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Die Fußgänger treffen sich wöchentlich für Parkour-Trainings. Amala (2. v. re.) schätzt vor allem die Kreativität, das soziale Miteinander und die mentale Herausforderung der Sportart.

© Verein Fußgänger

„Wir schätzen sowohl die Natur als auch die Architektur“ : Parkour ist eine Herausforderung für Körper und Geist

Der Verein Fußgänger organisiert seit 2015 regelmäßige Parkour-Trainings in Berlin. Über die Kreativität der Sportart, mentale Herausforderungen und überholte Vorurteile.

Von Lisa Schneider

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Ziel anvisieren, durchatmen und los. „Du hast den Sprung geschafft!“ Amala Monn und Rafaela Neff liegen sich in den Armen. Es ist ein drückend schwüler Donnerstagabend im Parkour-Park in Zehlendorf, der die Mitglieder des Vereins Fußgänger nicht davon abhält, sich dank einer Kombination aus Springen, Klettern, Schwingen und Rollen von einem Element zum nächsten zu bewegen. Es sieht aus, als würden sie über die mit Graffiti übersäten Hindernisse fliegen. Parkour heißt diese Kunst der Bewegungsform.

Parkour ist eine Art der Fortbewegung, die es anstrebt, möglichst effizient von einem zum anderen Punkt zu gelangen. Als Ursprung der Sportart gilt die 1902 entstandene „Méthode Naturelle“, eine militärische Trainingsmethode von George Hérbert. Beim Parkour werden ausschließlich die Fähigkeiten des eigenen Körpers genutzt. Die Abgrenzung zur Sportart Freerunning, die sich weniger auf effiziente, als auf akrobatische Fortbewegung fokussiert, wird dabei von den Fußgängern nicht so streng genommen.

Aber wer sind diese Fußgänger? Unweit von der S-Bahn-Station Sundgauer Straße befindet sich der Sundi Parkour-Park. Hier treffen sich die Mitglieder des Vereins Fußgänger regelmäßig. „Wir haben die Elemente hier teilweise selber gebaut und mit konstruiert“, sagt Amala Monn, die die Sportart seit 2019 betreibt und im Vorstand des Vereins vertreten ist.

Vom Schulhof zum Verein

Seit der Gründung der Fußgänger 2015 durch vier Schulfreunde, zählt die Gruppe zu einer bekannten Anlaufstelle für Parkour-Begeisterte in Berlin. Aus anfänglichen Treffen in der schuleigenen Sporthalle ist eine gemischte Gruppe mit Menschen verschiedenen Alters entstanden. Das Ziel des Vereins ist vor allem die Förderung einer Sportart, die eine lange Zeit unorganisiert stattgefunden hat. Heute bietet der Verein Einsteigertraining, Training für Kinder und auch unterschiedliche Angebote für Fortgeschrittene an.

Die Parkourläufer*innen, auch Traceur*innen genannt, schätzen vor allem die Individualität der Sportart. „Jeder findet hier seine Nische“, sagt Robin Miersch. Auch Kreativität spiele eine große Rolle. Monn erzählt, dass jeder seinen eigenen Ansatz verfolgt: „Hier treffen verschiedene Welten aufeinander, manche haben Lust richtig zu ballern, andere schätzen eher die künstlerischen Bewegungen.

Amala Monn schwingt sich von einem zum anderen Hindernis auf dem Sundi Parkour-Park in Zehelndorf.

© Verein Fußgänger

Sie macht darauf aufmerksam, dass Parkour auch vom sozialen Miteinander lebt: „Wir inspirieren uns gegenseitig“. Vor allem die mentale Unterstützung unter den Parkourläufer*innen schätzt sie sehr.

Denn besonders der Kopf spielt eine große Rolle bei der Überwindung von Hindernissen. „Mich reizt vor allem die mentale Herausforderung“, sagt Gabriel Becker. Es werden körperliche und geistige Grenzen offenbart. „Parkour bietet Wege, diese Grenzen zu überwinden“, ergänzt Monn nach dem erfolgreichen Sprung einer Parkourläuferin. Parkour fördere damit eine Selbstverbesserung auf mehreren Ebenen.

Viele Leute haben diese Vorstellung, dass wir nur über Hausdächer springen und Sachbeschädigung betreiben. Das stimmt aber einfach nicht.

Gabriel Becker, Parkourläufer vom Verein Fußgänger

Während man beim Parkour vor allem sich selber herausfordert, steht der Wettkampfgedanke eher im Hintergrund. „Ich finde es sehr angenehm, dass kein Zwang besteht, sich beim Parkour gegenseitig zu übertrumpfen“, sagt Becker. Viel wichtiger sei ein respektvolles und unterstützendes Miteinander.

Parkour kann man fast überall machen

Neben der Möglichkeit, durch den Sport über sich hinauszuwachsen, ist Parkour eigentlich eine sehr standortunabhängige Sportart. „Parkour kann man fast überall machen“, erzählt Becker. Ramon Mattheus sagt, dass sich die Parkourszene in den letzten Jahren weiterentwickelt hat. Mittlerweile gebe es für viele Städte in Deutschland Chat-Gruppen, über die sich die Sportlerinnen und Sportler vernetzen können.

Aus ihrer Sicht unterscheiden sich Städte dabei überwiegend in ihrer Architektur, der umliegenden Natur, dem Vorhandensein von künstlich geschaffenen Parkour-Parks und der Dichte an Parkour-Communitys. „Berlin ist da schon ziemlich weit und bietet ein großes Angebot an Gruppierungen und Vereinen“, sagt Mattheus. Die Organisation durch Vereine erleichtert vor allem den Einstieg in die Parkour-Szene.

Über Hausdächer springen?

Auch wenn Parkour mittlerweile keine neue Sportart mehr ist, können sich viele Leute wenig darunter vorstellen. „Wir wurden schon von Eltern angepöbelt, dass wir ein schlechtes Vorbild für ihre Kinder wären“, heißt es aus der Gruppe. Das akrobatische Überwinden von Hindernissen im öffentlichen Raum erweckt teilweise den Anschein, dass es sich um eine besonders riskante Sportart handelt. „Viele Leute haben diese Vorstellung, dass wir nur über Hausdächer springen und Sachbeschädigung betreiben. Das stimmt aber einfach nicht“, erzählt Becker.

Garbriel Becker (li.), Robin Miersch (mi.) und Ramon Mattheus (re.) üben Parkour am liebsten in einer sauberen Umgebung aus.

© Verein Fußgänger

Die Philosophie von Parkour ist eine andere. Besonders die ehrliche Selbsteinschätzung, Übernahme von Verantwortung und Rücksicht besitzen einen hohen Stellenwert in der Szene. Der Sport hat dafür sogar eigene Verhaltensregeln formuliert, unter anderem die Regel „Leave no Trace!“ (Hinterlasse keine Spuren!).

Miersch erklärt: „Wir schätzen sowohl die Natur als auch die Architektur, in der wir uns bewegen. Tun wir das nicht, schaden wir uns nur selber. Inmitten von Müll und Scherben kann man nicht trainieren.“

Ob beim „Dienstags-Jam“, bei dem unterschiedliche Parkour Standorte in Berlin erkundet werden, oder der „Power Hour“, bei der man sich in einem wöchentlichen Kraft- und Ausdauertraining so richtig verausgaben kann, der Verein der Fußgänger bietet ein breites Angebot für alle Leistungsniveaus. Vor allem auch für die, die nicht nur die körperliche, sondern auch eine mentale Herausforderung suchen.

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