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Einzige Einrichtung dieser Art in Deutschland: Jüdisches Krankenhaus Berlin meldet vorläufiges Insolvenzverfahren an
Finanzielle Probleme, fehlende Investitionsmittel und ein Wasserschaden im 60-Millionen-Euro-Neubau waren zu viel: Das Jüdische Krankenhaus hat ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren eingeleitet.
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Das Jüdische Krankenhaus Berlin ist insolvent. Das teilte das einzige jüdische Klinikum Deutschlands am Freitag seinen Beschäftigten mit. In einer Mitteilung heißt es, die Klinik versuche sich mit einem vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren „zukunftsfähig aufzustellen“. Mit einem solchen Verfahren können sich Betriebe ohne einen Insolvenzverwalter sanieren.
„Wir stehen wie viele Krankenhäuser in Berlin und im gesamten Bundesgebiet vor großen Herausforderungen: Die strukturellen Veränderungen im Zuge der Krankenhausreform treffen auf eine insgesamt angespannte wirtschaftliche Lage, aus der wir uns nur mit rechtlichen Werkzeugen und Unterstützung von außen lösen können“, sagte Klinikchefin Brit Ismer und kritisierte, dass das Land dem Klinikum noch Zuschüsse für Gebäude und IT-Systeme schuldig sei. Auch ein Wasserschaden im Neubau belaste den Haushalt.
Der Patientenbetrieb und die Notfallversorgung würden während des Insolvenzverfahrens „uneingeschränkt“ fortgeführt. Die Löhne der Mitarbeitenden seien „rechtlich gesichert“. Nicht von dem Verfahren betroffen sei das Medizinische Versorgungszentrum, in dem Haus- und Fachärzt:innen arbeiten. Eine Servicegesellschaft hingegen werde sich in einigen Tagen dem Verfahren anschließen.
Das Klinikum wird bei der Restrukturierung von der Steuerberaterin Dorit Aurich und dem Anwalt Lars Knipper unterstützt.
Verkaufsgespräche laufen weiter
In den vergangenen Monaten hatte die Spitze des Krankenhauses unter anderem mit der landeseigenen Klinikkette Vivantes über eine mögliche Übernahme gesprochen. Ziel sei es, „einen Träger zu finden, der die medizinische Qualität, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten sowie die gemeinnützige Ausrichtung, die jüdische Tradition und Identität des Hauses langfristig sichert“.
Die Suche nach Investor:innen laufe im Rahmen des Eigenverwaltungsverfahrens weiter. Tobias Schulze, Fraktionsvorsitzender der Linken im Abgeordnetenhaus, forderte den Senat auf, den Prozess zu unterstützen. „Ein Verkauf an einen privaten Träger wäre vermutlich mit einer teilweisen oder vollständigen Abwicklung verbunden (...). Das Insolvenzverfahren verschafft jedoch Luft, den Betrieb aufrecht zu erhalten und die Verbindung zu einem starken kommunalen Partner, etwa der Charité, aufzubauen.“
Die Charité ist Berlins Universitätsklinikum und könnte mit der 2021 erfolgten Fusion mit dem Deutschen Herzzentrum eine Blaupause für eine Übernahme des Hauses liefern. Diese Idee ist offenbar zuletzt in verschiedenen Senatsverwaltungen gereift.
Das Jüdische Krankenhaus wurde 1756 in der Oranienburger Straße gegründet und befindet sich inzwischen in der Heinz-Galinski-Straße in Wedding. Dort hatte das Klinikum während der Nazizeit als Zwischenstation für die Judendeportationen gedient. Bis zur Niederlage Deutschlands sollen sich zwischen 800 und 1000 Menschen innerhalb der Mauern versteckt gehalten haben.
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