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Wer irrlichtert hier?: Berlin braucht eine ehrliche Debatte über Ladendiebstahl
Der Chef des Handelsverbandes wirft dem Tagesspiegel vor, Kriminalität zu verharmlosen. Doch damit lenkt er vom eigentlichen Problem ab.
Stand:
Als Journalist muss man mit Kritik umgehen, und man entwickelt mit der Zeit ein dickes Fell, das auch gegen Schmähungen schützt. Das bringt der Beruf mit sich. Etwas ungewohnt ist es, in der eigenen Zeitung verunglimpft zu werden. So wie kürzlich, als Nils Busch-Petersen, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, in seiner regelmäßigen Kolumne von „irrlichternden Redakteuren“ beim Tagesspiegel schwadronierte. Tatsächlich irrte er selbst.
Auslöser war ein kurzer Text, der auf unserer Website und in der gedruckten Zeitung erschienen war. Darin äußerte sich ein anonymer Ladendieb, der nach eigenen Angaben jahrelang in Supermärkten gestohlen hat – und seine Taten nicht bereut. Busch-Petersen wirft uns Verharmlosung vor, im Namen vieler Einzelhändler in der Region.
Ladendiebstahl ist ein ernstes gesellschaftliches Problem. Die Zahl der Delikte ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Der Tagesspiegel setzt sich seriös und fundiert mit der Thematik auseinander, aus verschiedenen Perspektiven wurde sie beleuchtet. Nur so lässt sich komplexe Wirklichkeit abbilden.

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Unter anderen wir haben uns im Redaktionsteam dafür entschieden, einen jungen Mann zu Wort kommen zu lassen, dem offensichtlich der moralische Kompass abhandengekommen ist.
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Warum? Weil es Menschen wie ihn gibt in dieser Stadt, ob es uns gefällt oder nicht. Und weil seine Selbstauskünfte ein Schlaglicht werfen auf ein Phänomen, das wir als Gesellschaft noch nicht hinreichend verstehen. Das ist keine Verharmlosung.
Händler reagieren eher zugeknöpft
Zur Wahrheit gehört auch: Die großen Einzelhandelsketten reagieren auf Rechercheanfragen zu diesem Thema eher zugeknöpft. Kurze, wenig aussagekräftige Antworten erinnern an den angestaubten Werbespruch: „Du darfst alles essen, aber nicht alles wissen.“
Kann es sein, dass die neuen Kassen zum Selberscannen das Stehlen so einfach machen, dass sich Menschen dazu hinreißen lassen, die bisher immer ehrlich bezahlt haben? Kein Kommentar aus den Reihen der Einzelhändler.
Von unangenehmen Themen wollen die Händler lieber die Finger lassen und ihre Öffentlichkeitsarbeit weiter so betreiben wie im vergangenen Jahrhundert. Die zivilgesellschaftliche Debatte könnte davon profitieren, wenn verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer ihre Erfahrungen und Frustrationen einbrächten, anstatt sich hinter polternden Lobbyisten zu verstecken.
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