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Historisches Bogensee-Areal: Reißt Berlin die Goebbels-Villa und die FDJ-Hochschule ab?
Das Land hat etliche sanierungsbedürftige Immobilien zu managen. Dem Bogensee-Gelände in Brandenburg droht der Abriss. Für eine andere Liegenschaft wurde nun die Vergabe „unter Wert“ beschlossen.
Stand:
Dem Land Berlin gehört ein „Lost Place“ in Brandenburg: ein Areal am Bogensee in der Gemeinde Wandlitz, auf dem sich eine Villa des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels und eine später errichtete Jugendhochschule der FDJ (Freie Deutsche Jugend) befinden. Beides steht leer, der überwiegende Teil der Gebäude ist denkmalgeschützt – und sehr baufällig. Weil sich bislang niemand findet, der das Gelände wirtschaftlich tragfähig entwickeln will, wird nun der Abriss wahrscheinlicher.
Birgit Möhring, Geschäftsführerin der landeseigenen Berliner Immobilien Management (BIM), formulierte das am Mittwoch im Gespräch mit Journalisten so: „Es steht sehr deutlich im Raum, dass wir unter Umständen auch abreißen.“ Angesichts des Denkmalschutzes sei der BIM „bewusst, dass wir das wahrscheinlich gerichtlich durchsetzen müssen“.
Ein Interesse von Investoren am Bogensee-Areal sei kaum vorhanden, sagte Möhring: „Die, die sich interessieren, interessieren sich vor allem für die Bogensee-Villa“, also die Goebbels-Villa. Auch der Verkauf des Areals stand schon mal zur Debatte, sei aber bewusst gestoppt worden, damit dort nicht „die falschen Leute einen Erinnerungsort daraus machen“.
Es steht sehr deutlich im Raum, dass wir unter Umständen auch abreißen.
Birgit Möhring, Geschäftsführerin der BIM, zum Bogensee-Areal
Der Abriss sei zwar der „Notnagel“, sagte Möhring. Allerdings: „Wenn es keinerlei wirtschaftliche Perspektive zum Erhalt oder zum Aufbau dieser Gebäude gibt, dann weiß ich nicht, was wir tun sollen.“ Man spreche zwar noch mit einigen Interessenten, aber es gebe aktuell niemanden, der das gesamte Areal übernehmen möchte. Denkbar sei auch eine museale Nutzung der Goebbels-Villa, aber alles andere müsste dann trotzdem abgerissen werden.
Schließlich müssten Summen „im deutlich dreistelligen Millionenbereich“ investiert werden, um das Gelände sinnvoll nutzen zu können. Allein die laufenden Unterhaltskosten betrügen jährlich etwa 120.000 Euro. Dennoch sei absehbar, dass auch kurzfristig Investitionen in die Gebäude notwendig seien, allein damit niemand dort gefährdet wird.
Deswegen muss die Entscheidung über einen Abriss laut Möhring noch dieses Jahr fallen. Das steht im Konflikt mit der Machbarkeitsstudie, an der die Gemeinde Wandlitz gemeinsam mit dem Bundesbauministerium arbeitet, denn bis zu deren Fertigstellung dürften zwei Jahre vergehen.
Auch der Abriss wird teuer: „Wir werden für das Budget nächstes Jahr versuchen, erste Mittel einzustellen, dass wir Mittelfrist auf Abriss ansparen“, sagte Möhring. „Das wird sicherlich auch ein zweistelliger Millionenbereich sein.“
Mehr Mieteinnahmen gewünscht
Die Bogensee-Villa ist nicht die einzige herausfordernde Immobilie, um die sich die BIM kümmert. Sie ist auch für den Großteil der Gebäude der Berliner Verwaltung zuständig, und, unter anderem, für Perlen wie die Alte Münze und das ICC. An allen Ecken und Enden fehlt es aber an Geld. Sanierungsstau ist das Stichwort in Höhe von 8,3 Milliarden Euro, und: Klimaneutralität. „Wir haben nicht genug finanzielle Mittel, um die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen“, sagt Möhring.
Sie kalkuliert mit 150 bis 200 Millionen Euro Mieteinnahmen zusätzlich zu den aktuellen 500 Millionen pro Jahr, die für diese Aufgaben nötig wären. Die Mieten müssen aber von den Berliner Landesinstitutionen gezahlt werden, die aktuell bekanntlich auch mit knappen Mitteln zu kämpfen haben. Daher müsse man wohl „alternative Finanzierungsquellen“ suchen – Eigenkapitalverstärkungen oder eine Kreditaufnahme bei der Investitionsbank Berlin (IBB).
Alte Münze wird „unter Wert“ vergeben
Die höheren Mieten, die sich die BIM wünscht – von der Alten Münze werden sie wohl nicht kommen.
Vergangene Woche hat der Hauptausschuss eine vertrauliche Vorlage verabschiedet, die eine Vergabe der Liegenschaft an der Spree „unter Wert“ an den bisherigen Zwischennutzer Spreewerkstätten vorsieht. Laut dem Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt, sollen die Spreewerkstätten statt der knapp 350.000 Euro Jahresmiete, die laut BIM marktüblich wären, rund 100.000 Euro weniger pro Jahr zahlen, da „sie Räume der Alten Münze unterhalb der anfallenden Selbstkosten“ an Kulturschaffende der Freien Szene vermieten sollen. Der Mietvertrag läuft ab dem 1. Juni.
Im Haushaltsbeschluss für 2024/25 war festgelegt worden, dass die Spreewerkstätten die Liegenschaft dauerhaft nutzen „und weitere notwendige Instandhaltungen und Investitionen aus eigenen Mitteln“ tätigen können sollen.
Zusätzlich zu den eigenen Mitteln werden laut der vergangene Woche verabschiedeten Vorlage jedoch auch 27,5 Millionen Euro Landesmittel in die Instandsetzung investiert werden. Kritik daran weist Birgit Möhring zurück: „Die Alternative wäre gewesen, den Standort zu verkaufen.“
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