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Anmeldestart für Berliner Praktikumswoche: Wer braucht schon Sommerferien, wenn er Jobs testen kann?
Berlin macht Jugendlichen ab 15 Jahren, die nicht wissen, was sie nach der Schule machen wollen, ein Angebot: Sie können im Sommer Betriebe kennenlernen, jeden Tag einen neuen.
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Teller, Schalen oder Tassen. In der Dreherei der Königlichen Porzellan-Manufaktur (KPM) wird alles gefertigt, was sich drehend in eine gleichmäßige Form bringen lässt. Hier macht Paris Bardeleben seit dreieinhalb Jahren seine Ausbildung zum Industriekeramiker. „Am besten nicht tupfen, nur streichen“, erklärt der 25-Jährige einer hoch konzentrierten Manja Schreiner mit Pinsel in der Hand.
Die Geschäftsführerin der IHK Berlin starrt auf die Tasse und befolgt jeden Hinweis mit kurz angehaltenem Atem. Neben ihr am Arbeitstisch steht die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und beobachtet die filigrane Arbeit mit bangem Blick – bloß nichts kaputtmachen. „Sehen Sie, wie die Naht mit jedem Pinselstrich ganz leicht verschwindet?“, fragt Paris begeistert von seinem Handwerk. Fertig. Henkel an eine Tasse geklebt.
Jugendliche und Unternehmen werden auf Plattform „gematched“
Euphorie für Details oder einfach neue Einblicke abseits der Schulbank sind das Ziel der IHK-Initiative „Berliner Praktikumswoche“. Nachdem für das Format letztes Jahr erstmalig 240 Berliner Unternehmen ihre Türen öffneten und mehr als 1300 Praktikumstage anboten, geht die Aktion zur Berufsorientierung auch diesen Sommer wieder in eine neue Runde. Ab sofort können sich Jugendlichen ab 15 Jahren auf der Plattform anmelden und sich mit einem passenden Betrieb, ganz wie bei der digitalen Partnervermittlung, „matchen“ lassen.
Jedes Schnupperpraktikum dauert einen Tag. „Alle schulische Bildung nützt nichts, wenn die Jugendlichen nicht wissen, was sie damit anfangen sollen“, sagt Bildungssenatorin Günther-Wünsch. Für die Wochen im Sommer vom 7. Juli bis zum 5. September können Berliner Jugendliche ihre gewünschten Einsatztage und Berufsbilder angeben, Unternehmen stellen ihre Angebote und Termine ein. Die Praktika können dabei flexibel an die eigenen Sommerpläne angepasst werden. Auch Praktika vor Ferienbeginn sind möglich, für die Teilnahme an der Praktikumswoche werden dann sogar Schulbefreiungsbescheinigungen ausgestellt.

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Zum Anmeldestart und als zwei Frauen mit repräsentativen Bürojobs durften Initiatorin Schreiner und Schirmherrin Günther-Wünsch in den Produktionshallen der edlen Keramik von KPM mit anpacken – immer schön vorsichtig – und ließen sich von Azubis anleiten. Denn Berlins ältester Industriebetrieb wird auch dieses Jahr wieder sechs bis sieben Plätze für ein Tagespraktikum anbieten, bestätigte KPM-Geschäftsführerin Martina Hacker.
Mein Opa hatte eine KPM-Vase und sagte, ich sollte mich doch hier mal bewerben.
Niklas Goehle, Azubi bei KPM
Nach der Dreherei beim eifrigen Paris ging es zu Niklas Goehle in die Gießerei. „Mein Opa hatte eine KPM-Vase und sagte, ich sollte mich doch hier mal bewerben“, erzählt der 21-Jährige. Das ist fast drei Jahre her, mit seiner Ausbildung ist er also beinahe am Ende, und für danach habe er schon ein Übernahmeangebot von KPM.

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Am liebsten gießt er Figuren und macht die „Weißbearbeitungen“, klebt zum Beispiel kleine Knäufe auf Dosen, so wie gerade, als die Entourage an seinem Arbeitsplatz ankommt. Diesmal dürfen alle nur gucken. „Die schier unendliche Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten ist für viele Jugendlichen eine große Herausforderung. Praxisluft zu schnuppern, gehört deshalb zu den besten Wegen herauszufinden, welcher Beruf wirklich zu einem passt“, erklärt Manja Schreiner das Konzept der Praktikumswoche.
Vielleicht bleibt Niklas Goehle ja so lange wie Hardy Roßmeisel (63) bei KPM, der schon am Brennofen auf alle wartet. 46 Jahre ist er schon im Betrieb, mit der Rente lässt er sich aber noch zwei Jahre Zeit. Dutzende Vasen in Weißporzellan stehen bereit und müssen auf die „Schamotte“, das Regal für den Brennofen.
Gut ein Meter Weg gilt es sicher die Vase zu bewegen, von rechts nach links. „Immer schön den letzten Zentimeter auf den Regalboden über den kleinen Finger hinab streifen lassen“, erklärt Roßmeisel. Schnupper-Praktikantin Günther-Wünsch traut sich. Nach der fünften 490-Euro-Vase dann: Klong! Praktikumsbesuch (fast erfolgreich) beendet.
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