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„Eine verpasste Chance für Clubs und Kultur“: Berliner Clubs werden nicht als Kulturstätten anerkannt
Ein neuer Gesetzentwurf verzichtet auf baurechtliche Maßnahmen gegen das Clubsterben. Das war fraktionsübergreifend gefordert worden.
Eine am Mittwoch im Bauausschuss vorgestellte Gesetzesnovelle des Bundeskabinetts bringt keine Änderungen des Baurechts zugunsten von Clubs. Caren Lay, stellvertretene Fraktionsvorsitzende der Linken, hatte sich zuvor als Mitglied des Parlamentarischen Clubforums für einen besseren baurechtlichen Schutz der Clubkultur gegen Verdrängung eingesetzt. "Es ist schade", sagt sie, "dass keine unserer Forderungen berücksichtigt wurde".
Gegen das Clubsterben sollten insbesondere drei Maßnahmen greifen: Die baurechtliche Anerkennung von Clubs als Kulturstätten anstelle von Vergnügungsstätten, die Ausweitung des Milieuschutzes auf kulturelle Einrichtungen - sogenannte Kulturschutzgebiete - und eine "Experimentierklausel Lärmschutz", die den einzelnen Bundesländern mehr Freiheiten in Bezug auf das Thema Lärmschutz bei Musik-Spielstätten gewährt hätte.
Eine Änderung der Baunutzungsverordnung, in der Clubs als „Anlagen für kulturelle und sportliche Zwecke“ neu eingeordnet werden, hätte außerdem zur Folge, dass Clubs nicht mehr nur regulär in Misch- und Kerngebieten eröffnen dürften, also Gebieten, in denen ohnehin Gewerbe angesiedelt ist.
Gemeinsam mit rund 100 weiteren Abgeordneten des Bundestages hatte Lay zuvor fraktionsübergreifend in einem Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer für diese Maßnahmen geworben.
Das Bundesinnenministerium teilt auf Anfrage des Tagesspiegel mit, dass "ein unmittelbarer Zusammenhang mit Forderungen aus der Clubszene" bei dem aktuellen "Gesetzentwurf zur Mobilisierung von Bauland" nicht bestanden hätte. Die geforderten Änderungen "könnten den Betrieb von Clubs in Wohngebieten ermöglichen. Das wäre mit Lärmschutzvorgaben voraussichtlich nicht vereinbar und könnte Nutzungskonflikte mit Anwohnern auslösen."
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Georg Kössler, clubpolitischer Sprecher der Berliner Grünen, sieht die Nicht-Berücksichtigung der Maßnahmen hingegen als "verpasste Chance für die Clubs und Kultur allgemein. Es zeigt, dass die Berliner CDU-Abgeordneten im Bund keinen ausreichenden Einfluss haben." Jetzt müsse man sich ein Jahr lang gedulden. Kössler hofft auf einen Koalitionsvertrag 2021, "in dem das Thema hoffentlich drin steht" und sagt: "Ich werde weiter dafür werben!"
"In Zeiten einer Clubkrise mit historischen Ausmaß muss zukunftsweisend gehandelt werden"
Musikclubs als Kultureinrichtungen einzustufen ist eines der zentralen Anliegen des Bundesverbandes der Musikspielstätten in Deutschland, LiveKomm, zu dem auch die Berliner Clubcommission zählt. Sprecher Thore Debor, teilt auf Anfrage des Tagesspiegel mit: „Die Bundespolitik fasst die Baugesetzgebung nicht jeden Monat an.
Mit der jetzigen Verabschiedung des Baulandmobilisierungsgesetzes besteht eine Chance, Änderungen herbeizuführen. In Zeiten der Corona-Pandemie und einer Clubkrise mit historischen Ausmaß muss jetzt unbedingt zukunftsweisend gehandelt werden."
Die stellvertretene Linken-Fraktionsvorsitzende Caren Lay ist "gespannt, ob die aktuelle Gesetzesnovelle im Bundestag durchgewunken wird". Sie rechnet damit, dass es im Frühjahr zu einer Abstimmung kommen wird. Dann könnte es - so hofft es auch die LiveKomm - theoretisch noch zu einer Änderung des Gesetzentwurfes kommen.
Clubs sind wichtiger Wirtschaftsfaktor für Berlin
Gerade für Berlin sind die Clubs wichtig - nicht nur, weil sie das Image der freien Metropole mit bestimmen. Sie sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Laut einer Studie der Clubcommission kamen 2018 drei Millionen „Club-Touristen“ nach Berlin. Damit sind Menschen gemeint, die in erster Linie des Nachtlebens wegen in die Stadt reisten.
Sie gaben im Schnitt 204 Euro pro Tag aus und standen, so die Studie, für einen Gesamtumsatz von 1,48 Milliarden Euro – in den Clubs, aber auch als Ausstrahlungseffekt in Hotels, Taxis oder Restaurants. Außerdem boten Berliner Clubs und Veranstalter 2018 insgesamt 9040 Menschen direkt Arbeit, etwa als Türsteher, Barkeeper oder Garderoben-Personal.
Marian Schuth