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Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) tauft im Beisein von Lufthansa-Chef Carsten Spohr (l) den Lufthansa „Dreamliner“ (Boeing 787-9) auf den Namen ·Berlin· mit einer Berliner Weiße mit Schuss.

© dpa/Jens Kalaene

„Ein Underperformer“ : Die Nutzung des Flughafens Berlin-Brandenburg stagniert

Dem Hautstadtflughafen fehlt es an Interkontinental-Routen – hohe Gebühren schrecken Billig-Airlines ab. Die Auslastung bleibt geringer als vor der Pandemie.

Franziska Giffey strahlte mit der Sonne. Die Regierende Bürgermeisterin hat am Montag am BER den ersten Boeing 787 „Dreamliner“ der Lufthansa auf den Namen „Berlin“ getauft. Zuletzt hatte einer der riesigen A380 von Airbus diesen Namen in der Lufthansa-Flotte getragen. Doch die Vierstrahler wurden in der Corona-Krise ausgemustert, zu hoch war der Spritverbrauch, zu schwierig ist es, die rund 500 Sitzplätze zu füllen.

Der Dreamliner kam einige Jahre später auf den Markt als der Airbus-Jumbo und folgt einem anderen Konzept. Modernste Triebwerke senken den Spritverbrauch, die Zahl der Sitzplätze beträgt 250 bis 300. Statt an den großen Hubs mit Zubringerflügen gefüllt zu werden, sollte der Dreamliner mehr Punkt-zu-Punkt-Langstreckenverbindungen zwischen mittelgroßen Flughäfen für die Airlines rentabel machen. Das ist Boeings Vision.

Die 787 wäre damit eigentlich das perfekte Flugzeug für die Langstrecken-Ambitionen am BER. Das deutete auch SPD-Politikerin Giffey an. „Die Lufthansa Group verbindet heute Berlin mit der Welt. Für unsere wirtschaftliche Entwicklung sind Langstreckenflüge vom und zum BER von sehr großer Bedeutung“, sagte sie, wohlwissend, dass Lufthansa sich weiter weigert, Interkontinentalflüge aus Berlin anzubieten. Auch die „Berlin“ soll ihren Langstrecken-Liniendienst ab Dezember aufnehmen - auf der Strecke zwischen Frankfurt und Newark (New York).

Franziska Giffey (SPD) und Lufthansa-Chef Carsten Spohr mit einem Modell des auf den Namen „Berlin“ getauften Dreamliners (Boeing 787-9).
Franziska Giffey (SPD) und Lufthansa-Chef Carsten Spohr mit einem Modell des auf den Namen „Berlin“ getauften Dreamliners (Boeing 787-9).

© dpa / Jens Kalaene

Während die erhofften Interkontinental-Flüge in nennenswerter Anzahl am BER weiter auf sich warten lassen, ist auch das Brot-und-Butter-Geschäft des Flughafens, der Europa-Verkehr, unter Druck geraten. Bei den Passagierzahlen und den Flugbewegungen hinkt die Erholung von der Corona-Pandemie am BER anderen Flughäfen in Deutschland und Europa hinterher.

Das Flugaufkommen hat nach dem Totaleinbruch mit der Pandemie inzwischen knapp 50 Prozent des Vorkrisennivaus von 2019 erreicht, wo 35,6 Millionen Menschen von und nach Berlin geflogen waren. „Beim Berliner Tourismus sind wir 20 Prozent unter 2019. Der Flughafen ist also ein Underperformer“, sagte Berlins Tourismus-Chef Burkhard Kieker dem Tagesspiegel.

Tourismus-Profis sehen strukturelle Probleme

Alle Verantwortlichen müssten nach seinen Worten das strukturelle Problem in Angriff nehmen, dass der BER traditionell einen Anteil von 70 Prozent Low-Cost-Verkehr habe, „aber das Preisniveau eines Interkontinentalflughafens“. Die hohen Gebühren am BER und generell hohen Standortkosten in Deutschland führen die beiden größten europäischen Billigfluggesellschaften, Ryanair und Easyjet, dann auch als Grund an, am BER nicht mehr so aktiv zu sein wie vor der Pandemie.

Ihr Wachstum findet anderswo statt. Dabei kommt ihnen die politische und wirtschaftliche Lage eigentlich entgegen: „Niemand will eine Rezession, aber im Wettbewerb der Airlines ist das Low-Cost-Modell für Kunden, die stärker auf ihre Ausgaben achten, natürlich attraktiv“, erklärte Ryanair-Chef Michael O’Leary in der vergangenen Woche in Berlin.

Michael O’Leary, Chef der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair, vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Berlin.
Michael O’Leary, Chef der irischen Billigfluggesellschaft Ryanair, vergangene Woche bei einer Pressekonferenz in Berlin.

© REUTERS / ANNEGRET HILSE

Der nie um einen offenen Spruch verlegene Manager der größten europäischen Fluggesellschaft nutzte seinen Besuch in der Hauptstadt, um seinem Ärger über die hiesige Luftfahrtpolitik Ausdruck zu verleihen. Während man europaweit die Erholung von Tourismus und Luftfahrt ankurbele, „bleibt uns keine andere Wahl, als unsere Winterflugplan-Kapazitäten an teuren Flughäfen wie Berlin und Frankfurt am Main stark zu reduzieren.“ Die würden weiter überhöhte Flughafenentgelte erheben, obwohl „ihr Verkehr einbricht.“

230
Flüge pro Woche weniger im Vergleich zu 2019 bietet Ryanair ab Berlin an.

Die Basis in Frankfurt hat Ryanair bereits im März ganz geschlossen, für Berlin soll es bei den derzeit stationierten sieben Flugzeugen bleiben. Ein deutlicher Rückgang gegenüber 2019. Man biete nun 19 weniger Strecken und 230 weniger wöchentliche Flüge von/nach Berlin an als vor der Corona-Krise, ein Rückgang um 40 Prozent.

Die irische Fluggesellschaft kann nicht nachvollziehen, dass sich die Kosten an größeren deutschen Flughäfen für die Airlines während der Corona-Krise erhöht hätten, obwohl das Verkehrsaufkommen stark zurückgegangen sei.

O’Leary wäre nicht O’Leary, würde er hinter diesem Zusammenhang nicht System vermuten. Schließlich würde die allgemeine Hochpreisigkeit im deutschen Luftverkehr, auch durch die erhobenen Abgaben wie die Ticketsteuer, vor allem einem helfen: Dem „nationalen Champion und Subventionsjunkie Lufthansa.“

Die deutsche Regierung habe „neun Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen in den Konzern gepumpt.“ Durch das Vorgehen schade man dem Aufschwung des Luftverkehrs und dem Tourismus insgesamt durch „weniger Wettbewerb, weniger Auswahl und viel höhere Ticketpreise.“ Die Berliner Region sei ein Paradebeispiel.

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) rechnet für das dritte Quartal mit einem Sitzplatzangebot ab Deutschland von 77 Prozent des Vorkrisenniveaus. Die Analysten des „Centers for Aviation“ (CAPA) gehen für das dritte Quartal für ganz Europa hingegen von einem Angebot von 87 Prozent von 2019 aus.

Dieser im weltweiten Vergleich aus Sicht der Wirtschaft starke Wert gehe vor allem auf das zügige Wachstum der Low-Cost-Airlines zurück, analysiert Capa. Sie hätten ihren Marktanteil während und nach der Corona-Krise „strukturell erhöht“.

Ryanair-Flieger - hier am Standort Weeze nahe der niederländischen Grenze.
Ryanair-Flieger - hier am Standort Weeze nahe der niederländischen Grenze.

© REUTERS / WOLFGANG RATTAY

Doch nicht so in Berlin. „Die Leute wollen reisen und es gibt nach den Corona-Jahren auch genug Ersparnisse dafür“, kommentiert O’Leary den europaweiten Zuwachs. Wenn dem so sei, könne Ryanair die höheren Kosten in Deutschland doch einfach an die Passagiere weiterreichen und die Tickets verteuern, so die Entgegnung.

Ein Unding für den umtriebigen Iren: „Wir sind eine Niedrigpreis-Airline!“ Trotz des reduzierten Flugplans biete man in Berlin weiterhin die günstigsten Tickets in diesem Winter an, mit „Städtereisen ab nur 24,99 Euro“.

Ein Preis, der in Deutschland für Schnappatmung sorgt, sowohl bei Klimaschützern wie auch den Vertretern der deutschen Airlines. Fliegen müsse teurer werden, sind sie sich einig. Nicht nur um steigenden Kosten zu begegnen und den Airlines nach trüben Jahren stabile Finanzen zu bescheren, sondern auch, um Anreize für Verzicht zu schaffen, respektive die angepeilte Transformation der Branche hin zur Klimaneutralität zu finanzieren.

Für O’Leary ist das der falsche Ansatz. Ryanair ist traditionell stolz drauf, das Fliegen durch Niedrigpreise „demokratisiert“ zu haben. Das Preisniveau durch überhöhte Gebühren und Abgaben, wie es in Deutschland geschehe, künstlich zu erhöhen, schade dem Wettbewerb und damit allen. Es entstehe unnötiger volkswirtschaftlicher Schaden durch die teuren Tickets in ökonomisch ohnehin schon schwierigen Zeiten.

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