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© imago/Schöning/IMAGO/Schoening

Ändert sich mit dem Bauturbo das Stadtbild?: Berlin will Bau von Wohnhochhäusern deutlich vereinfachen

Der Senat hat das Hochhausleitbild für Berlin überarbeitet. Vor allem eine Änderung könnte das Stadtbild drastisch verändern.

Stand:

Der Berliner Senat will den Bau von Wohnhochhäusern ab sofort deutlich vereinfachen. Das ist Teil der Überarbeitung des Hochhausleitbildes, das Thorsten Wilhelm, in der Immobilienszene auch als „Hüter des Hochhausleitbildes“ der Stadtentwicklungsverwaltung bekannt, am Montag im Rahmen des Baukollegiums vorstellte.

Bisher war die Maßgabe, dass Hochhäuser mit über 60 Metern Höhe immer mit einer Nutzungsmischung errichtet werden müssen. Künftig soll es für Wohnhochhäuser eine Ausnahme geben: Hochhäuser von über 60 Metern Höhe, die nach dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung auch einen verpflichtenden Anteil an Sozialwohnungen unterbringen, müssen keine weitere Nutzungsmischung erhalten.

Es ist auf Grundlage des Bauturbos durchaus vorstellbar, dass künftig ein Hochhaus, das dem Wohnen dient, gänzlich ohne Bebauungsplan errichtet werden könnte.

Thorsten Wilhelm, Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen

Darüber hinaus dürfte vor allem folgende Aussage brisant sein: „Es ist auf Grundlage des Bauturbos durchaus vorstellbar, dass künftig ein Hochhaus, das dem Wohnen dient, gänzlich ohne Bebauungsplan errichtet werden könnte“, sagte Wilhelm zum Ende seiner Präsentation.

Gänzlich ohne Bebauungsplan, das hieße dann auch: ohne Öffentlichkeitsbeteiligung und ohne Abgeordnetenhausbeschluss. Nach dem Bauturbo kann eine Kommune Baurecht ohne ein aufwendiges Bebauungsplanverfahren ermöglichen, wenn es um Projekte zur Schaffung von Wohnraum geht. Als baurechtgebende Kommune treten in Berlin klassischerweise die Bezirke auf. Der Senat hat in den vergangenen Monaten aber immer wieder Planungsverfahren an sich gezogen, mit der Argumentation, dass übergeordnete städtische Interessen betroffen seien.

Anwendung eher theoretischer Natur?

Dass nun flächendeckend Hochhäuser ohne Bebauungsplan geplant werden, ist zwar eher nicht zu erwarten. Am Rande des Baukollegiums hieß es von Verwaltungsmitarbeitenden, die Möglichkeit, den Bauturbo bei Hochhäusern anzuwenden, sei eher theoretischer Natur. Ohnehin sei man ja noch ganz am Anfang in der Anwendung des Bauturbos, der erst vor wenigen Wochen den Deutschen Bundestag passiert hat.

Ohnehin müssen auch bei Baurecht ohne Bebauungsplan im Rahmen des Bauturbos „öffentliche Belange unter Würdigung der nachbarlichen Interessen“ gewahrt werden. Darauf wies auch der Hochhausleitbild-Hüter Thorsten Wilhelm im Baukollegium hin, und ergänzte: „Wir sind der Auffassung, dass das Hochhausleitbild auch zu den öffentlichen Belangen gehört.“

Die Einhaltung des Hochhausleitbildes dürfte demnach zur Bedingung gemacht werden, um im Rahmen des Bauturbos zu Baurecht ohne einen Bebauungsplan zu kommen. Das sei besonders dann möglich, „wenn man der Auffassung ist, dass das im Sinne einer geordneten städtebaulichen Entwicklung notwendig ist“, so Wilhelm.

Weitere öffentliche Belange sind zum Beispiel Lärmschutz für die zu schaffenden Wohnungen oder die Abstandsflächen zu Nachbargebäuden. Diese Aspekte zu berücksichtigen wäre ebenfalls Bedingung dafür, dass Baurecht ohne Bebauungsplan geschaffen wird.

Anwendung in der Rudolfstraße?

Ein denkbarer Anwendungsfall wäre aber womöglich das geplante Hochhaus im Rudolfkiez an der Warschauer Brücke. Der Senat hatte dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Planungsrecht für das Areal entzogen, weil dieser dort Blockrandbebauung mit Gewerbe planen wollte, der Senat aber ein Hochhaus mit Wohnungen ermöglichen will.

Im Vorfeld der Entscheidung, dem Bezirk das Baurecht zu entziehen, hatte sich offenbar auch der ehemalige Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) im Sinne der Immobilienentwickler mit der Stadtentwicklungsverwaltung in Verbindung gesetzt. Es dürfte nicht das einzige Vorhaben sein, für das er in der letzten Zeit beim Senat vorstellig geworden ist.

Der Senat hatte inzwischen angekündigt, möglichst schnell Baurecht für das Hochhaus neben dem Amazon-Tower schaffen zu wollen, es gab bereits Gerüchte, dass dies noch vor der Abgeordnetenhauswahl geschehen solle. Nach aktuellem Stand könnte das Hochhaus in der Rudolfstraße mit 167 Metern höher werden als das Amazon-Hochhaus nebenan, obwohl das Baukollegium, dessen Stellungnahmen bei der Hochhausplanung eigentlich berücksichtigt werden soll, zunächst gesagt hatte, an diesem Standort maximal 80 oder 90 Meter für stadtverträglich zu halten.

Passenderweise wird in der Überarbeitung des Hochhausleitbildes auch noch die Einflussmöglichkeit des Baukollegiums eingeschränkt. Statt mehrmals im gesamten Planungsprozess soll es bei künftigen Hochhausvorhaben nur noch zu Beginn verpflichtend konsultiert werden.

Die Qualitätskontrolle am Ende der Realisierung kann künftig auch durch die Senatsbaudirektion oder die Jury, die die Architektur ausgewählt hat, erfolgen. Damit fällt auch die Öffentlichkeit der Diskussion weg, die bei einer Abnahme durch das Baukollegium gegeben gewesen wäre.

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