Berlin: Beuys, Warhol – aber wer ist Marx?
Der Kunstmäzen fühlt sich im Hamburger Bahnhof nicht ausreichend gewürdigt. Ein Besuch im Museum
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Besuchen sie die Sammlung Marx, solange sie noch da ist. Wäre eine gute Werbestrategie für den Hamburger Bahnhof in diesen turbulenten Zeiten. Lehnhard Lützen, Kunstliebhaber und Fan des Museums, hat sich wegen der Berichte im Tagesspiegel gleich auf den Weg gemacht, um die weltbekannten Bilder von Twombly, Warhol und Rauschenberg noch mal zu sehen. Vom Hamburger Bahnhof insgesamt ist er „enttäuscht“. Zu wenig namhafte Künstler würden ins Haus geholt. Überhaupt sei die Euphorie der Anfangsjahre verflogen.
Kunstmäzen Erich Marx droht mit dem Abzug seiner Sammlung aus dem Hamburger Bahnhof, der Anfang der 90er Jahre extra für seine Werke umgebaut wurde. Er fühlt sich und seine Bilder „an den Rand“ gedrängt. Die Ausstellungskuratoren kümmerten sich vordringlich um das zeitgenössische Kunstgeschehen und zu wenig um die Präsentation seiner Werke. Der Name „Marx“ komme nicht mal im Untertitel des Museums vor. Andere Häuser nennen sich „Museum Berggruen“ oder „Museum Ludwig“. Der Hamburger Bahnhof einfach nur „Museum der Gegenwart“. Dass Marx seine Drohung wohl nicht wirklich wahrmachen wird, weil eine gütliche Einigung in Sicht scheint, war gestern am Tage noch nicht so klar.
Auf den ersten Blick scheint Marx jedenfalls mit seiner Kritik recht zu haben. Der Besucher betritt kein Museum, sondern eine Baustelle. Die Sicht in die Haupthalle mit den Werken von Anselm Kiefer aus der Sammlung Marx ist durch einen verkleideten Bauzaun versperrt. Dahinter steht ein großer Raumwürfel mit Zugangsschleusen. Im Innern wird gerade die Ausstellung „Schmerz“ aufgebaut, zu sehen ab dem 5. April. Auch die Flick-Collection in den Rieckhallen nebenan ist gesperrt, ebenfalls wegen Umbau.
Es sind nur wenig Besucher unterwegs. Der stumme Dialog zwischen Betrachter und Objekt kann sich ungestört entfalten. Die Sammlung Marx ist allgegenwärtig, allerdings sind die Hinweise auf den Mäzen sehr dezent in kleiner Schrift gehalten. Die großformatigen Objekte von Beuys oder Twombly beanspruchen verschwenderisch große Wand- und Bodenflächen. Die Neuerwerbung der Sammlung Marx, „Journey to the moon“ von William Kentridge, darf sich über das gesamte Obergeschoss des Westflügels ausbreiten. An den Rand gedrängt fühlt sich hier allenfalls der Besucher. Zwei kunstbeflissene Damen, beide zum ersten Mal im Hamburger Bahnhof, schauen sich Fotografien von Thomas Struth an. Was sich hinter der neonblau beleuchteten Fassade verbirgt, wollte Marianne Weber aus Schmargendorf schon immer mal erforschen. Dass ein Großteil der Werke dem Sammler Marx gehören, wusste sie nicht. „Berggruen sagt mir mehr“. Vielleicht liegt hier der Kern des Problems.
Weil die Neue Nationalgalerie aus den Nähten platzte, wurde 1996 der Hamburger Bahnhof als zentraler Ort für die zeitgenössische Kunst eröffnet. Diesem Anspruch ist er nach Meinung vieler Kritiker nie gerecht geworden. Beleg dafür ist die aktuelle Debatte um eine neue Kunsthalle, die unabhängig von Sammlern agieren kann. Die Freiflächen um den neuen Hauptbahnhof wären ein prominenter Ort in direkter Nachbarschaft des Museums. Gäbe es eine Kunsthalle, könnte sich auch der Hamburger Bahnhof neu definieren. Der Leiter des Museums äußert sich derzeit nicht. Auch Mitarbeiter schweigen. Morgen, sagt die Frau an der Kasse, könne die Haupthalle mit der „Blei-Bibliothek“ von Kiefer wieder besichtigt werden. Der weiße Kubus indes, der die Sicht vom Eingang her versperrt, wird vorerst stehen bleiben. Ein Fremdkörper, der schmerzen kann.
Der Hamburger Bahnh of gehört zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Umbau durch den Architekten Josef Paul Kleihues kostete 50 Millionen Euro.
Die 13 000 Quadratmeter große Ausstellungsfläche ist größtenteils für die Sammlung von Erich Marx reserviert.
Die Sammlung Marx umfasst rund 200 Werke, die Flick-Collection 2000. Die Flick-Werke werden in Etappen gezeigt. loy
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