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© Foto: Bao-My Nguyen

„Das ist nur der Anfang“: Neuer geschützter Radweg auf dem Tempelhofer Damm in Berlin eröffnet

Zur Eröffnung kam sogar die Verkehrssenatorin: Hunderte Poller und Leitboys trennen zwischen Alt-Tempelhof und Ullsteinstraße jetzt Radfahrer vom Autoverkehr.

Von Bao-My Nguyen

Der Tempelhofer Damm hat einen neuen geschützten Radweg: Berlins Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck (Grüne) eröffneten am Freitagmittag die Radverkehrsanlage zwischen Alt-Tempelhof und Ullsteinstraße. Damit ist der insgesamt gut drei Kilometer lange geschützte Radfahrstreifen in dem Abschnitt jetzt fertig.

Der Bezirk baute etwa anderthalb Jahre daran. 530 Poller und zahlreiche Baken – sogenannte Leitboys – trennen nun den motorisierten Verkehr von den Radelnden. Zusätzlich wurden Zufahrten und Kreuzungen mit roter Farbe markiert. Nach Abschluss der Arbeiten der Leitungsbetriebe am Mariendorfer Damm wird die Anlage in Richtung Süden bis zum U-Bahnhof Alt-Mariendorf auf beiden Seiten weitergeführt.

„Das ist nur der Anfang nach langer intensiver Vorarbeit“, sagte Jarasch in der Eröffnungsrede, zu denen auch viele Mitglieder von Fahrradinitiativen erschienen waren. Bereits 2017 beschloss die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) nach einer Einwohnerinitiative, den Abschnitt am Tempelhofer Damm für Radfahrende sicherer zu gestalten. Die Anlage wurde als „Verkehrsversuch“ geplant. Erst ein Jahr später trat das Berliner Mobilitätsgesetz in Kraft, das eine Verkehrswende zugunsten des öffentlichen Personennahverkehrs, Fuß- und Radverkehr erleichtert.

Vorher haben sich die Eltern gar nicht getraut, die Kinder hier fahren zu lassen.

Stefan Gammelien, Fahrradaktivist

Als eine „reine Radfreude“ bezeichnete Ellenbeck die Fertigstellung der Anlage. Zusammen mit Jarasch durchschnitt sie feierlich das rote Band. Beide drehten mit zahlreichen Fahrradaktivist:innen eine Runde auf dem eingeweihten Straßenabschnitt.

Verkehrssenatorin Bettina Jarasch und Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck (beide Grüne) durchschnitten das rote Band bei der Radwegseröffnung.
Verkehrssenatorin Bettina Jarasch und Bezirksstadträtin Saskia Ellenbeck (beide Grüne) durchschnitten das rote Band bei der Radwegseröffnung.

© Foto: Bao-My Nguyen

Zu den Aktivist:innen gehört auch Stefan Gammelien – er ist in den Initiativen Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC), Changing Cities und Netzwerk Fahrradfreundliches Tempelhof-Schöneberg (NFTS) aktiv und freut sich über mehr Radfahrende, die er hier beobachten kann. „Hier sind auch viel mehr Kinder. Vorher haben sich die Eltern gar nicht getraut, die Kinder hier fahren zu lassen.“ Zu hektisch und gefährlich sei die Straße vor dem Umbau gewesen. „Der Tempelhofer Damm ist nun für andere Nutzergruppen attraktiv geworden, und das ist extrem wichtig.“ Damit sei ein wichtiger Schritt in Richtung Mobilitätswende getan.

Trotz aller Freude zur Fertigstellung gebe es noch allerhand zu tun, heißt es vom ADFC. Der Club bemängelt die Breite des Fahrradstreifens, der nicht dem Standard des Mobilitätsgesetzes entspricht. Zudem geht es viel zu langsam voran: 2008 fuhr ein LKW-Fahrer eine 14-jährige Schülerin an und schleifte sie 15 Meter unter seinem Anhänger mit. Für sie endete der Unfall tödlich.

Parkplätze fallen weg

Ein anderer Kritikpunkt einer anderen Initiative: Durch den Radweg fallen Hunderte Parkplätze weg. Die Initiative „Tempelhofer Damm für Alle!“ sammelte vergangenes Jahr Unterschriften für einen neuen Einwohnerantrag, mit dem der Radwegbau gestoppt werden sollte. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) lehnte den Antrag vergangenen Dezember ab.

530 Poller und zahlreiche Leitboys trennen den motorisierten Verkehr von den Radelnden. Zusätzlich wurden Zufahrten und Kreuzungen mit roter Farbe markiert.
530 Poller und zahlreiche Leitboys trennen den motorisierten Verkehr von den Radelnden. Zusätzlich wurden Zufahrten und Kreuzungen mit roter Farbe markiert.

© Foto: Bao-My Nguyen

Für Verkehrssenatorin Bettina Jarasch ist die Anlage dennoch ein voller Erfolg. „Die Stadträtin hat ja schon gesagt: Der Parksuchverkehr hat sich offensichtlich nicht so verschlimmert, wie das vorher geunkt wurde“, sagte Jarasch. Für sie profitieren am Ende beide Seiten: Die Radfahrenden, die nun sicherer unterwegs sein können und die Autofahrer:innen, die entspannter den Abschnitt befahren können. „Denn niemand möchte, dass Radfahrer, weil der Platz fehlt und weil es keinen Schutz gibt, plötzlich vor dem Auto sind.“

Die lange Auseinandersetzung zwischen den Verkehrsteilnehmenden ist ihrer Erfahrung nach normal. „Jedes Projekt, wo wir wirklich einmal gezeigt haben, wie Mobilitätswende funktioniert, hilft, mehr Zustimmung zu gewinnen“, erklärte Jarasch. „An den allermeisten Orten passiert dasselbe: Es gibt immer am Anfang, wenn etwas verändert wird, Widerstand. Und wenn es aber gut geplant ist und alle Interessen eben auch berücksichtigt sind und alles erst mal da ist: dann möchte es niemand mehr missen.“

Ihre Senatsverwaltung möchte Projekte dieser Art weiter ausbauen. Eine mögliche bevorstehende Neuwahl in Berlin bringt sie nicht davon ab. „Es wird Wahlkampf geben. Das ist völlig klar, wenn das Verfassungsgericht am 16. November sein Urteil verkündet. Aber die Menschen in der Stadt müssen sich darauf verlassen können, dass wir jetzt nicht einfach die Arbeit einstellen und nur noch Wahlkampf machen.“

Daher lässt sie das lange Hin und Her um die geplante Fahrradstraße in der Handjerystraße in Friedenau ratlos zurück. „Dieser geballte Widerstand plötzlich von fast allen anderen Parteifarben und dann mit Argumenten, die wirklich absurd sind: Die Leute fürchten, dass ihre Kinder überfahren werden könnten von einem Fahrrad. Sie fürchten aber offensichtlich plötzlich nicht mehr, dass ihr Kind von einem Auto überfahren werden kann. Das ist eine Verkehrung der tatsächlichen Gefahrenlage und dies kann ich mir nur durch Wahlkampf erklären“, sagte die Grünen-Politikerin.

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