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Berlin: Berlins Brückentage

Senator Müller blickt nach vorn: In den nächsten Jahren entstehen Übergänge, Straßen und Stadtviertel. 38 000 Wohnungen sind geplant – und noch mehr.

25 Areale mit bis zu 38 000 neuen Wohnungen sollen noch in dieser Legislaturperiode zur Bekämpfung der Wohnungsnot entwickelt werden. Die bekannteste Baufläche ist das Tempelhofer Feld. Aber nicht nur dort formiert sich Widerstand, sondern auch, wo sich heute noch Kleingärten befinden oder Baulücken von Gründerzeitquartieren geschlossen werden sollen. Und das verdrießt den Bausenator Michael Müller (SPD) schon. Das war auf der Jahrespressekonferenz des obersten Berliner Planers zu erkennen.

Landeseigenes Grundeigentum werde nun „unstrittig und unumkehrbar“ als „strategisches Instrument“ zur Bekämpfung der Wohnungsnot eingesetzt, sagte Müller. Noch im Januar werde mit dem Koalitionspartner CDU ferner ein Kompromiss zum Erlass eines Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum geschlossen, der die Nutzung als Ferienwohnungen verhindert oder auch Abriss oder Leerstand. Ein Fonds sei ferner auf den Weg gebracht, 32 Millionen Euro, die für den Bau von günstigen Wohnungen eingesetzt werden. Außerdem seien Genehmigungen zur Errichtung von 9000 Wohnungen im vergangenen Jahr erteilt worden – mehr als erwartet.

Wo geklotzt wird, formiert sich oft auch Widerstand. Müller versicherte, „keinen Generalangriff auf Grünflächen und Kleingärten“ riskieren zu wollen. Dennoch hat etwa die Bürgerinitiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“ starken Zulauf, die mit einem Bürgerentscheid jede noch so kleine Änderung an dem früheren Flugfeld verhindern will. „Wenn wir den Anspruch erheben, mehr Wohnungen zu bauen, dann müssen wir auch an Flächen rankommen“, verteidigte Müller sein Vorhaben, die Ränder des Parks zu bebauen. Er präsentierte dazu den Masterplan für die Verteilung der Blöcke im Südwesten des Feldes: Dort entsteht ein Bildungsquartier mit vielen Wohnungen und der Zentral- und Landesbibliothek, die schräg gegenüber dem U- und S-Bahnhof Tempelhofer Damm geplant ist. Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hat Müller eingespannt, um den Anstieg der Mieten zu bremsen: 41 Projekte für den Bau von 3684 Wohnungen seien auf den Weg gebracht. Außerdem wollen sie fast 8000 Wohnungen hinzukaufen, die dann ebenfalls in den Dienst der sozialen Mietenpolitik gestellt werden sollen.

Müller reagiert außerdem auf die Klagen von Bauträgern über lange Genehmigungszeiten, indem er die „Baustellenkoordinierung“ personell verstärkt. Allerdings reichten die Entwickler in neun von zehn Fällen unvollständige Unterlagen ein, die mangels Personal dann länger liegen bleiben. Dass sie nachbessern müssen, das soll Antragstellern künftig jedenfalls schneller mitgeteilt werden.

Harte Auseinandersetzungen ums Geld mit Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) waren der Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik vorausgegangen. Auch dieses Jahr dürfte nicht ganz spannungsfrei verlaufen. Bei der möglicherweise drohenden Einsparung von zehn Prozent des Personals der Stadtentwicklungsverwaltung würden 250 Stellen wegfallen – „das kann bedeuten, dass die Bearbeitungszeit von Vorgängen länger dauert oder einige gar nicht erledigt werden können“, sagt Müller.

Genug Geld, 37 Millionen Euro, ist immerhin für die Sanierung der Straßen, im „Schlaglochprogramm“ vorhanden; auch die Freybrücke zwischen Charlottenburg und Spandau soll neu entstehen. Müller will auch ein „Sonderreferat Klima und Energie“ neu gründen. Denn in diesem Jahr wird die Gas-Konzession verhandelt, im kommenden Jahr jene für die Stromnetze. Auch ein erster Anlauf zur Formulierung eines Klimaschutz- und Energiewendegesetzes soll genommen werden, wobei Müller eine zu starke Belastung der Mieter verhindern will.

Dass die senatseigenen Planungs- und Bauabteilungen zu oft versagen bei Großbaustellen, weist Müller zurück: „Weit über 80 Prozent der mehr als 50 Baustellen sind im Kosten- und Zeitrahmen geblieben“. Dass bei der Staatsoper Unter den Linden so ziemlich alles schief ging, schiebt er auf die Probleme von Projekten in der historischen Stadt und auf „den Projektentwickler“, der inzwischen aber ausgetauscht sei. Auch die spektakuläre Umgestaltung des rückseitigen Umfeldes vom Roten Rathaus, dem historischen Molkenmarkt, steht bevor. Die „planerischen Voraussetzungen“ für die Verengung und Verlegung der Straßen sowie für Neubauten auf den dadurch gewonnenen Bauflächen sollen in dieser Legislaturperiode geschaffen werden.

Der oberste Stadtplaner äußerte sich auch zum Namensstreit im Zusammenhang mit dem stillgelegten Flugfeld, der „Tempelhofer Freiheit“. Kulturstaatssekretär André Schmitz hatte die Verwendung des Begriffs als „Ausdruck von Geschichtsvergessenheit“ verurteilt. Müller sieht das anders und verteidigt ihn: „Ich kenne viele Berliner, die das riesige Areal des ehemaligen Alliierten-Flughafens mit Freiheit verbinden“. Seine Vorgängerin, Ingeborg Junge-Reyer, hatte den Begriff geprägt und dabei auch die freien Gestaltungsmöglichkeiten der zahlreichen Initiativen auf dem Feld im Sinn. Ausgrabungen auf dem Areal hatten aber auch gezeigt, dass zur NS-Zeit auf dem Areal Konzentrations- und Zwangsarbeitslager aufgebaut worden waren. NS-Gedenkstätten, Jüdische Gemeinde und Jüdisches Museum hatten deshalb bereits bei Müller schriftlich gegen diese Bezeichnung protestiert.

Mehr zur Entwicklung der historischen Stadt auf den Seiten „Mehr Berlin“, Seite 24 und 25.

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