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Pssst, jetzt mal leise. Das ist einer der Kreuzberger Biber.

© Kristina Roth

Das wilde Berlin-Kreuzberg: Biber leben auch am Landwehrkanal

Sie lebten bisher auf Inseln, jetzt auch im berühmten Kanal. Warum? Das erklärt eine Berliner Wildnis-Expertin. Der Bezirk will Biberausstiege bauen.

Berlins Biber sind jetzt auch im Landwehrkanal. „Bisher war dem Bezirk eine Biber-Familie bekannt, die sich auf Liebesinsel und Kratzbruch in der Rummelsburger Bucht niedergelassen hat", erklärt Clara Herrmann, Grüne, Stadträtin im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Und weiter: "Nun sind auch einige Biber im Landwehrkanal aktiv. Insgesamt wurden fünf Biberbauten gesichtet." Darüber berichtete jetzt der Tagesspiegel-Newsletter für Kreuzberg-Friedrichshain.

Damit die Tiere bleiben und sich wohlfühlen, seien vor allem „natürliche Ausgänge aus dem Fließgewässer“ nötig. Für städtische Gebiete ist das oftmals eine Herausforderung, da nicht alle Kreuzberger Ufer naturbelassen sind. Das Bezirksamt plant, an kritischen Stellen eigene Biberausstiege einzubauen.

Das Foto vom Biber machte die Berlinerin Kristina Roth. Sie ist Stadtnatur-Rangerin der Stiftung Naturschutz Berlin. Die Stiftung engagiert sich für eine „artenreiche, vielfältige Stadt“ – unter anderem durch Dokumentation, Exkursionen und Projekte zur Erhaltung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Roths Einsatzgebiet ist Friedrichshain-Kreuzberg. Mit ihr führte der Tagesspiegel-Bezirksnewsletter auch gleich ein Kiezgespräch, hier ist es.

Frau Roth, wie lange arbeiten Sie schon als Stadtnatur-Rangerin und was motiviert Sie dazu? "Ich schätze mich glücklich, seit Anfang Dezember vergangenen Jahres zum Team der Stadtnatur-Ranger*innen zu gehören. Berlin hat eine einzigartige Natur. Unsere Stadt ist nicht nur für mehrere Millionen Menschen ein attraktives Zuhause, sondern sie beheimatet auch unglaublich viele Tier- und Pflanzenarten.

Sobald ich das Haus verlasse, grünt, summt oder flattert es. Immer gibt es etwas zu entdecken, wenn man nur ein wenig offen ist für all das Lebendige ringsherum. Die Berliner Natur ist für mich das Schönste an meiner Stadt. Es ist also großartig, mich für ihren Erhalt und Schutz auch beruflich einsetzen zu können." 

Und sie ist die Expertin: die Naturrangerin in Friedrichshain-Kreuzberg.
Und sie ist die Expertin: die Naturrangerin in Friedrichshain-Kreuzberg.

© privat

Was gehört zu Ihren Aufgaben und wie sieht Ihr Arbeitsalltag so aus? "Ein Großteil unserer Arbeit findet draußen und in enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde unseres Bezirks statt. Dabei werden u. a. Tier- und Pflanzenarten erfasst und an der Planung und Umsetzung von Schutz- und Pflegemaßnahmen mitgearbeitet. Und natürlich stehen wir auch unseren Nachbar*innen gern zur Verfügung, wenn es um Fragen rund um die Natur vor ihrer Haustür geht. Umweltbildung z. B. durch Rangertouren und unseren Einsatz am Langen Tag der Stadtnatur ist natürlich ebenfalls ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit. Wir knüpfen aber auch ein enges Netzwerk mit Naturschutzverbänden, Akteur*innen im Kiez und Behörden und entwickeln zum Schutz unserer Stadtnatur kurz- und langfristige Projekte. Ein voller und sehr abwechslungsreicher Arbeitsalltag also." 

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Berlin ist ein Biberparadies, vor allem der Norden Spandaus ist dafür bekannt. Da stehen sogar solche Schilder.
Berlin ist ein Biberparadies, vor allem der Norden Spandaus ist dafür bekannt. Da stehen sogar solche Schilder.

© André Görke

Leben im dicht besiedelten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg überhaupt seltene Tiere oder Pflanzenarten? Falls ja, wo könnte man sie finden? "Aber ja! Neben seltenen Farnen und Habichtskräutern können Sie im Kiez beispielsweise auch geschützte Greifvögel und Eulen beobachten. Verschiedene streng geschützte Fledermausarten bevölkern den Abendhimmel. Es gibt also auch in unserem Bezirk viel zu entdecken. Manchmal reicht ein Blick auf eine alte Mauer, um fündig zu werden. Aber auch Parks, Friedhöfe, Fassaden und Kirchtürme können voll seltenen Lebens sein." 

Vor Kurzem wurden Biber am Landwehrkanal gesichtet, meldete der Bezirk. Zuvor war nur eine Biber-Familie bei der Liebesinsel und Kratzbruch in der Rummelsburger Bucht bekannt. Was führt die Biber in das neue Revier stadteinwärts? "Biber haben sich in Berlin erfolgreich etabliert. Das bedeutet, dass sie auch Nachwuchs haben, der irgendwann das Elternhaus verlässt, um eine eigene Familie zu gründen. Dafür brauchen sie ein geeignetes Revier, das Unterschlupf und genügend Nahrung bietet. Das ist sicherlich ein Grund, warum Biber mittlerweile auch am Landwehrkanal beobachtet werden können. Ein weiterer Grund mag sein, dass die Mühlendammschleuse in der Spree für die Biber ein unüberwindbares Hindernis ist, sodass er vermutlich auch aus diesem Grund den Landwehrkanal besiedelt bzw. als Wanderkorridor nutzt."

Nicht alle Nager, die durch die Gewässer schwimmen, sind Biber. Bisamratten oder Nutrias sehen ihnen ähnlich. Wie gelingt Ihnen die Unterscheidung? "Der Biber ist unser größtes heimisches Nagetier und das zweitgrößte weltweit. Die Unterscheidung von Bisamratten und Bibern ist daher noch verhältnismäßig einfach, da die Bisamratte deutlich kleiner ist. Mit der Nutria ist das schon schwieriger, zumindest wenn sich die Tiere im Wasser bewegen. Mit viel Erfahrung kann man aber Unterschiede im Schwimmstil erkennen. Hat man ein gutes Fernglas, erkennt man die Nutria an ihren weißen Schnurrhaaren. An Land fällt eine Unterscheidung leichter, denn der Biber hat einen breiten flachen Schwanz. Dagegen ist der Schwanz der Nutria rund und ihre Ohren sind größer. "

Wie viele Biber konnten Sie im Bezirk schon beobachten? "Bisher konnten wir in unserem Bezirk zwei Biberfamilien mit circa sechs Tieren beobachten."

Biber sind ja Wildtiere. Fühlen die sich im Stadtgebiet überhaupt wohl? "Die Stadtbiber sind erheblich mehr Stress ausgesetzt als ihre Verwandten auf dem Land: Menschentrubel, badende Hunde, Schiffsverkehr – um nur einige Faktoren zu nennen. Insofern kann ich nicht wirklich beurteilen, wie wohl sich die Biber im Stadtgebiet fühlen. Aber sie haben sich angesiedelt und ziehen erfolgreich Junge groß. Ihre Anpassungsfähigkeit ist also erstaunlich und bewundernswert."

Pssst, jetzt mal leise. Das ist einer der Kreuzberger Biber.
Pssst, jetzt mal leise. Das ist einer der Kreuzberger Biber.

© Kristina Roth

Was können Sie als Stadtrangerin oder der Bezirk tun, damit sie sich auch zukünftig wohl fühlen? "Als Erstes geht es um die Sicherung und den Schutz ihrer Lebensräume und Rastplätze. Das bedeutet den dringenden Erhalt der letzten naturnahen Uferabschnitte. Ausstiegshilfen an den zumeist eingemauerten Ufern der Innenstadtgewässer sind eine weitere Maßnahme. Hier können wir als Ranger*innen Tipps für geeignete Orte geben und der Bezirk kann Maßnahmen umsetzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Aufklärungsarbeit, denn natürlich hinterlässt der Biber auch bei uns seine typischen Spuren. Ich darf versichern, dass in unserem Bezirk Experten, Naturschutzbehörde und wir Ranger*innen die Sache im Blick haben und geeignete Schutzmaßnahmen für wertvolle Uferbäume ergriffen wurden und werden. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, diesen faszinierenden Tieren ihre Nahrungsräume zuzugestehen. Die Biber in Berlin sind ganz klar eine enorme Bereicherung unserer Stadtnatur. Genießen wir also, dass wir sie so hautnah beobachten können." 

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