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Pflege und Hilfen zu hause statt im Heim: eine alte Frau im Gespräch mit einer Betreuerin im Wohnzimmer.

© Getty Images/Maskot/Maskot

Personalmangel spitzt sich zu: So steht es um die Pflege in der Hauptstadt

Senatorin Ina Czyborra (SPD) will in Prävention investieren, damit die Babyboomer nicht massenhaft zu Pflegefällen werden. Viel Handhabe hat die Politik aber nicht.

Stand:

Der Personalmangel in der Pflege spitzt sich insbesondere bei den ambulanten Diensten in Berlin zu. Obwohl in diesem Sektor seit 2013 zwölf Prozent mehr Menschen beschäftigt sind, muss eine Arbeitskraft wegen des demografischen Wandels heute mehr Menschen versorgen. Das zeigt der Landespflegeplan auf, den Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) am Dienstag vorgestellt hat.

Demnach sank das Verhältnis von Gepflegten zu den ambulant Pflegenden von eins zu 0,77 im Jahr 2013 auf eins zu 0,55 im Jahr 2023. Das heißt, dass sich eine Pflegekraft inzwischen um etwa 40 Prozent mehr Menschen kümmern muss als zehn Jahre zuvor.

Bei den Heimen ist es umgekehrt. Wegen des steten Personalzuwaches und weil zugleich Heimplätze vom Netz gegangen sind, hat sich die Quote von 0,76 zu eins im Jahr 2013 auf 0,84 zu eins im Jahr 2023 erhöht. Das entspricht einem Anstieg um elf Prozent.

In Sorgegemeinschaften investieren

Der Bericht erfasst den Ist-Zustand der ambulanten und stationären Pflege – das heißt von ambulanten Diensten, Pflegeheimen, Hospizen sowie Pflege-WGs – und analysiert künftige Bedarfe. Der pflegerischen Versorgung in den Kliniken widmet sich der Landeskrankenhausplan, den die Senatsverwaltung voraussichtlich Ende dieses oder Anfang kommenden Jahres vorlegen will.

Wir müssen die Prävention besser aufstellen. Das ist die Schlüsselfrage für die geburtenstarken Jahrgänge.

Ina Czyborra (SPD), Gesundheits- und Pflegesenatorin

Die meisten Bedürftigen in Berlin werden ausschließlich oder vor allem von An- und Zugehörigen umsorgt. Dies betrifft geschätzt 87 Prozent oder 184.300 Menschen, die Hälfte davon ohne jegliche professionelle Hilfe. In Heimen wohnen rund 27.700 Personen.

Nach Schätzung des Pflegeberichts werden 2040 voraussichtlich 208.000 pflegebedürftige Menschen in Berlin leben und damit 4000 weniger als 2023. Dass es in 15 Jahren tatsächlich weniger Bedürftige gibt als 2023, ist jedoch unwahrscheinlich. Zum einen hantiert die Senatsverwaltung mit Prognosen, die bereits übertroffen wurden. Zum anderen gehen die Boomer jetzt in Rente.

Die Zahl der Pflegebedürftigen in den verschiedenen Bezirken.

© Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege I Tagesspiegel/Rita Boettcher

Czyborra wollte sich nicht festlegen, wie viele Bedürftige sie in den kommenden Jahren erwartet. Dies hänge von vielen Faktoren ab, sagte sie und legte den Fokus stattdessen darauf, dass Berlin mehr tun wolle, um die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten. „Wir müssen die Prävention besser aufstellen. Das ist die Schlüsselfrage für die geburtenstarken Jahrgänge.“

Als Beispiel nannte sie die Berliner Hausbesuche. Dabei erhalten Menschen ab 70 Jahren vom Bezirk oder einem Partner eine Einladung zu einem Besuch, bei dem sie über Freizeitaktivitäten und Hilfsangebote informiert werden. Das Ziel des Projekts ist es, den Menschen Teilhabe zu ermöglichen, damit sie lange und selbstständig in den eigenen vier Wänden leben können.

Czyborra forderte zudem, in „Caring Communities“ zu investieren, in sogenannte Sorge-Gemeinschaften. Dies hatte auch Berlins Pflegebeauftragte Sinja Meyer-Rötz schon getan. Die Idee dahinter ist, dass nicht nur Verwandte oder Fachkräfte die Sorgearbeit leisten. Helfen sollten auch Nachbar:innen – oder barrierefreie Räume, die zum Beispiel Stürze verhindern.

Anwerbung ausländischer Kräfte

Solche Ideen sind fortschrittlich und zugleich einfache Notwendigkeit. Die Menge an Pflegebedürftigen könnte schon heute nicht allein von professionellen Kräften versorgt werden. Das Ziel bleibt trotzdem, möglichst viele für einen Job in der Pflege zu gewinnen.

Laut dem Landespflegeplan hat Berlin dazu beste Voraussetzungen: Die Stadt wirke wie ein „Magnet auf junge Menschen“ und sei ein „attraktiver Lebensort mit sicheren Rahmenbedingungen“. Czyborra wies außerdem auf die hohen Gehälter hin, die selbst Hilfskräfte verdienten. Ende 2024 betrug der Stundenlohn für diese Berufsgruppe in der Hauptstadt 18,89 Euro.

Hilfskräfte haben keine Berufsausbildung und dürfen, nachdem sie einen Kurs absolviert haben, unter anderem Grundpflege machen. Der Senat versucht seit 2022 gegenzusteuern und die Pflege zu professionalisieren: Seitdem gibt es die zweijährige Ausbildung zur Assistenzkraft, eine Art „Fachkraft light“. Zudem versucht das Land, ausländisches Personal anzuwerben.

Die Politik befindet sich bei alledem in einer Zwickmühle. Einerseits soll Pflege in Deutschland marktwirtschaftlich organisiert sein, vor allem durch private und freigemeinnützige Betreiber. Andererseits haben Länder und Kommunen dafür zu sorgen, dass ausreichend Pflegeangebote vorhanden sind. Die Senatsverwaltung kann und darf lediglich Anreize setzen.

Ein Beispiel ist der derzeitige Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen. Seit 2013 hat sich deren Zahl in Berlin auf 274 fast halbiert. Das Land kann den Betreibern nicht vorschreiben, mehr Plätze einzurichten. Deshalb fördert es sie jährlich mit 511 Euro pro Platz.

Ein weiteres Ärgernis, bei dem das Land nicht viel tun kann, betrifft die hohen Heimentgelte. Im Schnitt zahlen Bewohner:innen einer stationären Einrichtung einen privaten Eigenanteil von 3000 Euro. Das liegt maßgeblich daran, dass der Bund die Arbeitgeber seit 2022 zwingt, entweder tarifgebunden zu sein oder einen regional- und branchenüblichen Lohn zu bezahlen.

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