
© dpa/Anna Ross
„Vielfalt ist Teil unserer Grundhaltung“ : Deshalb macht die Berliner Volkssolidarität mit beim CSD
Der Wohlfahrtsverband, dessen Wurzeln in der DDR liegen, solidarisiert sich mit der queeren Community. Die Auseinandersetzung mit Diversität habe die Organisation vorangebracht, findet unsere Gastautorin.
Stand:
Zur Frage, was einen 80 Jahre alten Sozial- und Wohlfahrtsverband dazu bringt, beim Christopher Street Day (CSD) mitzulaufen, gibt es nur eine Antwort: Es ist das einzig Richtige. Wir machen das nicht aus einer Laune heraus. Vielfalt ist Teil unserer Grundhaltung.
Betriebswirtschaftlich führt an unserer Überzeugung kein Weg vorbei. Zum Berliner CSD am Samstag ist die Volkssolidarität Berlin daher wieder mit einer Laufgruppe dabei.
Motivierte Menschen arbeiten besser. Sie sind kreativer, auch dazu bereit, mal länger zu bleiben, wenn es sein muss. Wenn dann noch ein Zugehörigkeitsgefühl dazu kommt, kann daraus noch mehr entstehen.
Als ich bei der Volkssolidarität Berlin als Vorstandsvorsitzende angefangen habe, hat das schon einige getriggert: jung, weiblich, Mutter, Chefin und nicht aus Berlin. Da habe ich angesetzt und mit meinem Team einen Diskurs über Vielfalt angeschoben.
Unter eine der Vielfaltsdimensionen fallen vermutlich auch Sie, die das gerade lesen. Alter, Migrationsgeschichte und Nationalität, Geschlecht und geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft.
An all diesen Punkten kann man ansetzen, um Menschen zu diskriminieren. Oder man macht es besser für alle, schafft ein inklusives Umfeld und sagt: „Du bist hier willkommen. Du gehörst zu uns.“
Die Diskussionen waren mitunter zäh und langwierig, wir haben gerungen und gestritten – in allen Gremien. Es ging um Budgets und Gender-Toiletten, um Sprache und Sichtbarkeit, um Gewichtung einzelner Kampagnen und welche Gruppe wie wahrgenommen wird.
Wir haben niemanden verloren. Es hat auch geholfen, dass ich auf unsere Gründungsgeschichte verweisen konnte. Als die Volkssolidarität 1945 gegründet wurde, um Waisen, Geflüchteten und Obdachlosen zu helfen, hat keiner gefragt, woher sie kommen, woran sie glauben und wen sie lieben.
Es ging und es geht bis heute in unserer Arbeit darum, Menschen zu helfen. Das ist unsere DNA.
Das Erklären und Moderieren zahlt sich jetzt aus. Bei uns arbeiten zunehmend Menschen, die in anderen Unternehmen die Erfahrung gemacht haben, dass es leider einen Unterschied macht, ob man queer ist, den kranken Bruder pflegt, ob man Kinder großzieht und manchmal früher los muss oder ob man Deutsch nicht als Muttersprache hat.
Unsere Errungenschaften, die durch die Auseinandersetzung mit Vielfaltsthemen entstanden sind, bringen einen erheblichen Mehrwert auf verschiedenen Unternehmensebenen mit sich.
Susanne Buss, Vorstandsvorsitzende der Volkssolidarität Berlin
Manche kommen nach solchen Erfahrungen auch wieder zurück. Sie alle sind Fachkräfte, auf die andere Unternehmen jetzt verzichten – im Kontext eines wachsenden Fachkräftemangels, wohlgemerkt!
Diese Kolleg:innen, die sich sicher, gesehen und geschätzt fühlen, schieben weitere Projekte voran. Das ist kein netter Nebeneffekt, das ist strategisch relevant.
Wir lassen unsere Führungskräfte zu Diversity schulen. Diskriminierungen bauen wir mit Workshops vor, auch zum Thema Alltagsrassismus. Wir haben eine sogenannte Diversothek, in der sich verschiedene privat gespendete Medien befinden, und Arbeitsgruppen gegründet, die sich mit Vielfaltsthemen beschäftigen.
Wir sind Mitglied in der Charta der Vielfalt und sind 2024 für unsere LGBTIQ+-freundliche Unternehmenskultur und unser Diversity-Management ausgezeichnet worden.
Die Frage ist also eher, warum nicht viel mehr so handeln wie wir. Unsere Errungenschaften, die durch die Auseinandersetzung mit Vielfaltsthemen entstanden sind, bringen einen erheblichen Mehrwert auf verschiedenen Unternehmensebenen mit sich.
Wir werden jetzt ganz bestimmt keine Rückschritte machen. Auch nicht mit Blick auf andere Diskussionen in diesem Land.
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