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In den Kliniken wird im Streikfall um Notdienstvereinbarungen gestritten.

© Gestaltung: Tagesspiegel | Adobe Stock, imago images, dpa

Notdienst-Debatte in Charité und Vivantes: Welche Patienten in Berlins Kliniken trotz Streiks versorgt werden

Im Arbeitskampf in Krankenhäusern sind Notdienstvereinbarungen üblich. Doch Klinikleiter und Verdi streiten darüber – was bedeutet das für die Patienten?

In Berlins landeseigenen Kliniken streiken bald Pflegekräfte – und gestritten wird nicht nur über das geforderte Lohnplus, sondern auch darüber, wie viele Patienten dann noch versorgt werden. Welche Fälle sind medizinisch gesehen also nicht verschiebbar?

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) plant an der Charité, in den Vivantes-Kliniken sowie im Jüdischen Krankenhaus für den 6. und 7. März Arbeitsniederlegungen. Auf eine der üblichen Notdienstvereinbarungen einigten sich Verdi-Vertreter und Klinik-Leiter nicht.

Die Krankenhaus-Leiter stufen möglichst viele Patienten als zeitkritische, nicht zu verschiebende Fälle ein. Die Verdi-Verhandler fürchten um die Wirksamkeit des Streiks und wollen Stationen sperren lassen.

Eindeutig ist die Lage nach schweren Unfällen, Vergiftungen, Infarkten: Solche Patienten werden in den Rettungsstellen auch während eines Streiks umgehend versorgt. Strittig sind Behandlungen, die schon länger laufen.

Notfall-Versorgung und Behandlung nicht-verschiebbarer Tumor-Operationen werden gewährleistet

Gisela Neunhöffer, zuständige Verdi-Verhandlerin

Dem Tagesspiegel sagten Mediziner verschiedener Disziplinen, dass bis zu zwei Drittel der üblichen Termine ohne Schaden für die Patienten um mehrere Tage, zuweilen Wochen verschoben werden könnten. Das ist ein Durchschnittswert, der nicht für alle Stationen und Zeiten gilt.

Auch das Gesundheitspersonal habe Streikrecht, sagte Verdi-Klinikexpertin Gisela Neunhöffer, im Sinne der Patienten sollten alle verschiebbaren Behandlungen abgesagt werden: „Die Notfall-Versorgung und Behandlung nicht-verschiebbarer Tumor-Operationen wird selbstverständlich an allen Tagen gewährleistet.“ Zudem teile man den Verantwortlichen mehrere Tage zuvor explizit mit, auf welchen Stationen die Streikbereitschaft besonders hoch sei.

Inakzeptabel sei, sagte Neunhöffer, dass einzelne Vivantes-Leiter eine Notbesetzung forderten, die teilweise umfangreicher sei als der Normalbetrieb. Aus der Charité wiederum höre man, dass OP-Pflegekräfte gefragt worden seien, am Feiertag 8. März einzuspringen – es scheine so, als versuchten einzelne Chefärzte, dadurch die Erlösverluste des Streiks auszugleichen. Kliniken werden von den Krankenkassen pro Behandlung bezahlt.

Gericht bestätigte Streikrecht, besteht aber auf Notdienste

Streiks sind gesetzlich geschützt, wenn sie verhältnismäßig und von einer Ge­werk­schaft organisiert worden sind. In Kran­ken­häusern könnte ein Vollstreik le­bens­gefährliche Folgen haben. Deshalb sind Not­dienst­ver­ein­ba­rungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften üblich. Einigen sich beide nicht auf Art und Umfang der Notdienste, darf trotz­dem gestreikt werden, beschloss etwa das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg 2021, die Ge­werk­schaft muss dann einseitig einen Not­dienst sicherstellen.

5000
Patienten kommen täglich in die Vivantes-Kliniken

Streikrecht und Patientensicherheit – beides habe man schon früher ohne formale Notdienstvereinbarung berücksichtigt, sagt ein Charité-Sprecher. Der Vorstand der Universitätsklinik respektierte das Streikrecht, den Patienten habe man neue Termine angeboten. Notfälle, zeitkritische Tumoreingriffe, Transplantationen, Kinder-OPs sowie die Versorgung nach Schlaganfällen und Herzinfarkten führe man aber trotz Ausstands durch.

In die Vivantes-Krankenhäuser kämen an einem üblichen Arbeitstag 5.000 Patienten, sagte ein Konzernsprecher: „Sie kommen zu uns, weil sie krank sind, Schmerzen haben und Hilfe brauchen, und das nicht nur in akuten Notfällen.“ Ganze Stationen zu schließen, sei deshalb unverantwortlich – auch wenn Vivantes das Streikrecht respektiere. Man sei „jederzeit“ bereit, über eine Notdienstvereinbarung zu sprechen.

Schon im September 2021, als Verdi für einen „Entlastungstarifvertrag“ streikte, wurde um die Notdienste gestritten. Der Vivantes-Vorstand bat den Chef der Ärztekammer Berlin um Hilfe: Peter Bobbert sollte strittige Fälle einschätzen.

Die Streikenden forderten 2021 einen verbindlichen Schlüssel für mehr Pflegepersonal in den Vivantes-Kliniken und an der Charité. Dieser Entlastungstarifvertrag wurde inzwischen bundesweit zum Vorbild. In der aktuellen Tarifrunde im öffentlichen Dienst geht es um 10,5 Prozent mehr Gehalt.

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