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Ein Feld im Oderbruch unweit von Seelow (Märkisch-Oderland).

© ZB/Patrick Pleul

Sonderregeln, Stallgeruch und Steuerprivilegien: Warum das Finanzamt Bauern anders behandelt als andere Unternehmer

Landwirtschaft ist kein normales Gewerbe. Ein Steuerberater aus Luckenwalde in Brandenburg erklärt, warum das so ist – und warum das System nicht für alle funktioniert.

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Ob Wetter, Weltmarkt oder Energiepolitik: Die Landwirte stehen unter Druck. Steuerlich aber greift ein System voller Sonderregeln und historischer Privilegien. Steuerberater Marcel Gerds erklärt, warum das so ist – und warum kleine Betriebe trotzdem oft das Nachsehen haben.

Die Landwirtschaft wird im Steuerrecht gesondert behandelt und unterscheidet sich damit deutlich von anderen Gewerbebetrieben.

„In der Landwirtschaft werden im Steuerrecht keine Steine in den Weg gelegt. Es handelt sich hier auch um eine Vielzahl von Fördermaßnahmen. Das reicht zurück bis zu Zeiten nach dem Krieg, als die Nahrungsmittelsicherheit gewährleistet sein musste. Es gibt in der Landwirtschaft viele eigene Paragrafen und das führt zu diesen Besonderheiten“, sagt Marcel Gerds. Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer führt für die ETL Agrar & Forst ein Büro in Luckenwalde (Brandenburg) und eines in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) sowie landwirtschaftliche Buchstellen.

„Diese landwirtschaftlichen Buchstellen sind die einzigen Fachberater, die auch direkt im Steuergesetz geregelt sind und extra geprüft werden“, erklärt Gerds. Diese Fachberatung habe es bereits vor der Steuerberatung gegeben. Außerdem hat er Landwirtschaft studiert. „Ich habe also Stallgeruch, wie man so schön sagt“, erklärt er selbst. Seit 15 Jahren berät er Landwirte zu ihren Steuerfragen.

Bauern machen ihre Preise nicht selbst

Die steuerlichen Bedingungen lehnen sich an die Produktionsbedingungen an. „Denn die finden unter freiem Himmel statt, sind vom Wetter abhängig. Gleichzeitig muss der Gesetzgeber für eine Versorgungssicherheit sorgen“, führt Gerds weiter aus. Dazu kommen zahlreiche Auflagen, für die steuerliche Ausgleiche geschaffen werden – auch das ist Teil der Beratung durch spezialisierte Steuerkanzleien.

Ein weiterer Unterschied zur sonstigen Wirtschaft: Die meisten Unternehmen machen ihre Preise selbst. „Das ist bei den Landwirten anders – die bekommen die Preise diktiert vom Landhandel. Und weil das nicht immer reicht zum Geldverdienen, gibt es diese Fördermechanismen.“

Am häufigsten nachgefragt werden bei seiner Kanzlei klassische Dienstleistungen wie Buchhaltung und Jahresabschluss. Auch hier gibt es eine Besonderheit.

„Die Landwirte geben uns die Belege, die hier aber immer sehr genau sein müssen. Bei Umsatzerlösen müssen wir sagen können: So viel ist aus Mais, so viel aus Weizen, so viel aus Roggen. Manche Landwirte melden ihre Daten auch an das Landwirtschaftsministerium, und diese fließen dann in den Agrarbericht ein. Das ist ein deutlicher Unterschied zu anderen Betrieben“, sagt Gerds.

Energie auf dem Acker

Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt auf Betriebsübergaben. Auch hier gibt es steuerliche Besonderheiten: Übergaben in der Landwirtschaft erfolgen steuerfrei. Gerds nennt hohe Zahlen für die familiäre Betriebsübernahme – rund 90 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe blieben in Familienhand.

Nicht alle Steuerkanzleien rechnen gleich gut. Vor allem spezialisierte Branchen benötigen eine treffsichere Beratung.

© IMAGO/Zoonar.com/Sirijit Jongcharoenkulchai

Zugenommen habe in den vergangenen Jahren die Entwicklung der erneuerbaren Energien: Windräder und Fotovoltaikanlagen auf dem Acker bringen den Landwirten enorme, anstrengungslose Einkommensvorteile, so Gerds. Wenn auch nicht immer Sympathiepunkte in der Bevölkerung. Und: Bei Betriebsübergaben kann hier ein anderes Steuerrecht greifen. „Hier blockiert das Steuerrecht tatsächlich die Energiewende“, sagt Gerds.

Neuerungen nutzen großen Betrieben

Eine weitere Förderung – so steht es im Koalitionsvertrag – soll zurückkehren: Agrardiesel soll wieder subventioniert werden. Gerds sieht darin nicht mehr als ein weiteres Puzzlestück. Interessanter ist für ihn die angedachte Senkung der Körperschaftsteuer.

„Davon profitieren dann mehr die großen Betriebe, wie die Agrargenossenschaften. Die kleinen Landwirte haben nichts davon“, erklärt der Fachmann. Kleinere Betriebe hätten leider des Öfteren das Nachsehen – etwa bei den Flächenprämien.

Und wie können kleine Höfe dagegenhalten? Steuerlich sieht Gerds wenig Spielraum. Eher in der Betriebsführung. Mit dem kleinen Hofladen, mit der Direktvermarktung, ließen sich bessere Preise erzielen. Was sich lohne, sei ein Blick in die ökologischen Förderprogramme. „Da können auch kleinere Betriebe profitieren.“

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