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Viel Arbeit für die Staatsanwaltschaft. Seit Beginn der Pandemie hat die Berliner Anklagebehörde mehr als 11.000 Verfahren zu Verstößen bei Corona-Protesten und weiteren Straftaten eingeleitet.

© Florian Gaertner/imago images/photothek

Exklusiv

Angriffe auf Polizisten und Soforthilfe-Betrug: Berliner Staatsanwaltschaft hat 11.000 Verfahren zusätzlich in der Pandemie

Die Anklagebehörde wird mit einer großen Welle von Straftaten konfrontiert. Häufig geht es um Angriffe auf Polizisten und um Betrug bei der Corona-Soforthilfe.

Von Frank Jansen

Die Berliner Staatsanwaltschaft war schon vor der Pandemie stark belastet, seit zwei Jahren wird sie nun auch mit einer weiteren Welle an Straftaten konfrontiert. Vom 1. März 2020 bis zum Stichtag 27. Dezember 2021 hat die Behörde insgesamt 10.984 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Delikten rund um Corona eingeleitet. 

Die Palette reicht von Widerstand gegen die Polizei über Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz bis hin zu Betrügereien mit der staatlichen Corona-Soforthilfe. Hinzu kommen 369 Fälle bei der Amtsanwaltschaft, sie ist für die Verfolgung kleiner und mittlerer Taten zuständig. Die Zahlen teilte die Staatsanwaltschaft auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Details zu den Tatverdächtigen werden nicht genannt, doch gerade ist ein prominenter Fall Thema.

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Der Bundestag hob am Donnerstag die Immunität des AfD-Abgeordneten Karsten Hilse auf. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen eines Vorfalls vom 18. November 2020. Hilse war am Rande der großen Demonstration von Querdenkern nahe dem Reichstag mit der Polizei aneinandergeraten. 

Der Abgeordnete trug keinen Mund-Nasenschutz und schrie die ihn kontrollierenden Beamten an. Sie überwältigten Hilse und nahmen ihn mit. Nach der Aufhebung der Immunität ist nun der Weg zu einem Strafverfahren frei. Im Fall einer Verurteilung droht dem AfD-Mann vermutlich eine Geldstrafe. Eine Anfrage des Tagesspiegels zu dem Vorgang beantwortete er nicht.

Die Zahlen der Polizei sind noch höher

Mit dem Fall Hilse haben sich bei der Staatsanwaltschaft insgesamt 263 Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte angehäuft. In weiteren 168 Fällen geht es um tätliche Angriffe auf Polizisten. 

Die tatsächlichen Zahlen sind wahrscheinlich sogar noch höher. Bei der Polizei hat die "Ermittlungsgruppe Quer", die Straftaten bei Corona-Demonstrationen registriert, mehr als 800 Attacken auf Polizisten gezählt. Nicht alle Ermittlungen landen jedoch sofort bei der Staatsanwaltschaft.

Häufig war ein Verstoß von Querdenkern gegen das Infektionsschutzgesetz, vor allem gegen Maskenpflicht und Abstandsgebot, der Auslöser für Konflikte mit der Polizei. Die Verstöße gegen dieses Gesetz sind auch einer der größten Posten in der Bilanz der Staatsanwaltschaft. Bis Ende Dezember sammelten sich 2752 Verfahren an. In den meisten Fällen, insgesamt 2555, wurden Tatverdächtige ermittelt.

Gefälschte Impfausweise, rechtswidrige Atteste

Dazu passen Delikte, bei dem auch Ärzte aus dem Milieu der Coronaleugner eine Rolle spielen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 466 Fällen zum „Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ und in 184 zum „Ausstellen“ falscher Gesundheitszeugnisse. Oft handelt es sich um gefälschte Impfausweise oder rechtswidrige Atteste, die Querdenker von der Maskenpflicht befreien sollen.

Eine größere Dimension hat auch der Komplex der finanziellen Betrugsdelikte. Hier muss sich die Staatsanwaltschaft vor allem mit Tätern befassen, die unrechtmäßig staatliche Corona-Soforthilfen beantragten und das Geld oft auch bekommen haben. In der Bilanz werden 2649 Fälle von Subventionsbetrug genannt. 

Zu den Tatverdächtigen zählen auch Extremisten. So forderten Islamisten für angeblich notleidende Geschäfte Geld vom verhassten Staat der Ungläubigen, aber auch der Neonazi Sebastian T. hat mutmaßlich nicht nur bei Brandanschlägen mitgewirkt, sondern ebenfalls betrogen. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft T. vor, im April 2020 für seine inaktive Gartenbaufirma 5000 Euro Soforthilfe bei der Investitionsbank Berlin beantragt und von ihr entgegengenommen zu haben.

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