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In der aktuellen Grundsteuerreform steckt allerhand Zündstoff. Das dürfte sich bald auch in Verfahren vor Gerichten widerspiegeln. 

© imago images / Schöning

Grundsteuererklärung: Arbeit vom Amt auf die Bürger verlagert

Haus- und Wohnungseigentümer müssen ihre Formulare bis Ende Januar ausfüllen. 

Noch bis Ende Januar 2023 haben Grundstücks- und Wohnungseigentümer Zeit, ihre Grundsteuererklärung abzugeben. Von Anfang 2025 an soll dann der neue Steuerbetrag erhoben werden. Für manche Eigentümer könnte das mit bösen Überraschungen verbunden sein. Der Verband Deutscher Grundstücksnutzer e.V. (VDGN) warnt vor teils drastischen Kostensteigerungen.

Das Land Berlin hat sich nach Angaben der Senatsfinanzverwaltung der Mehrzahl der Bundesländer angeschlossen, die das sogenannte Bundesmodell umsetzen. Die Grundsteuer werde künftig anhand von Angaben wie dem Baujahr und dem Bodenrichtwert ermittelt, die den tatsächlichen Wert des Grundbesitzes widerspiegelten.

Grund zur Sorge bereiten einige bereits von den Finanzbehörden ausgefertigte Grundsteuerwertbescheide. VDGN-Sprecher Frank Hufnagel benennt einige Fälle, in denen es nach der bisherigen Datenlage zu einer Vervierfachung der Steuer kommen würde. Dies beträfe vor allem die Siedlungsgebiete für Einfamilienhäuser am östlichen Berliner Stadtrand.

Es ist eine Verlagerung von Arbeit der Finanzverwaltung auf die Bürger 

Sybille Barent, Syndikusanwältin bei Haus & Grund Deutschland

So würde die jährliche Grundsteuer für einen Einfamilienhausbesitzer in Mahlsdorf mit einer Wohnfläche von 124 Quadratmetern sowie einer Grundstücksfläche von 475 Quadratmetern bei einem unveränderten Hebesatz von jetzt jährlich 240 auf fast 1000 Euro steigen. Sollte der Hebesatz von 810 auf 600 Prozent gesenkt werden, müssten 740 Euro bezahlt werden. Das wäre in etwa eine Verdreifachung. Die neuen Hebesätze für die Ermittlung der Grundsteuer werden von den Kommunen erst 2024 festgelegt.

Der VDGN benennt ein weiteres Beispiel für Kaulsdorf. Dort könnte bei einem Einfamilienhaus mit einer Grundstücksfläche von 480 Quadratmetern und einer Wohnfläche von 130 Quadratmetern die jährliche Grundsteuer bei unverändertem Hebesatz von 290 auf fast 1100 Euro steigen. Noch krasser könnte sich die Situation bei Wochenendgrundstücken darstellen. Bei einer 1500 Quadratmeter großen Parzelle in Falkensee würde sich die Grundsteuer ab 2025 von jährlich 90 auf 820 Euro verteuern.

Grundsteuerwert und Höhe der Grundsteuer sind zweierlei

Nach Angaben eines Sprechers der Finanzverwaltung lassen sich aus dem Grundsteuerwert aber keine unmittelbaren Rückschlüsse auf die Höhe der Grundsteuer ziehen. Die jetzt mitgeteilten Grundsteuerwerte seien wegen des geänderten Verfahrens höher als die bisherigen vom Verfassungsgericht monierten Einheitswerte.

„Dafür sind die gesetzlich festgelegten Messwerte aber deutlich niedriger“, sagte der Sprecher weiter. „Die bisherigen Messzahlen betragen 2,6 bis zehn Promille, die neuen werden zwischen 0,31 und 0,34 Promille liegen.“ Die Grundsteuer errechnet sich nach Angaben der Finanzverwaltung durch Multiplikation von Grundsteuerwert, Messzahlen und Hebesatz.

„Wir rechnen mit einer neuerlichen Dynamisierung im Januar zum Ende des Abgabezeitraums“, sagte der Sprecher weiter. „Wir merken aber auch, dass die Fragen der Privateigentümer weniger werden. Dagegen haben uns bislang nur relativ wenige Erklärungen von Steuerberatern erreicht. Auch das ist ein durchaus typischer Verlauf, wir rechnen mit deutlich mehr Eingängen zum Ende des Abgabezeitraums.“

Die jetzt anstehende Neubewertung der Grundsteuer ist nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 notwendig geworden. Die bisherige Grundsteuer wurde für verfassungswidrig erklärt, weil die Werte überaltert sind und damit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen werde. So kamen in Ostdeutschland Grundstückswerte von 1935 und in Westdeutschland von 1964 zum Zuge. Die Neubewertung betrifft deutschlandweit rund 36 Millionen Grundstücke.

Der große Andrang infolge der Grundsteuerreform hat zu Schwierigkeiten bei der Steuer-Plattform „Elster“ geführt.
Der große Andrang infolge der Grundsteuerreform hat zu Schwierigkeiten bei der Steuer-Plattform „Elster“ geführt.

© Robert Günther/dpa-tmn/dpa

Die Grundsteuer ist für Städte und Kommunen eine der wichtigsten Einnahmequellen. Sie erbrachte im Jahr 2021 etwa 15 Milliarden Euro. Mit der Grundsteuerreform soll dieses Aufkommen insgesamt nicht verändert werden. Es kann aber zu Belastungsverschiebungen kommen. Manche zahlen nach der Reform mehr, andere weniger. „Wir haben frühzeitig davor gewarnt, dass die Grundsteuerreform zu Lasten von Menschen mit Eigenheimen geht, die ihren Grund und Boden oftmals für eine eigenverantwortliche Altersvorsorge erworben und geerbt haben“, sagt VDGN-Sprecher Frank Hufnagel.

15
Milliarden Euro brachte die Grundsteuer Städten und Kommunen im Jahr 2021

Ursprünglich sollten die Grundsteuererklärungen schon bis Ende Oktober 2022 abgegeben werden. Die Frist wurde inzwischen aber bis zum 31. Januar 2023 verlängert. Grund dafür waren die doch recht komplizierten Anforderungen. Vor allem ältere Eigentümer taten sich schwer mit dem Verfahren zum Beispiel bei der Wohnflächenberechnung und der Ermittlung des Bodenrichtwertes. Bei der Abgabe der Grundsteuererklärung läuft es in Berlin bisher zögerlich. Nicht einmal die Hälfte der Berliner Grundstückseigentümer hatte die geforderte Grundsteuererklärung bis zum Nikolaustag abgegeben. Der VDGN bemängelt, dass den Grundstücksbesitzern dies „aufgebürdet“ worden sei, obwohl die meisten dieser Daten bei den Finanzämtern vorlägen.

Schriftliche Formulare werden großzügiger herausgegeben

Eine weitere Hürde war oft das vorgeschriebene Online-Verfahren über das Elster-Portal. Bei den Anmeldungen kam es bis zur Zusendung der Zertifikatsdatei zu Verzögerungen. In Ausnahmefällen ist nun die Abgabe der Erklärung in Papierform möglich. Dafür muss allerdings ein Härtefallantrag gestellt werden. Doch auch dann warten noch Tücken. „Die Formulare sind sehr kompliziert“, hat Frank Hufnagel festgestellt. Andererseits habe man gesehen, dass Finanzämter nun „flexibler auf Härtefälle reagieren und teilweise schriftliche Formulare großzügiger herausgeben“.

Viele Grundstücksbesitzer benötigten dennoch weiterhin Unterstützung. Die könne oft aus dem Bekanntenkreis oder von Nachbarn erfolgen, rät der VDGN. Wenn die Dinge sehr kompliziert sind, sollten auch Steuerberater hinzugezogen werden. Der Verband bietet selbst eine Telefon-Hotline und Informationsveranstaltungen an. Nach mehr als 40 Infoabenden seit April 2022 resümiert Frank Hufnagel: „Die Reform und die Erklärung an sich hätten anders ausgestaltet werden müssen.“

Viele Fragen zur Brutto-Grundfläche und zur Wohnfläche

Die vielen Unsicherheiten spürt man auch beim Bund der Steuerzahler. Dort werden immer wieder individuelle Probleme mit dem Verfahren angesprochen, wie die Leiterin der Abteilung Steuerrecht und Steuerpolitik, Daniela Karbe-Geßler, berichtet: „Es geht ja nicht nur um die Größe der Grundstücke und der dazu gehörigen Eigentumsanteile, sondern auch um die Art der Grundstücke und die Höhe der Bodenrichtwerte. Viele Betroffene fragen zudem, wie die Wohnfläche oder die Brutto-Grundfläche bei gemischt genutzten Gebäuden ermittelt werden kann.“

Professionelle Laser-Entferungsmesser ersetzen den klassischen Zollstock bei der Raumvermessung.
Professionelle Laser-Entferungsmesser ersetzen den klassischen Zollstock bei der Raumvermessung.

© imago images/Westend61 / Anke Scheibe via www.imago-images.de

Auch beim Verband Haus und Grund gehen zahlreiche Anfragen zur Grundsteuererklärung ein. Sybille Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik, nennt einige der angesprochenen Themen: „Es geht dabei um die Höhe der Bodenrichtwerte, die Anwendung des Bodenrichtwerts auf das gesamte Grundstück trotz unterschiedlicher Nutzbarkeit, die enorme Steigerung der Bodenrichtwerte, ihre Unangemessenheit als Maßstab für die Steuer sowie die unangemessene Höhe der Mietwerte, die für den Gebäudewert zugrunde gelegt werden.“

Verband Haus und Grund: „Bürgerferne auf hohem Niveau“

Am Verfahren übt der Verband scharfe Kritik. „Es ist eine Verlagerung von Arbeit der Finanzverwaltung auf die Bürger und eine riesige Datensammelaktion auf dem Rücken der Steuerzahler“, sagt Sybille Barent, „man hat es nicht geschafft, Informationen und Daten, die bei den Behörden ja schon vorliegen, den Finanzämtern direkt zur Verfügung zu stellen.“ Die Syndikusanwältin kommt zu dem Schluss: „Das ist Bürgerferne auf hohem Niveau.“ Außerdem habe man beim Verband auch feststellen müssen, dass die geforderte elektronische Abgabe „viele Menschen überfordert“.

Besonders auf Berlin bezogen sieht der Interessenverband Haus und Grund neben dem Zuwachs von Bürokratie auch noch eine „nur leicht bemäntelte Sondervermögensteuer auf Immobilieneigentum“. So liege der Stichtag für die Bewertung auf dem 1. Januar 2022 und damit bei innerstädtischen Werten auf Rekordniveau. In Berlin werde es nicht gelingen, „dies mit einem adäquat niedrigen Hebesatz wieder aufzufangen. Die Belastungsverschiebungen hin zu Wohnungseigentümern in Lagen mit hohen Bodenpreisen und Einfamilienhausbesitzern ab 2025 sind absehbar“, prognostiziert Sybille Barent.

Stärkere Belastungen sind in hochpreisigen Lagen absehbar

Es steckt allerhand Zündstoff in der aktuellen Grundsteuerreform. Das dürfte sich bald auch in Verfahren vor Gerichten widerspiegeln. Der Verband Haus und Grund bereitet zusammen mit dem Bund der Steuerzahler Musterklagen vor. Als Streitpunkte könnten etwa die Unangemessenheit der Bewertung und der Methodik sowie die Ungleichbehandlung verschiedener Eigentümergruppen in juristischen Verfahren thematisiert werden. Für die anstehende Musterklage laufen derzeit die letzten Vorbereitungen. „Aktuell sind wir in der Auswahl der Verfahren und sichten Bescheide“, berichtet Daniela Karbe-Geßler vom Bund der Steuerzahler Deutschland.

Dort fragen viele Mitglieder inzwischen, ob und wie sie sich bei schon eingegangenen Wertbescheiden zur Wehr setzen können. Dazu sagt Daniela Karbe-Geßler: „Auf unserer Homepage stellen wir unseren Mitgliedern einen Muster-Einspruch gegen alle Steuerbescheide bereit!“ Dort gebe es auch Hinweise zur Grundsteuer. Für einen individuellen Einspruch warte man noch ein in Auftrag gegebenes verfassungsrechtliches Guthaben ab. Grundsätzlich können Eigentümer zunächst auch ohne Begründung beim Finanzamt Einspruch einlegen. Wichtig ist, dass dies innerhalb von einem Monat nach Eingang des Bescheides erfolgen muss.

Der VDGN erwartet nach den bisherigen Erfahrungen mit der Reform ein Eingreifen der Politik. „Der Gesetzgeber muss unbedingt nachbessern unter anderem mit einem Abschlag bei der Steuermesszahl. Und die Kommunen müssen die Hebesätze absenken, Grundsteuermehrbelastungen sind abzufedern“, sagt Sprecher Hufnagel. 

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