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Start-up will die kleinen Hilfen des Alltags vermitteln.

© Getty Images

Nachbarschaftshilfe in Berliner Kiezen: Online-Plattform will echte Kioske errichten

Eine Online-Plattform will Arbeits- und Hilfesuchende digital und bald auch offline zusammenbringen. Das Vorbild stammt aus Paris. Die Organisatoren suchen noch Standorte.

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Schnell mal einen Kühlschrank hochtragen, eine Lampe anbringen ohne Ahnung von Elektrik oder mühsames Fensterputzen. Wer im Alltag Hilfe braucht, kann in Berlin ein neues Angebot nutzen: „Die Helferei“ vermittelt anpackende Hände für allerlei Jobs. Und das nicht nur online. Denn das Start-up will mit kleinen Kiosken im Kiez stationäre Anlaufpunkte bereitstellen.

Gründerin Eugenia Levine liebt Paris. Beim Streifzug durch eine charmante Nachbarschaft begegnete sie auch ihrer Gründungsidee. Einem Kiosk-Büdchen mit Markise, das nicht Zeitungen und Zigaretten anbot, sondern Hilfe in allen praktischen Lebenslagen vermittelte. „Lulu dans ma rue“, zu Deutsch „Lulu in meiner Straße“, ist ein Konzept, das den Geist einer heilen Nachbarschaft mit praktischer Unterstützung kombiniert.

Vorbild zur Idee kommt aus Paris

Als gemeinnützige Initiative, sollen Menschen mit flexiblem Einkommen unterstützt werden, indem sie ihre Fähigkeiten nutzen und anbieten. Seit der Gründung 2015 gibt es neun solcher Kiosk-Standorte in Paris, mittlerweile auch in Lyon.

20.000
Flyer machten das Angebot bisher bekannt.

Eugenia Levine möchte diese Erfolgsgeschichte nun auch in Berlin schreiben. Sie gründete allerdings keinen gemeinnützigen Verein, sondern eine GmbH, und konnte sich dank des Berliner Start-up-Stipendiums voll in die Entwicklung der Webseite stürzen.

Die Plattform die-helferei läuft seit Frühjahr, herumgesprochen hat sich das neue Angebot jedoch vor allem durch 20.000 Flyer im Briefkasten. „Das hat ganz gut funktioniert“, erzählt die 38-Jährige, die politische Kommunikation studiert und vor ihrer Gründung in der Gesundheitswirtschaft gearbeitet hat.

200 Berliner:innen haben verschiedene Hilfsangebote nach eigenen Angaben bereits genutzt, 40 Prozent davon fragen seither regelmäßig Unterstützung an. Sie melden sich entweder über das Online-Formular auf der Webseite oder rufen ganz altmodisch an. Da hebt die Gründerin aktuell auch noch selbst den Hörer ab und vermittelt die Dienste manuell. Im neuen Jahr soll der Prozess automatisiert werden.

Gründerin Eugenia Levine bekam das Berliner Start-up-Stipendium für ihre Idee.

© Die Helferei

Ob putzen, schleppen, reparieren, betreuen oder Computerhilfe. Die Nettopreise liegen zwischen 19 und 43 Euro pro Stunde, die Zahlung wird über die Helferei abgewickelt und behält aktuell 3,70 Euro Provision pro Vermittlung. Bei den Helfenden kommt ein Stundenlohn ab 14,50 Euro an, also über dem derzeitigen Mindestlohn. Bisher bieten 100 Helfer:innen ihre Fähigkeiten an – 57 Männer und 43 Frauen. Levine hat aus den unterschiedlichsten Ecken qualifizierte Kräfte gefunden.

Besonders viele südamerikanische Helfer:innen

Da sind Berliner Handwerker, die ihre Auftragslage aufbessern wollen, Student:innen, Sinnsucher, Aufstocker vom Jobcenter oder Leute mit einem „Working Holiday“-Visum aus der ganzen Welt.

Letzteres brachte Ignacio Campana aus Argentinien nach Berlin. Seit acht Monaten springt der 28-Jährige für Umzugsjobs oder Gartenarbeit ein. „Ich habe viele nette Menschen getroffen, und dabei einiges über die deutsche Kultur gelernt“, erzählt er. Die südamerikanische Community sei inzwischen die größte unter den Helfern, die Möglichkeit habe sich schnell herumgesprochen.

Entwurf für die Straßen-Kioske: Die haben die Größe eines einzelnen Pkw-Stellplatzes und suchen noch passende Standorte.

© Die Helferei

Im Grunde ist die Helferei nach dem Prinzip der „Gig Economy“ („Gig“ bedeutet „Auftritt“) aufgebaut. Also einem Wirtschaftsmodell, bei dem kleine Aufträge kurzfristig an unabhängige Selbstständige, Freiberufler oder geringfügig Beschäftigte vergeben werden – Uber macht das in der Personenbeförderung oder MyHammer für Handwerkerdienste. Dennoch treibt Gründerin Levine insbesondere die soziale Kraft ihrer Idee an: Menschen in der Nachbarschaft zusammenbringen. Und dazu braucht es dringend den realen Ort, den charmanten kleinen Kiosk, wie sie ihn in Paris gesehen hat.

Kiosk-Bau scheiterte am Kopfsteinpflaster

Es ist auch schon alles vorbereitet. Eine alte Schulfreundin aus München und Architektin lieferte einen passenden Entwurf für den lokalen Nachbarschaftskiosk in Berlin, eine mittelständische Zimmerei aus Schöneberg baute alles nach Plan. Ein kleiner Anlaufpunkt aus Holz in der Größe eines Parkplatzes. Ein großes Investment für das bisher komplett aus Eigenkapital finanzierte Start-up.

Direkt vor der Marheineke Markthalle im Kreuzberger Bergmannkiez hatte die Gründerin dann den idealen Standort gefunden, die Markthalle war einverstanden, eine Sondernutzung beim Ordnungsamt beantragt und genehmigt. Dann kam alles anders. Als die Zimmermänner mit dem Material anfuhren, stellte sich heraus, dass das Berliner Kopfsteinpflaster den Kleinkran samt schwerer Massivholzbau-Teile nicht tragen könnte.

Der Kiosk-Bau wurde abgesagt und Levine sucht seither nach einem neuen passenden Standort. „Das sind Dinge, die man lernen muss“, sagt die Gründerin. „Ich habe aber sofort in den Lösungsmodus umgeschaltet.“ Sie sei bereits in Gesprächen mit dem Bezirk, ist aber auch dankbar für Ideen und Angebote für einen geeigneten Platz mit Laufkundschaft.

Solange die Expansion in die Offline-Welt der Helferei noch dauert, optimiert Levine weiter ihre Webseite, um den nachbarschaftlichen Dorf-Helfer-Geist wenigstens digital in den Berliner Kiez zu tragen.

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