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Berlins bekanntestes linkes Wohnprojekt vor dem Aus?: Eigentümerin der „Köpi 137“ zieht mit Räumungsklage vor Gericht
Anfang der 1990er Jahre wurde das Haus in Berlin-Mitte besetzt, seit Jahrzehnten haben die Bewohnenden einen Mietvertrag. Nun will die Eigentümerin räumen lassen. Der Anwalt der „Köpi“ vermutet aus finanziellem Interesse.
Stand:
Berlins wohl bekanntestem linksalternativen Wohnprojekt „Köpi 137“ droht die Räumung. Wie das Berliner Amtsgericht am Mittwoch mitteilte, will die Eigentümerin in der kommenden Woche eine Räumung vor Gericht erzwingen. Am kommenden Mittwoch, dem 6. November, findet die erste mündliche Verhandlung vor dem Landgericht statt.
Die Eigentümerin argumentiert mit angeblichen baulichen Mängeln: Das Gebäude in der Köpenicker Straße 137 sei einsturzgefährdet. Der Bewohnerverein weist das zurück. Deren Anwalt Moritz Heusinger berichtet, dass die Eigentümerin dem Verein im Frühjahr 2024 gekündigt habe. Dabei sei die Kündigung schon rechtlich nicht zulässig: Denn der Mietvertrag enthalte explizit eine Klausel, wonach bauliche Mängel kein Kündigungsgrund sein dürften.
Anders hätte der Vertrag nie zustande kommen können, sagt Heusinger am Telefon: „Das Haus war damals praktisch eine Ruine.“ In weiten Teilen hätten Fenster gefehlt, der Keller sei voller Schutt aus dem 2. Weltkrieg gewesen. Über die Jahrzehnte habe der Verein viele Sanierungsarbeiten an dem Haus durchführen lassen, stets begleitet von einem professionellen Architektur- und Statikbüro.
Das Haus mag von außen immer noch wie eine Ruine aussehen, aber es ist definitiv nicht einsturzgefährdet.
Moritz Heusinger, Anwalt des Bewohner:innenvereins
„Das Haus mag von außen immer noch wie eine Ruine aussehen, aber es ist definitiv nicht einsturzgefährdet“, sagt Heusinger. „Niemand würde dort wohnen wollen, wenn auch nur die leise Gefahr eines Einsturzes bestünde.“
Der Verein könne das mit umfangreichen Gutachten zur Statik belegen, sagt Heusinger. Er sei daher sehr optimistisch, was den Ausgang des Verfahrens angehe. Heusinger und der Bewohnerverein vermuten, dass die Eigentümerin das Haus abreißen und das Grundstück gewinnbringend veräußern lassen will – womöglich auch mit unlauteren Mitteln.

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Laut Heusinger habe die Eigentümerin ihm persönlich mehrfach hohe Geldsummen im sechs- bis siebenstelligen Bereich angeboten, um die Bewohner:innen zum Auszug zu bewegen. Vor einigen Monaten habe die Investorin auch auf dem Nebengrundstück direkt an der Fassade eine fünf Meter tiefe Baugrube ausheben lassen, wohl ohne Baugenehmigung.
Eigentümerin will Bewohner:innen seit Jahren loswerden
„Dabei ist der Bagger immer wieder gegen die Fassade gestoßen“, sagt Heusinger. Dass solche Arbeiten ohne Erlaubnis und ohne statische Prüfung direkt an der Fassade eines sehr alten Hauses stattfänden, finde er zumindest dubios. Vielleicht, das klingt durch, habe die Eigentümerin hier in puncto Einsturzgefahr auch Fakten schaffen wollen.
Auf dem angrenzenden Gelände in der Köpenicker Straße befand sich bis 2021 der Köpi-Wagenplatz. Nach einer erfolgreichen Räumungsklage war der mit großem Polizeieinsatz geräumt worden. Das Haus selbst gilt als eines der deutschlandweit bekanntesten linken Wohn- und Kulturzentren. Allerdings gibt es nach Tagesspiegel-Informationen auch seit Jahren starke Konflikte innerhalb der Bewohnerschaft.
Eine mögliche Räumung dürfte innerhalb der linken Szene dennoch deutliche Proteste auslösen: Das spiegelt sich auch in dem Prozesstermin wider, der laut Gericht aus Sicherheitsgründen in das Gebäude in der Turmstraße verlegt wurde.
Das Gelände an der Köpenicker Straße 133 bis 138 wurde im Februar 1990 besetzt. 1991 erhielten die Bewohner:innen Mietverträge. Nach diversen Verkäufen handelten die Bewohner:innen 2008 einen Mietvertrag über 30 Jahre für das Haus aus. 2013 wurde das gesamte Gelände nach einer Insolvenz an die Startezia GmbH versteigert.
Die Startezia stammt aus derselben Unternehmensfamilie wie die vorherige, insolvente Eigentümerin, die „Novum Köpenicker Straße 133–138 GmbH & Co. KG“. Hinter der Unternehmensfamilie soll der umstrittene Immobilieninvestor Siegfried Nehls stecken. Die Startezia war für den Tagesspiegel bislang nicht erreichbar.
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