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Ein Systemadministrator zieht Lichtwellenleiter aus den Massenspeichergeräten in einem Rechenzentrum.

© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

Künftige Rechenzentren fressen Unmengen Energie: Netzbetreiber will Stromanschlüsse in Berlin bald fairer verteilen

Weil der Energiehunger der Digitalwirtschaft schneller wächst als das Stromnetz, wird jetzt das Vergabeverfahren für große Netzanschlüsse verändert. Bisher galt das „Windhundverfahren“.

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Das „Windhundverfahren“ hat ausgedient. So nennen sie bei Stromnetz Berlin die Vergabe von Leistungskapazitäten im Stromnetz nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, wird bedient. Das neue Verfahren heißt ganz fachmännisch Repartierung, könnte aber auch als „Lex Rechenzentren“ bezeichnet werden, denn auf die zielt es vornehmlich ab.

Worum geht es? Die Berliner Digitalwirtschaft wächst und hat einen immer größeren Anteil am Gesamtstrombedarf der Stadt. Das Wachstum der Digitalwirtschaft lässt sich auch am Zuwachs von Rechenleistung ablesen, die in Rechenzentren verwaltet wird. Die maximal abrufbare Stromleistung dieser Rechenzentren beläuft sich derzeit auf 100 Megawatt, was ungefähr der gesamten Netzleistung der Stadt Potsdam entspricht.

Außenansicht des Rechenzentrums Berlin 2 NTT Global Data Centers im Marienpark im Ortsteil Lankwitz.

© imago/Schöning/IMAGO/Schoening

2,8
Gigawatt Anschlussleistung ans Stromnetz haben Unternehmen beantragt, mehr als die gesamte aktuelle Stromkapazität in Berlin.

Stefan Franzke von Berlin Partner, die den Wirtschaftsstandort weltweit vermarkten, weiß von insgesamt 40 weiteren Anfragen von Rechenzentrenbetreibern für die Hauptstadtregion. Um die zu versorgen, würde auch die anvisierte Verdoppelung der Stromkapazität in Berlin auf vier Gigawatt bis 2035 nicht ausreichen, zumal auch andere Großprojekte wie etwa E-Busbahnhöfe der BVG, Großwärmepumpen für die Fernwärme oder größere Industrieansiedlungen berücksichtigt werden wollen. Insgesamt summieren sich die Anschlusswünsche derzeit auf 2,8 Gigawatt.

„Die Anschlüsse für elf weiter Rechenzentren sind derzeit im Bau, das entspricht dann einer Leistung von 700 Megawatt“, rechnete Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) bei einem Pressetermin von Stromnetz Berlin am Freitag vor, das entspricht einem Drittel der aktuellen Berliner Netzleistung.

Die Vergabe nach dem Repartierungsverfahren soll nun die knappen Anschlusskapazitäten im Netz fairer unter allen Antragstellern verteilen. Ein Großkunde bekommt nicht mehr einfach die gewünschte Stromkapazität zugeteilt, während ein anderer leer ausgeht, weil er seinen Antrag einen Tag später gestellt hat.

Die Kapazität, die durch den Ausbau des Netzes verteilt werden kann, wird künftig unter allen Antragstellern aufgeteilt, je nach realistischem Bedarf. Häufig beantragen Betreiber von Rechenzentren deutlich mehr Kapazität als sie später brauchen, nur um sicher zu gehen.

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist beim Netzausbau schon berücksichtigt.

© imago images/STPP/via www.imago-images.de

Das Zuteilungsverfahren für die nächsten zehn Jahre beginnt im April 2025 mit einer Aufstellung der zusätzlichen Anschlusskapazitäten in den verschiedenen Stadtgebieten. Danach können Unternehmen bis 30. Juni ihren Bedarf anmelden, einen Monat später wird die Zuteilung bekanntgegeben, Ende Januar 2026 erhält jeder Antragsteller ein verbindliches Umsetzungsangebot.

„Das ist ein hochinnovatives Verfahren, das in Deutschland wenig Vergleichbares findet“, lobte Severin Fischer, Staatssekretär für Energie und Betriebe und Aufsichtsratsvorsitzender von Stromnetz Berlin. „Wir schaffen mehr Transparenz und Gerechtigkeit und eine Optimierung in der Verteilung.“

Die Rechenleistung ist genauso wichtig wie die Kanalisation oder der öffentliche Nahverkehr.

Stefan Franzke, Geschäftsführer Berlin Partner

„Das sind fantastische Nachrichten“, sagte Stefan Franzke. „Die Rechenleistung ist genauso wichtig wie die Kanalisation oder der öffentliche Nahverkehr“. Besonders die Branchen Gesundheitswirtschaft, Mobilität und Fintech seien „große Abnehmer von Rechenleistung“.

Stromnetz Berlin will bis 2028 2,2 Milliarden Euro in den Netzausbau investieren.

© dpa/Fabian Sommer

Stromnetz-Berlin-Chef Erik Landeck versicherte, das Verfahren sei „unbestechlich“. Und: „Die Politik entscheidet nicht, wer profitiert.“ Die kleinen Verbraucher müssten auch nicht für den Netzausbau zugunsten der Großkunden bezahlen, die Kosten würden unter den „Kunden der Hochspannung“ aufgeteilt.

Dennoch steigen die Netzentgelte generell, weil auch im mittleren und Niederspannungsbereich ausgebaut wird, um Wallboxen oder Wärmepumpen anschließen zu können. Diese Anschlusskapazitäten werden aber nicht nach dem neuen Verfahren vergeben, sondern nach eigenen Bedarfsprognosen vorgehalten.

Viele Baustellen wegen Ausbau des Stromnetzes

Alle Berliner werden den Ausbau des Stromnetzes zu spüren bekommen, durch viele Baustellen im täglichen Verkehr. Zu den vorhandenen 36.000 Kilometer Stromleitungen, vornehmlich im Berliner Untergrund, kommen rund 5000 Kilometer Nieder- und Mittelspannungsleitungen und 500 Kilometer Hochspannungsleitungen in den nächsten zehn Jahren hinzu.

Der Strompreis für Großkunden sei für die Rechenzentrenbetreiber kein Argument für oder gegen Berlin, versicherte Franzke. Wo eine hohe Rechenleistung benötigt wird, müsse sie auch vorgehalten werden, um sogenannte Latenzen, also die Reaktionszeiten im Datenverkehr, gering zu halten.

Ein Vorteil Berlins gegenüber den deutschen Rechenzentren-Hochburgen wie Frankfurt am Main oder München sei immerhin, dass Grundstücke hier noch relativ günstig angeboten würden, sagt Giffey.

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