig“.
Aus der Rede von Alexander King, fraktionslos, für das Bündnis Sahra Wagenknecht
„Die Kürzungen werden durchaus spürbare Auswirkungen haben. Von einer Stärkung der sozialen Stadt ist nicht wirklich etwas zu erkennen. Es trifft soziale Leistungen, etwa bei der Verdopplung des Preises für das Sozialticket.“

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Vor dem Abgeordnetenhaus protestierten zahlreiche Menschen gegen die umstrittenen Milliardenkürzungen im Berliner Landesetat. Im Mittelpunkt der Kundgebung standen geplante Einsparungen bei Hochschulen und in der Wissenschaft. Die Landesrektorenkonferenz, Gewerkschaften und andere Vertreter sehen dadurch die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Berlin gefährdet. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi kamen um die 3000 Menschen zu der Kundgebung.
Insgesamt muss die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege kommendes Jahr letzten Angaben aus der Koalition zufolge 309 Millionen Euro einsparen. Das sind acht Prozent ihres zunächst angedachten Budgets.
Verkehr und Klimaschutz besonders betroffen
Drei Milliarden Euro spart die Koalition ein im Haushalt 2025, der bisher sogenannte bereinigte Ausgaben von rund 40 Milliarden Euro umfasste. Laut einer in monatelangen Beratungen erarbeiteten Liste sind Tausende Haushaltstitel in praktisch allen Bereichen betroffen.
Überproportional hohe Einsparungen sind im Bereich Verkehr, Umwelt und Klimaschutz mit etwa 787 Millionen Euro geplant. Das sind immerhin 22 Prozent des bisher angedachten Budgets. Unter anderem wird das erst Mitte dieses Jahres eingeführte 29-Euro-Ticket für Busse und Bahnen abgeschafft, das 9-Euro-Sozialticket verteuert sich auf 19 Euro. Zwei neue Straßenbahnlinien werden ebenso gestrichen wie etwa Mittel für Radwege oder Brückenbau.
Kulturbranche macht schon länger gegen Kürzungen mobil
Bei der Kultur sollen 131 Millionen Euro wegfallen, rund 12 Prozent des eigentlich angedachten Budgets 2025. Theater, Museen und Opernhäuser, aber auch die freie Szene müssen teils erhebliche Einschnitte im Vergleich zur bisherigen Planung einstellen - auch wenn der gesamte Kulturetat mit etwa einer Milliarde Euro im Vergleich mit den Vorjahren noch immer ein vergleichsweise hohes Niveau hat. Der kostenlose Museumssonntag einmal pro Monat fällt weg.
Die Kulturbranche hatte zuletzt besonders laut gegen die Einsparungen protestiert. Vor diesem Hintergrund gab es Nachverhandlungen, in deren Ergebnis manche Kürzungen gerade für Bühnenhäuser etwa abgemildert wurden. An der gesamten Sparsumme im Kulturetat änderte sich aber nichts.
Auch mehr Einnahmen geplant
Etwas glimpflicher kommen laut jüngsten Angaben aus der Koalition etwa die Sozialverwaltung (minus 75 Millionen Euro oder rund 4 Prozent) und die Innenverwaltung (minus 153 Millionen Euro oder rund 5 Prozent) davon. Bei der Bildungsverwaltung, die ein besonders großes Budget hat, sollen etwa 370 Millionen Euro oder 6,5 Prozent gestrichen werden. Mehr Geld in den Haushalt spülen sollen unter anderem die Erhöhung Vergnügungssteuer, der Zweitwohnungssteuer und der Übernachtungssteuer (City Tax).
Regierungschef Wegner, CDU und SPD sehen zum Sparprogramm keine Alternativen. Der Landeshaushalt sei in den letzten Jahren - unter anderem im Zuge der Corona-Krise - stark aufgebläht worden, argumentieren sie. Nun müssten die Ausgaben wieder auf ein realistisches Maß reduziert und der Haushalt „in Ordnung gebracht werden“. Nur so bleibe die Stadt auch in Zukunft finanziell handlungsfähig.
Im Zuge der Einsparungen befürchten viele Empfänger staatlicher Gelder Einschnitte in ihrer Arbeit, darunter soziale Träger. Zuletzt gab es daher vielfach Proteste dagegen.
Ein großer Batzen von 100 Millionen Euro entfällt auf die zur Finanzierung der Einrichtungen über mehrere Jahre geschlossenen Hochschulverträge, die entsprechende nachverhandelt werden sollen. Die Landeskonferenz der Rektor*innen und Präsident*innen der Berliner Hochschulen (LKRP) und andere Vertreter sehen durch die Kürzungen die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Berlin gefährdet. (mit dpa)
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