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38 Jahre günstig gewohnt in Berlin-Wannsee: Jetzt will das Land sein Wohnhaus verkaufen
Fast zwanzig Jahre hob das Land die Miete in einem landeseigenen Zweifamilienhaus nicht an, obwohl die Mieter von sich aus eine Erhöhung anboten. Nun soll das Haus wegen „Unwirtschaftlichkeit“ verkauft werden.
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Seit 38 Jahren wohne er im Stölpchenweg 41 im Ortsteil Wannsee, erzählt Ralf Möller. Als Mitarbeiter der Berliner Forsten bekam er eine der beiden Wohnungen in dem landeseigenen Haus, der Mietvertrag wurde später in einen Dauermietvertrag umgewandelt. „Ich dachte: Das ist eine Wohnung fürs Leben. Das Land Berlin kann mich ja nicht wegen Eigenbedarf kündigen.“ Nun hat er aber doch Angst, seinen Wohnraum zu verlieren: Die landeseigene Berliner Immobilien Management (BIM) will das Haus verkaufen.
Anfang Juni informierte die BIM die Mieter, dass am 1. Juli ein Verfahren starten solle, bei dem das Haus an den Meistbietenden veräußert wird. Auf der Website ist das Angebot für das Bieterverfahren noch nicht hochgeladen. Auf Anfrage antwortete die BIM, der Start des Verfahrens sei verschoben worden, man werde die Mieter über den neuen Termin informieren.
Als Grund für den geplanten Verkauf hatte die BIM den Mietern mitgeteilt, dass es nicht die Aufgabe der entsprechenden Vermögenseinheit sei, „ein zu Wohnzwecken vermietetes Zweifamilienhaus (...) mit nicht kostendeckenden Mieten (außerhalb des sozialen Wohnungsbaus) im Bestand zu halten“.
BIM lehnte Vorschläge zur Mieterhöhung ab
Tatsächlich zahlt das Ehepaar Möller, 65 und 67 Jahre alt, eine extrem niedrige Miete für ihre 106 Quadratmeter: nur 436,07 Euro kalt. Die Miete wurde seit 2005 nicht erhöht. „Die BIM hat auf unsere mehrfachen Angebote, die Miete zu erhöhen, einfach nicht geantwortet“, sagt Möller. Auf die Frage, warum die BIM auf die dem Tagesspiegel vorliegenden Erhöhungsvorschläge nicht eingegangen sei, antwortete die BIM nicht.
Wird das Haus tatsächlich verkauft, droht dem Ehepaar Möller eine Kündigung wegen Eigenbedarf. Denn obwohl der Berliner Mieterverein sich schon seit über zehn Jahren darum bemüht, eine Schutzklausel gegen Eigenbedarfs- oder Verwertungskündigungen in den Mietvertrag einzufügen, lehnt die BIM dies ab.
Hintergrund ist vermutlich, dass der Verkehrswert deutlich sinkt, wenn man Mietern aus einem bewohnten Haus auf absehbare Zeit nicht kündigen kann. „Das Land Berlin und BIM verhalten sich wie skrupellose Immobilienhaie, die mit Wohnraum Geld verdienen wollen“, meint Möller, „und das bei Leuten, die über Jahrzehnte für das Land gearbeitet haben.“ Nicht nur für die Forsten war er tätig, sondern auch für die BIM selbst: zwanzig Jahre, bis zu seinem Ruhestand im Oktober 2023.
Die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger ist empört, dass der Senat hier offenbar „auf Kosten der Mieterinnen und Mieter“ vom selbstgesetzten Prinzip „öffentlicher Boden bleibt in öffentlicher Hand“ abweichen will. Grund und Boden Berlins seien „ein Schatz, den man schützen muss, gerade wenn Boden- und Mietpreise durch die Decke schießen.“ Schwarz-Rot scheine hier nun einen Paradigmenwechsel einzuleiten.
Und auch Sebastian Bartels, Co-Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, findet es „schlimm, dass der Senat im Kleinen nicht das tut, was im Koalitionsvertrag auf ganz großer Linie vereinbart wurde: Mieterinnen und Mieter in Berlin bestmöglich vor Verdrängung zu schützen.“ Er halte „den Verweis der BIM auf den bekanntermaßen löchrigen Kündigungsschutz im Mietrecht für unbegreiflich, ja zynisch, und fordere den Finanzsenator auf, die von uns seit langem geforderte Mieterschutzklausel umzusetzen.“
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