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Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD).

© Monika Skolimowska/dpa

Update

Berliner AfD-Gutachten-Affäre: Innensenator sieht „enormen Schaden“ durch Geheimnisverrat im Verfassungsschutz

Die Berliner AfD hat ein Gutachten des Verfassungsschutzes zugespielt bekommen. Innensenator Geisel kündigt verschärfte Kontrolle des Dienstes an.

Von Frank Jansen

Alle sind empört über den Rechtsbruch, außer dem Profiteur. Das ist im Fall eines durchgestochenen Geheimpapiers des Berliner Verfassungsschutzes die AfD. „Ich kann so einen Beamten verstehen“, sagte Fraktionschef Georg Pazderski am Mittwoch im Abgeordnetenhaus in der Sitzung des Verfassungsschutzausschusses.

Aus Sicht von Pazderski hat sich ein Mitarbeiter des Nachrichtendienstes geweigert, einen Kurs gegen die AfD mitzumachen. Doch Pazderski zementierte mit dieser Ansicht die Isolation der Partei. Niemand im Ausschuss, auch nicht die verfassungsschutzkritischen Abgeordneten von Linkspartei und Grünen, äußerte Verständnis für den Zuträger der AfD.

Strafanzeige wegen Verdachts auf Geheimnisverrat

Im Januar wurde bekannt, dass der als Verschlusssache eingestufte Zwischenbericht zur Frage, ob der Verfassungsschutz die Berliner AfD zum Verdachtsfall erklären sollte, an die rechtspopulistische Partei gelangt war.

Der Vorfall habe dem Verfassungsschutz „enormen Schaden zugefügt“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) im Ausschuss. Dass aus einem Nachrichtdienst, der auf Geheimhaltung angewiesen sei, etwas durchgestochen werde, treffe die Behörde „im Kern“.

Doch die AfD solle sich nicht täuschen, betonte Geisel: „Wir werden alles daran setzen, den Täter zu identifizieren und der Strafverfolgung zuzuführen“. Der Senator hatte im Januar Anzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat gestellt.

In dem Zwischenbericht wurde die AfD trotz vieler Hinweise auf Hetze erstaunlich milde bewertet. Im „Zwischenfazit“ stand, es seien „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen der AfD Berlin ersichtlich, die eine Erhebung zum Verdachtsfall rechtfertigen können“.

Würde der Verfassungsschutz die Partei als Verdachtsfall einstufen, könnte er sie mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten, zum Beispiel über V-Leute.

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Die Diskussion ist brisant, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz wohl bald die Gesamtpartei AfD zum Verdachtsfall erklären wird. Der Berliner Nachrichtendienst müsste dann entscheiden, ob er sich anschließt und den Landesverband der Partei ebenso als Verdachtsfall bewertet.

Das vertrauliche Papier kam der AfD gelegen

Die Etikettierung wäre für die Berliner AfD ein harter Schlag. Die Partei würde offiziell als weitgehend rechtsextrem gebrandmarkt. So kam der Zwischenbericht der AfD gelegen, einen anonymen Beamten als ihren angeblichen Fürsprecher zu präsentieren. Die Behörde hat das Papier jedoch wegen methodischer Mängel abgelegt. Geisel sagte jetzt, bis heute sei weder ihm noch dem Staatssekretär der Zwischenbericht bekannt.

Im Verfassungsschutz sei der Leiter des Referats Rechtsextremismus aus Fürsorgegründen und mit dessen Einverständnis freigestellt worden, berichtete der Senator. Er vermied es, auch nur andeutungsweise den Beamten in den Verdacht zu bringen, er habe das Papier der AfD gegeben.

Der Referatsleiter wird sich allerdings einer erneuten Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen. Das gilt auch für alle Mitarbeiter, die mit dem Papier befasst waren. Die Sicherheitsüberprüfung in diesem speziellen Fall will Berlin an Verfassungsschützer aus anderen Bundesländern delegieren. Von dem Referatsleiter und den Mitarbeitern wurden zudem je zwei dienstliche Erklärungen eingefordert.

Geisel will auch das für die Polizei erarbeitete Konzept zur Vorbeugung extremistischer Tendenzen punktuell beim Verfassungsschutz anwenden.

Bei Führungskräften soll mit einer Fortbildung die „Früherkennung verfassungsfeindlicher Tendenzen“ in der eigenen Behörde gestärkt werden. Um im Verfassungsschutz Frustration durch hohe Arbeitsbelastung zu vermeiden, sollen Mitarbeiter häufiger intern rotieren.

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