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Alte ausrangierte Heizkörper liegen nach einer Gebäude-Sanierung in einem Innenhof.

© picture alliance/dpa/Daniel Karmann

Berlin als Modellstadt für die Wärmewende: „Gebäudebesitzer brauchen einen Masterplan“

In einem Gastbeitrag fordert der Chef der Berliner Energieagentur neue Anstrengungen beim Energiesparen. Die Initiative für den Klima-Volksentscheid bezeichnet er als „gut gemeint“.

Ein Gastbeitrag von Michael Geißler

Der milde Verlauf des Winters hat die schlimmsten Befürchtungen in puncto Energiesicherheit zum Glück nicht eintreten lassen. Aktuell sinken die Energiepreise sogar wieder. Das ist gut, darf aber nicht dazu führen, die Ambitionen bei Einsparung und effizienter Nutzung von Energie zu vernachlässigen.

Für die Zukunft können wir nicht immer auf milde Winter hoffen. Gleichzeitig ist ein breiter Einsatz von Flüssiggas weder wirtschaftlich noch ökologisch ein langfristiger Lösungsansatz. Wir bleiben von Lieferungen aus dem Ausland abhängig, deren Preis äußerst volatil bleiben und in Krisenzeiten steigen dürfte. Ebenso unsicher ist es mit dem grünen Wasserstoff. Noch ist kaum vorherzusagen, wie viel davon zu welchem Preis zukünftig gerade für den Wärmesektor verfügbar sein wird. Neue Abhängigkeiten können entstehen.

Für die Wärmewende plant die Bundesregierung mit jährlich 500.000 elektrischen Wärmepumpen bis 2030. Das setzt einen stark beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien voraus und erfordert genügend Planungs- und Einbaukapazitäten nebst ausreichenden Stückzahlen der Hersteller. Beides so noch nicht vorhanden.

Das heißt, der Umbau unseres Energiesystems ist mit Unsicherheiten behaftet und benötigt noch Zeit, sehr viel Geld und nicht zuletzt eine große Zahl zusätzlicher Fachkräfte. Realitäten, an denen sich auch jede gutgemeinte klimapolitische Initiative für noch ambitioniertere Ziele und deren Erreichbarkeit wird messen lassen müssen.

Realitäten, an denen sich auch jede gutgemeinte klimapolitische Initiative für noch ambitioniertere Ziele und deren Erreichbarkeit wird messen lassen müssen.

Michael Geißler, seit 1997 Chef der Berliner Energieagentur

Denn der nächste Winter ist in Sicht und schon jetzt sind Vorkehrungen zu treffen, um nicht in eine neue Mangellage zu geraten. Hier sind Energieeinsparung und Energieeffizienz der Schlüssel zum Erfolg. Es hat sich gezeigt, dass Energiesparen funktioniert, nicht nur in der Industrie, sondern auch im Privaten: im letzten Jahr konnte der Gasverbrauch um 20 Prozent, der Gesamtenergieverbrauch um zehn Prozent reduziert werden. Und Berliner Unternehmen wie Haushalte sind dazu bereit, darüber hinaus Energie einzusparen und in Energieeffizienz zu investieren.

Schlüssel zur Klimaneutralität

Diesen Rückenwind gilt es jetzt konsequent zu nutzen. Gerade den Berliner Gebäudebestand, der für einen Großteil des Energieverbrauchs und damit auch der CO₂-Emissionen verantwortlich ist, gilt es in den Blick zu nehmen. Denn Energie, die nicht benötigt wird, muss auch nicht – im Zweifel teuer – erzeugt werden. Was es jetzt braucht, ist ein Masterplan Energiesparen, das heißt klare Fokussierung auf Umsetzung von Einsparmaßnahmen, massive Aufstockung gut laufender Förderprogramme und die gezielte Einbindung der vorhandenen Akteure.

Zur Energieeinsparung und Effizienzsteigerung von Gebäuden, die Energie vor allem für Heizung und Warmwasserbereitung benötigen, gibt es eine Vielzahl von Maßnahmen, wie: Überprüfung und Einstellung von Thermen, Isolierung von Heizungsrohren, Einbau von Thermostatventilen, digitaler Steuerung oder gar vollständiger Austausch von Heizanlagen. Zudem Dämmung von Keller- und Obergeschossdecke, Einbau neuer Fenster, Gebäudedämmung mit Einbau kontrollierter Lüftung.

Dämmplatten zur Fassadendämmung aus Styropor sind ein etablierter Weg, um den Heizenergieverbrauch eines Gebäudes zu senken.
Dämmplatten zur Fassadendämmung aus Styropor sind ein etablierter Weg, um den Heizenergieverbrauch eines Gebäudes zu senken.

© imago/Sven Simon/imago stock

Was zumeist fehlt, ist das „Gewusst wie“ sowie das „Gemacht von“. Über einen Masterplan würden deshalb zunächst Planungs- und Entscheidungshilfen verfügbar gemacht. Ein Beispiel: beim hydraulischen Abgleich wird das Zusammenspiel zwischen Heizung und Heizkörper überprüft und optimal aufeinander eingestellt. Das steigert die Effizienz um 15 Prozent, reduziert Verbrauch wie CO₂-Ausstoß, senkt unmittelbar Kosten. Für dessen Durchführung, die sinnvollerweise gleich mit der Erstellung eines Sanierungsfahrplanes für das gesamte Gebäude verknüpft wird, braucht es aber Fachleute, wie Energieberater und Planer, deren Kapazitäten knapp sind.

Wirtschaft braucht Rahmen

Mit dem Masterplan sollten alle Gebäudebesitzer adressiert, Sanierungswillige vorzugsweise nach Höhe des Einsparpotenzials und Dringlichkeit geclustert, Fördermöglichkeiten aufgezeigt und bei deren Beantragung unterstützt und anschließend in einem gesteuerten Matchmaking mit Planern wie Handwerkern zusammengebracht werden.

So würde ein verlässlicher Handlungsrahmen geschaffen, der einerseits Gebäudeeigentümern eigene Investitionen ermöglicht und andererseits Planern, Herstellern und Handwerkern zu einer Projekt-Pipeline verhilft, auf die sie ihre Kapazitäten ausrichten können.

Die anstehenden Bundesvorgaben zur Dekarbonisierung der Gebäudeheizung verbunden mit hoher Förderung von elektrischen Wärmepumpen sind bei aktuell noch rund 450.000 fossilen Heizungsanlagen in Berlin eine große Herausforderung und bieten erhebliche Chancen für die Berliner Wirtschaft.

Last not least könnten die über einen solchen Masterplan erzielten Erkenntnisse zu Gebäuden und Energiebedarfen genutzt werden, um bei der gesamtstädtischen Wärmeplanung zukünftige Anforderungen für Strom-, Wärme- und Gasnetze zu definieren, somit Planungs- und Investitionssicherheit zu schaffen.

Modellstadt Wärmewende

Mit diesem Masterplan Energiesparen unerlässlich einhergehen muss eine massive Aufstockung der Landesförderung. Das bei der IBB angesiedelte Programm „Effiziente GebäudePLUS“ zeigt beispielsweise erfolgreich, wie Anreize schnell zu Einsparinvestitionen führen. Bei ausgeschöpften Förderlinien braucht es hier dringend eine verlässliche Verstetigung. So wird die energetische Gebäudesanierung zum Erfolgsgarant für Klimaneutralität, und deren soziale Verträglichkeit in der Mieterstadt Berlin ermöglicht.

An die jüngst im Landesauftrag eingerichtete Beratungsstelle BAUinfo Berlin könnte zudem direkt angedockt werden. Wohnungswirtschaft, Handwerk, Planer und Verbraucher sind hier bereits eingebunden, ein schneller Start damit möglich.

Ein Berliner Masterplan Energiesparen, der als konzertierte Aktion von Politik und Wirtschaft klar auf Umsetzung der Klimaschutzziele konzipiert ist, macht Berlin zur Modellstadt für die Wärmewende. Gleichzeitig wird einer drohenden neuen Energiekrise entgegengewirkt. Und daran sollte uns allen gelegen sein.

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