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Auf dieser Wiese an der Frankfurter Allee soll der "Common Space" entstehen. 

© Robert Klages

Exklusiv

Berliner Pilotprojekt: Obdachlose sollen in Tiny Houses neben Einkaufszentrum wohnen

Selbstverwaltet der Ausgrenzung „entfliehen“: Mit einem Pilotprojekt wollen der Senat und der Bezirk Lichtenberg Obdachlosen eine neue Chance geben.

Die Idee eines "Safe Places" für obdachlose Menschen gibt es schon lange in Berlin. Es mangelt, wie so oft, an den passenden Flächen. In diesem Fall für einen Ort, an dem eine Gruppe in Selbstverwaltung und unterstützt durch die Stadt leben kann. 

Die Rufe nach einem solchen Ort wurden nach der Räumung des Obdachlosenlagers an der Rummelsburger Bucht in Berlin-Lichtenberg lauter. Im Bezirk soll es bald ein Pilotprojekt geben. Nicht an der "Bucht", denn dort wird es nach der Bebauung durch Wohnungen und Gewerbe keinen Platz mehr geben für Obdachlose.

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg hatte im Anschluss an die Räumung einen Parkplatz am S-Bahnhof Lichtenberg als "Safe Place" vorgeschlagen – unter dem Vordach des Bahnhofs hatten Obdachlose eine Zeit lang ein Lager errichtet, bis dieses geräumt wurde. 

Doch auf dem Parkplatz hat die Senatsverwaltung nun eine Sharing-Station für E-Mobilität eingeweiht: E-Autos, Fahrräder und E-Roller können dort gemietet werden. Zwar wäre laut Lichtenbergs Stadtrat Martin Schäfer (CDU) noch Platz für einen "Safe Place", allerdings wird es immer enger vor Ort. Der Bezirk versucht, eine Fläche in der Nähe des Bahnhofs für einen "Safe Place" zu finden. 

Ein anderer möglicher Standort befindet sich an der Frankfurter Allee Ecke Gürtelstraße, gleich gegenüber des Ringcenters an der Bezirksgrenze zu Friedrichshain-Kreuzberg. Eine vermüllte Wiese an einer Bahntrasse, eine Art Park, in dem sich einige Obdachlose aufhalten und auch dort campieren. 

Schon im April soll das Modellprojekt losgehen

Viele Menschen, die zur Station Frankfurter Allee oder zum Ringcenter wollen, gehen über den kleinen Weg auf der Wiese, die der Stadt gehört. Von Seiten des Bezirks ist alles klar, lediglich das Abgeordnetenhaus muss noch über das Konzept beraten und Gelder freigeben. Noch ist nichts unterschrieben.

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Die Karuna Sozialgenossenschaft Berlin hat bereits ein Konzept für den Ort ausgearbeitet, das dem Tagesspiegel vorliegt. Es soll keine Ersatzfläche für das Lager an der Rummelsburger Bucht werden, sagt Jörg Richert von Karuna. 

Könnte bald an der Frankfurter Allee stehen: Ein Tiny House des Architekten Van bo le Menzel. 
Könnte bald an der Frankfurter Allee stehen: Ein Tiny House des Architekten Van bo le Menzel. 

© Kai-Uwe Heinrich

Der "Common Place" soll ein Modellprojekt der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales und des Bezirkes Lichtenberg werden. Schon im April soll es losgehen. Der belebte Standort scheint bewusst gewählt, denn die acht bis zehn Obdachlosen sollen am Stadtleben teilhaben und bei der Gestaltung des Freiraums mitarbeiten. 

Geplant ist, dass die Personen in Tiny Houses des Architekten Van Bo Le-Mentzel  leben, mit einem Repair Café und Gemeinschaftsgarten auf dem Gelände. 

Die Idee, die "Tiny Houses" des Architekten Van Bo Le-Mentzel für Obdachlose zu verwenden, gibt es schon lange. 
Die Idee, die "Tiny Houses" des Architekten Van Bo Le-Mentzel für Obdachlose zu verwenden, gibt es schon lange. 

© Robert Klages

"Was als Safe Places für Menschen ohne Obdach durch die Regierungskoalition Berlins verabredet wurde, soll als Common Places im Jahr 2021 seine Umsetzung finden", heißt es in dem Konzept. Die Gruppe soll sich aus Menschen zusammensetzen, die bisher "schutz- und obdachlos im öffentlichen Raum" gelebt haben.

Bewohner sollen die Fläche gemeinwohlorientiert gestalten können

"Common Places erfüllt Menschen am Rand der Gesellschaft den Wunsch nach Leben in der Stadt ohne eine eigene Miet- oder Eigentumswohnung", heißt es in dem Konzept von Karuna. Der Bezirk Lichtenberg orientiere sich an Erfahrungen und Handhabungen im Umgang mit Bauwagenplätzen.

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Den zukünftigen Bewohner*innen soll das Recht zugestanden werden, die Fläche gemeinwohlorientiert zu gestalten und selbst zu nutzen. Das verwahrloste Eckgrundstück soll aufgewertet und die Akzeptanz für obdachloses Leben in Berlin gesteigert werden. Es soll "Öffnungszeiten" geben, der Ort also nicht öffentlich zugänglich sein. Es soll aber auch öffentliche Orte geben: einen Gemeinwohl-Markt, ein Café, einen Garten, ein offenes Kunstatelier.  

Zelt eines Obdachlosen in einem Park in Berlin-Lichtenberg.
Das Zelt eines Obdachlosen in Lichtenberg.

© dpa

Alles soll rückbaubar sein, der Grund und Boden wird nicht versiegelt. Ein temporärer Ort also. Die Bewohner*innen des "Common Place" sollen eine ID bekommen, mit der sie sich ausweisen können. 

Im Mai 2021 sollen die Regeln für das Zusammenleben auf der Fläche erarbeitet werden und der Gemeinschaftsgarten angelegt. Noch ist unklar, wie es zum Beispiel mit dem Konsum von Alkohol und Drogen auf der Fläche aussieht und wie oder ob das Gelände von Sozialarbeiter*innen kontrolliert wird. 

In dem Konzept heißt es: "Die Gemeinschaft denkt und handelt als Teil des Wohnumfeldes und versucht so, seiner ungerechten Stigmatisierung und der sozialen Ausgrenzung als Obdachlose zu 'entfliehen' und als neue Nachbar*innen, individuell und als Gruppe Anerkennung zu finden." Es gehört zum Konzept der "Common Places", dass Regeln miteinander ausgehandelt werden.

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