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In der Ausstellung „Gestickte Gärten“ tauchen Miniaturkulissen in Stick auf Leine und Baumwolle auf.

© Büşra Delikaya

„Gestickte Gärten“ im Pergamonmuseum: Reiche Textilkunst mit langer Tradition

Ineinander verwobenes Pflanzengeäst, blumige Motive, satte Naturfarben: Im Pergamonmuseum wird die kunstvolle Textilkunst des Osmanischen Reichs sichtbar.

Das Osmanische Reich ist bis heute bekannt für seine herausragende Textilkunst: Ob aufwendig geknüpfte Teppiche oder mit reichem Brokat verzierte Gewänder – die osmanischen Meister verstanden ihr Handwerk und wurden weltweit verehrt.

Im Pergamonmuseum wird nun ein selten beachteter Aspekt dieser Kunst sichtbar: „Gestickte Gärten. Osmanische Textilien aus der Sammlung Borgs“ lautet der Titel der Ausstellung, die noch bis zum 16. April zu sehen ist und die vor allem wenig bekannte, aber umso wertvollere Stickereien zeigt.

Pittoreske Momentaufnahmen und poetische Liebesbekundungen

Gartenanlagen, zweigeschossige Häuser, metallisch schimmernde Seen – kleine, bunte Welten eingefangen in Lahn- und Seidenfäden. Auf Servietten, Gürteln und Badetüchern erstrecken sich pittoreske Momentaufnahmen zwischen üppiger Blumenpracht oder gestickte Inschriften einer poetischen Liebesbekundung: „Oh Geliebter, es gibt viel Leid!“

Die Exponate sind im Vergleich zu den ausgestellten Web- und Knüpfteppichen im Nebenraum der Ausstellung recht klein und unauffällig. Die Stickerei erlaubt dafür allerdings einen ganz eigenen Einblick in die Lebensrealitäten im Osmanischen Reich. Zumindest in die jener Menschen, die sich in den Städten einen gewissen Lebensstandard leisten konnten.

Bestickte Tücher als Wertanlage

Bei den meisten der ausgestellten Arbeiten handelt es sich um alltägliche Gebrauchsgegenstände, angefertigt zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert. Da wären beispielsweise die bestickten Prunkhandtücher, die in den Hamams – den traditionellen öffentlichen Badehäusern – möglichst prestigeträchtig die Aussteuer der jungen, reichen Hamam-Besucherin darstellten.

Keine junge Frau aus gutem Hause kam ohne diese Stickereien als Teil ihrer Aussteuer aus. Neben Badetüchern wurden vor allem Servietten kunstvoll verziert, im Alltag aber wohl selten auf den Küchentisch gebracht. Gleich einer Wertanlage wurden die Stücke verwahrt; je aufwendiger und edler die Arbeiten, desto größer das „Kapital“ der Braut. Doch nicht nur Frauen schmückten sich mit den wertvollen Arbeiten: Die sogenannten „uçkur“, Gürteltücher, wurden sowohl von Männern als auch Frauen getragen, und zwar so, dass die bestickten Enden gut zu sehen waren. Auch hier galt: Je reicher und auffälliger bestickt, desto größer war der Wohlstand, der dargeboten werden sollte.

Nelken, Tulpen, Rosen: Blumenmotive sind auch in der Stickkunst der osmanischen Zeit beliebt gewesen.
Nelken, Tulpen, Rosen: Blumenmotive sind auch in der Stickkunst der osmanischen Zeit beliebt gewesen.

© Büşra Delikaya

Kunst mit Tradition

Viele der Motive und Techniken wurden über Generationen weitergegeben und ziehen sich wie der sprichwörtliche rote Faden durch die im Buchkunstkabinett des Pergamonmuseums präsentierten Werke. Im Laufe der Zeit etablierten sich gewisse Muster und Ornamente als besonders beliebt, wurden bloß je nach gerade geltender Mode angepasst und weiterentwickelt.

Etwa ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kamen vor allem florale Motive immer mehr in Mode. Insbesondere die Tulpe entwickelte sich neben kräftig roten Nelken, Rosen und Hyazinthen zu einem der meist verwendeten Bilder in der osmanischen Kunst, sowohl im Textil- als auch im Keramikhandwerk.

Von Istanbul hinaus in die Welt

Heute wird davon ausgegangen, dass die Blumenornamentik ihren Anfang in Istanbul nahm und sich von dort aus ihren Weg durch das gesamte Osmanische Reich bahnte. Zunächst vor allem in professionellen Werkstätten angefertigt, fand diese Kunst sehr schnell auch Einzug in die Heime städtischer Frauen.

Das Stickereihandwerk wurde Mädchen bereits in jungen Jahren weitergegeben, von ihren Müttern oder Großmüttern. Eine generationale Tätigkeit, die einerseits Freizeitbeschäftigung war, andererseits die Kunstfertigkeit der Dame unter Beweis stellte. Je nach Bedarf wurde die bestickte Kunst dann für eigene Zwecke verwendet oder verkauft. Besonders komplexe, wertvolle Arbeiten wurden jedoch weiterhin in den Werkstätten, vor allem Istanbuls, kostspielig beauftragt.

In diesen Werkstätten, „nakkaşhânes“ genannt, arbeiteten neben professionellen Stickern auch Buchdekorateure, Steinmetze, Glasmacher und Maler. Die nakkaşhânes in der Nähe des Topkapı-Palastes, dem langjährigen Sitz der osmanischen Sultane, in Istanbul beschäftigten sich mit dem Kunsthandwerk des Palastes und waren an diesen gebunden.

Der Schriftsteller Evliya Çelebi, der im 17. Jahrhundert mehr als 50 Jahre lang das Reich und die angrenzenden Länder bereiste, zählte in seinen Reiseberichten 20 Stickerei-Geschäfte in Istanbul. Das Sticken war im Osmanischen Reich also nicht bloß privater Zeitvertreib und zusätzliche Einkommensquelle, sondern durchaus auch ein anerkannter, lukrativer Beruf.

Die Innenräume der Anlage des Topkapı-Palastes, dem Regierungssitz vieler osmanischer Sultane.
Die Innenräume der Anlage des Topkapı-Palastes, dem Regierungssitz vieler osmanischer Sultane.

© imago

Die kleine Schau im Buchkunstkabinett ist in vielerlei Hinsicht etwas besonderes. Erstmals seit neun Jahren werden dort wieder Textilobjekte ausgestellt. Und dann gleich solche Highlights der bekannten Borgs-Sammlung.

Bereits in den 50er-Jahren begann das Düsseldorfer Ehepaar Borgs mit dem Sammeln der osmanischen Stickereien. Rund 200 Stücke zählt der Fundus heute, im Pergamonmuseum werden 25 besonders herausragende Werke gezeigt. Organisiert und kuratiert wird die Schau vom Museum für Islamische Kunst. Ein spannender Einblick in einen bisher wenig bekannten Bereich der herausragenden osmanischen Textilkunst.

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