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Ein Blick aus dem Balkon: Hier geht es nachts richtig hoch her.

© Andreas Oswald

Update

Empörung über Krach und Drogen: Eine Straße in Berlin-Schöneberg zwischen Anwohnern, Polizei und nächtlichen Unruhen

Wie der Bezirk Tempelhof-Schöneberg versucht, einen Brennpunkt in der Neuen Steinmetzstraße zu befrieden.

Von Andreas Oswald

| Update:

Die Neue Steinmetzstraße in Schöneberg ist eigentlich eine beschauliche und ruhige Spielstraße mit Klettergelegenheiten für Kinder, Tischtennisplatten und einem zusätzlichen Spielplatz, der gerade erst vom Bezirk mit großem Aufwand erneuert wurde. An der Ecke befindet sich auch eine Kindertagesstätte. Tagsüber finden sich junge Mütter und Väter mit ihren Kindern in der Spielstraße ein, es ist eine kindgerechte Umgebung mitten in der Stadt. Allein in dem Eckgebäude Neue Steinmetzstraße/Großgörschenstraße leben insgesamt 13 Babys und Kleinkinder. Der Vermieter dort hat in der Vergangenheit verstärkt an junge Eltern mit Kindern vermietet. Dort befindet sich auch der Jugendclub Fresh 30, der von einer Sozialarbeiterin und einem Sozialarbeiter betreut wird.

Doch ab dem frühen Abend wird die Straße oftmals von einer Gruppe Jugendlicher bevölkert, die manchmal bis tief in die Nacht aggressiven Lärm verbreiten. Nachts findet dort auch Drogenhandel statt. So erzählen es Anwohner.

Diese haben sich offen empört bei einer Versammlung, bei der sich neben Anwohnern auch die Sozialarbeiter des benachbarten Jugendclubs Fresh 30 trafen sowie Vertreter des Pestalozzi-Fröbel-Hauses, einer großen Sozialarbeiter-Institution, die den Jugendclub betreibt.  Vertreter der Polizei, waren da, BSR, Vertreter des Jugendamts und weitere des Bezirksamts sowie sogenannte „Parkläufer“, die nachts Parks ablaufen und dort nach dem Rechten sehen. Moderiert haben die Versammlung Vertreterinnen der „Stadtteilkoordination Schöneberg Nord“.

Aggressiver Lärm bis 1 Uhr nachts

Anwohner berichteten, dass die Jugendlichen im Sommer oft bis nachts um 1 Uhr einen ungeheuren Lärm machten, aggressive Konflikte untereinander austrügen und eine unerträgliche Stimmung verbreiten würden. Sie würden manchmal auf das Dach der Kita steigen und von dort Steine aus dem maroden Schornstein brechen und auf die Spielstraße werfen. Ein Brennpunkt sei auch der Späti an der Ecke gegenüber, wo sich die Ruhestörer oft versammeln würden, bevor sie auf die Spielstraße kämen. Sie beklagten auch, dass Männer mit Sportwagen angeberisch und mit quietschenden Reifen in der querlaufenden Großgörschenstraße beschleunigen würden, obwohl dort Tempo 30 herrscht.

Die machen sich ein Spiel daraus.

Anwohner zur Lage

Eine schwangere Frau hatte zuvor berichtet, dass zwei kräftige Jugendliche sich vor den Hauseingang gestellt hätten und sie Mühe gehabt habe, auf dem Weg zum Mülleimer durchzukommen. Auf dem Rückweg seien die jungen Männer aggressiv gewesen und hätten den Fuß in die Türe gestellt, so dass sie die Haustür nicht mehr schließen konnte. Sie habe die Begegnung als bedrohlich empfunden.

Bei der Versammlung machten sich kürzlich Anwohner zum Teil lautstark Luft. Sie hätten den Eindruck, dass nichts passiere, um die unerträglichen Verhältnisse zu ändern, sagte einer.

Polizei geht auch gegen Drogenhandel und -konsum vor

Heftige Vorwürfe musste sich die Vertreterin der Polizei anhören. Es habe überhaupt keinen Sinn, die Polizei zu rufen, sagte ein Anwohner. Wenn sie komme, dann mit Blaulicht, die Jugendlichen würden dann sofort verschwinden und wiederkommen, wenn die Polizei wieder weg ist. „Die machen sich ein Spiel daraus“, sagte er. Vonseiten der Bewohner wurde gefordert, dass die Polizei mit Zivilkräften komme, Personalien aufnehme und gegenüber den Jugendlichen klarmache, dass es Konsequenzen habe, wenn sie nicht aufhörten, Krach zu machen.

Die Polizeibeamtin zählte auf, dass die Polizei in der Vergangenheit tatsächlich mit Zivilkräften unterwegs gewesen sei und dabei unter anderem auch gegen Drogenhandel und Drogenkonsum vorgegangen sei.

Für die Anwohner spielt tatsächlich auch der Drogenkonsum im Umfeld eine Rolle. In und um die öffentliche Toilette am benachbarten Crellepark spielten sich unglaubliche Szenen ab, sagte ein Anwohner.

Ein anderer Teil der Spielstraße von oben fotografiert.
Ein anderer Teil der Spielstraße von oben fotografiert.

© Andreas Oswald

Im Sommer hatte es Drogenkonsum auf den Treppen eines geschlossenen Geschäfts gegeben und in einer Garageneinfahrt. In einem schräg gegenüberliegenden Raum der Sparkasse mit einem Geldautomaten kampieren regelmäßig Drogensüchtige.

Interessant war ein Hinweis der Polizistin und eines Kontaktbereichsbeamten. Wenn Anwohner den Notruf der Polizei wählen und sagen, es gehe um aggressive Leute, die Krach machen, dann ist die Polizei verpflichtet, mit Blaulicht und Martinshorn zu kommen, weil sie mit einer Gefährdungslage rechnen muss.

Die Beamtin und der Kontaktbeamte sagten, es sei nur dann möglich, ohne Blaulicht zu kommen, wenn der Anrufer sage, es gehe um Ruhestörung und er wolle deshalb Anzeige erstatten. Das Wort „Anzeige“ sei entscheidend und dass es nicht um Aggression oder Gewalt gehe. Dann könne die Polizei in zivil kommen und Personalien aufnehmen. Es würden dann aber auch die Personalien des Anzeigenstellers aufgenommen.

Die Anwohner waren sichtlich nicht zufrieden mit den Erklärungen. Warum es nicht möglich sei, dass die Polizei systematisch für Ruhe sorge, beklagten sie.

Sozialarbeiter bringen sich verstärkt ein

Vonseiten der Sozialarbeiter, die sich sehr um eine Beruhigung der Situation bemühten, wurde darauf hingewiesen, dass Freiräume für Jugendliche immer enger würden und es darauf ankomme, ein friedliches Miteinander zu organisieren.

Die Anwohner sowie die Sozialarbeiter trafen eine Vereinbarung. Die Sozialarbeiter des Jugendclubs sagten, Anwohner könnten sie jederzeit anrufen, wenn es einen Konflikt oder eine Belästigung gebe, solange der Jugendclub offen sei. Das gelte auch für den Innenhof eines der Eckgebäude, was eigentlich nicht ihr Terrain sei. Nach 20 Uhr, wenn der Jugendclub schließt, werde an mehreren Tagen in der Woche ein Sozialarbeiter der Organisation Outreach spätabendlich unterwegs sein, um die Lage zu beruhigen, wenn das notwendig wird.

Die sogenannten Parkläufer, die sich wie die Sozialarbeiter ebenfalls sehr kooperativ zeigten, haben eingewilligt, spätabends dreimal am Abend und in der Nacht auch die Neue Steinmetzstraße in ihre Route aufzunehmen. Die Parkläufer sind dazu da, nachts in den Parks nach dem Rechten zu sehen und zu schauen, ob dort Drogenhandel und Drogenkonsum stattfindet. Sie kümmern sich auch darum, ob Spritzbesteck und andere Utensilien herumliegen. Sie sagten, sie würden auch darauf achten, ob Leute in der Neuen Steinmetzstraße Krach machen oder mit Drogen handeln und auf sie einwirken.

Das professionelle Auftreten der Sozialarbeiter und der Parkläufer schien die Situation zu beruhigen. Anwohner können die Sozialarbeiter und Parkläufer jetzt direkt anrufen, wenn es Ärger gibt - statt gleich die Polizei zu rufen. Der Gedanke dahinter: Wenn nicht gleich die Polizei gerufen wird, entspannt das die Beziehung zu den Jugendlichen, die die Anwohner nicht mehr als Gegner sehen sollen.

Angeregt wurde auch der Einsatz der „Nachtlichter“, einer weiteren Organisation, die nachts Konflikte in den Straßen entschärft. Die Sozialarbeiter haben eine Putzaktion organisiert, an der sie selber zusammen mit einigen der Jugendlichen wie auch Anwohnern gemeinsam eine Stunde lang die Spielstraße saubermachten, um Spannungen abzubauen. Das Treffen schien ein voller Erfolg zu sein. Jugendliche und Anwohner fanden sich ein und machten gemeinsam die Spielstraße sauber. Dabei entwickelten sich zahlreiche Gespräche.

Eine Sozialarbeiterin erzählte, es sei wichtig, dass die Nachbarschaft eine Beziehung mit den Jugendlichen aufbaue. Diejenigen Jugendlichen, die Stress machten, würden das nicht vor dem eigenen Haus machen, weil sie dort eine Beziehung zu Familie und Nachbarschaft hätten. Sie würden sich Gegenden aussuchen, wo sie sich anonym fühlten. Eine Beziehung aufzubauen, würde diese Anonymität aufheben. Sie regte an, dass Anwohner demnächst gemeinsam mit den Jugendlichen Hochbeete anlegen, die dann im Frühjahr bepflanzt würden.

Anwohner und Sozialarbeiter wollen sich jetzt regelmäßig treffen und Bilanz ziehen, wie sich die Lage weiterentwickelt und welche Maßnahmen Wirkung zeigen. „Vielleicht wird es ja besser, wenn es kälter wird“, sagte ein Anwohner.

Hinweis: Der Autor wohnt in der Neuen Steinmetzstraße.

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